Es kann nur eine(n) geben

Der Demokratische Vorwahlkampf nimmt an Fahrt auf

von Sarah Wagner, M.A.

Vier Debatten und unzählige Wahlkampfauftritte haben die 24 Kandidat*innen, die den Vorwahlkampf der Demokraten bestreiten, schon mehr oder minder erfolgreich absolviert. Zeit, einen kurzen Blick auf den Stand der Dinge zu werfen. Welchen Einblick geben die Umfragewerte und die Spendeneinnahmen? Konnten die Debatten einen klaren Favoriten in der Partei etablieren? Und welche Themen und Kontroversen beschäftigen die Partei?

Umfragewerte und Spendeneinnahmen

Einen guten Überblick über die verschiedenen aktuellen nationalen und bundesstaatlichen Umfragen liefert FiveThirtyEight. Mitte August lässt sich feststellen, dass Joe Biden in den Umfragen mit deutlichem Vorsprung vor Bernie Sanders und Elizabeth Warren (die abwechselnd den zweiten und dritten Platz belegen) liegt. Hier lässt sich natürlich auch noch darüber streiten, ob dies am Wiedererkennungswert der Namen liegt oder nicht – aber an den Zahlen selbst ändert es erst einmal nichts. Abgeschlagen folgen ab Platz vier Kamala Harris, Pete Buttigieg, Beto O'Rourke und Cory Booker.

Diese Namen finden sich auch in der Übersicht der Spendeneinnahmen durch Einzelspenden. Hier allerdings verschiebt sich das Kräfteverhältnis etwas. Im zweiten Quartal nahm der Bürgermeister von South Bend, Indiana, Pete Buttigieg 24,9 Millionen US-Dollar an Einzelspenden ein, gefolgt von Joe Biden (22 Millionen), Elizabeth Warren (19,2 Millionen), Bernie Sanders (18 Millionen) und Kamala Harris (11,8 Millionen). Anzumerken sei hier, dass die Demokraten insgesamt zwar viel Spendengeld einwerben, es sich allerdings auf die große Gruppe an Kandidat*innen verteilt. Präsident Trump hat somit einen klaren rechnerischen Vorteil, kann er zudem Spenden gemeinsam mit ‚joint committees‘ einwerben, die aktuell bei Einnahmen in Höhe von insgesamt 68 Millionen US-Dollar im zweiten Quartal stehen.

Let's talk – die Debatten

Auch die zwei Runden mit insgesamt vier Debatten haben keinen klaren Favoriten unter den Demokraten krönen können. Während in der ersten Runde Kamala Harris noch mit einem gezielten Angriff auf Joe Biden und dessen politische Vergangenheit punkten und ihre Umfragewerte erhöhen konnte, sah sie sich in der zweiten Runde mit den kritischen Nachfragen von Tulsi Gabbard hinsichtlich ihrer eigenen Tätigkeit als Staatsanwältin in Kalifornien konfrontiert. Elizabeth Warren und Bernie Sanders nutzten den gemeinsamen Auftritt nicht, um sich als jeweils alleinigen Vertreter des linken Parteiflügels zu etablieren, sondern vielmehr um als geschlossene Front gegen die von ihnen als zu moderat angesehenen Kandidat*innen aufzutreten und konnten dadurch auch ihre eigene politische Agenda deutlich stärker und detailreicher vertreten und erklären. Während der politische Hoffnungsträger Beto O'Rourke in beiden Debatten enttäuschte bzw. sich in keinem Austausch eindrucksvoll durchsetzen konnte, glänzte Cory Booker in der zweiten Runde in einem Themenbereich, in dem sich Biden erneut der Kritik ausgesetzt sah: der Reform des Justizwesens.

Insgesamt jedoch erschienen die Debatten auch ein Gewinn für die Republikaner und Donald Trump, da das Format von den Veranstaltern in erster Linie dazu genutzt wurde, die internen Grabenkämpfe der Demokraten mit gezielten Fragen herauszufordern, die auch von den Republikanern hätten stammen können. Eine substanzielle politische Debatte blieb somit in vielen Teilen auf der Strecke, besonders im Bereich der Außenpolitik. Zudem waren die Debatten mit jeweils zehn Kandidat*innen und engen Zeitregeln auch wenig geeignet für solch einen Austausch.

Das Erbe von Barack Obama

Nicht nur die unterschiedlichen politischen Inhalte und Programme der Kandidat*innen stehen im Vorwahlkampf zur Debatte, vielmehr wird auch das Erbe der Demokratischen Präsidenten unter die Lupe genommen. Aktuell sezieren die Demokraten den politischen Nachlass Bill Clintons und insbesondere Barack Obamas, dessen Vize Präsident Joe Biden die Politik der Obama-Administration im Vorwahlkampf vertritt und verteidigt. Im Mittelpunkt stehen hier bspw. die Reform des Justizwesens unter Bill Clinton (und Joe Biden im Senat) sowie der ‚Affordable Care Act‘ (die Krankenversicherung) und die Einwanderungs- und Handelspolitik von Barack Obama. Ob sich diese Angriffe für die einzelnen Kandidat*innen strategisch auszahlen werden, ist noch zu bezweifeln, denn Barack Obama und auch seine Reform der Krankenversicherung sind innerhalb der Demokratischen Wählerschaft immer noch sehr beliebt. Wer jedoch freut sich über diese Breitseiten gegen Obama? Trump.

Differenzen und Chancen

Die Distanzierung einiger Kandidat*innen von den legislativen Erfolgen Obamas unterfüttert zeitgleich das dominante Mediennarrativ über die Demokraten als Partei der ideologischen Grabenkämpfe, die mehr auf sich selbst als auf den Wettbewerb mit Donald Trump fokussiert ist. Nun ist dies natürlich auch Sinn und Zweck eines Vorwahlkampfs: Die Partei soll in einer intensiven innerparteilichen Debatte herausfinden, wer den Präferenzen der Wähler*innen entspricht und wer eine Chance hat, das Weiße Haus 2020 zu erobern. Dass es hierbei auch zu rhetorisch handfesten Auseinandersetzungen kommt, zeugt eher für die demokratische Vitalität des politischen Prozesses. Schwierig wird es nur, wenn sich dieser Richtungsstreit so verhärtet, dass das Demokratische Lager gespalten in die Wahl geht und dadurch die Mobilisierung der eigenen Basis leidet. Die inhaltlichen Differenzen lassen sich hierbei stark verkürzt als eine Auseinandersetzung zwischen linken und als progressiv geltenden Kandidat*innen (Bernie Sanders, Elizabeth Warren) und dem eher moderaten Parteiflügel um Kandidaten wie Joe Biden oder Amy Klobuchar skizzieren. Wie weit soll eine Reform der Krankenversicherung letztendlich gehen? Sollen die Demokraten ein Impeachment anstreben oder nicht? Und wie offen sollen und dürfen Grenzen sein? An diesen und weiteren Fragen reibt sich die Partei.

Jedoch kann die Partei trotz dieser Herausforderungen und internen Differenzen auch damit glänzen, dass sie – besonders verglichen mit 2016 – ihrer Wählerbasis eine enorm große Auswahl an Kandidat*innen bietet, die auch ein zum Teil sehr unterschiedliches Programm vertreten. Diese lebhafte demokratische Auseinandersetzung durch verschiedene Kandidat*innen erzeugt nicht nur vielfältigere Inhalte, sondern bildet die Wählerbasis der Demokraten weitaus besser ab. Zudem können Wähler*innen mobilisiert und an den politischen Prozess herangeführt werden, die zuvor nur wenig Kontakt oder Interesse an dem Geschehen hatten.

What's next?

Die nächste Runde an Debatten wird am 12. und 13. September 2019 in Houston, Texas, eingeläutet. Auf dem Campus der Texas Southern University treffen die Kandidat*innen aufeinander, die sich für die Debatte anhand der folgenden Kriterien bis zum 28. August qualifizieren konnten: Mindestens 2% Zustimmung in mindestens vier nationalen Umfragen oder in Umfragen aus den ersten vier Staaten der Vorwahlen (Iowa, New Hampshire, Nevada, South Carolina) sowie Spenden von mindestens 130.000 individuellen Spendern (davon mindestens 400 individuelle Spender pro Staat in mindestens 20 Staaten).  Es wird interessant sein zu sehen, inwiefern sich das Demokratische Feld bis dahin verkleinert hat und welche Kandidat*innen sich mit ihrem Wahlkampf Verhör verschaffen konnten. Stay tuned!