First in the South – Die Vorwahlen in South Carolina

von Sarah Wagner, M.A. 

Am 29. Februar wird in South Carolina gewählt, zumindest in der Demokratischen Partei. Nach Iowa, New Hampshire und Nevada wählt zum ersten Mal in diesem Vorwahlzyklus ein Staat im Süden. Ein Staat, mit einer entscheidenden Anzahl an afro-amerikanischen Wähler*innen (ca. 27%), die das erste Mal im Vorwahlprozess einen signifikanten Einfluss auf die Abstimmung haben werden und dort unter den Demokratischen Wähler*innen knapp 60% ausmachen.  

Knapp 5,15 Millionen Menschen wohnen in South Carolina, 3.346.267 davon sind als Wähler*innen registriert. Bei den Zwischenwahlen 2018 lag die Wahlbeteiligung bei 55,03%, 1.726.527 Wähler*innen nahmen demnach an der Wahl teil. Im Präsidentschaftswahljahr 2016 lag die Wahlbeteiligung deutlich höher, nämlich bei 67,86%. Die damalige Vorwahl gewann Hillary Clinton mit überwältigenden 73,44% vor Bernie Sanders, Martin O’Malley und Willie Wilson.

Die Ergebnisse aus South Carolina werden mit Spannung erwartet, besonders das Abstimmungsverhalten der schwarzen Wähler*innen. Wird South Carolina ein Rettungsanker sein für Joe Biden, der in den bisherigen Vorwahlen strauchelte? Wie werden sich Kandidaten wie Pete Buttigieg und Amy Klobuchar schlagen? Und schafft Bernie Sanders es, genügend junge schwarze Wähler*innen zu mobilisieren? Und was macht eigentlich Tom Steyer in South Carolina? Um die Ergebnisse aus South Carolina am 29.2. einordnen zu können, lohnt sich ein genauerer Blick auf den Partnerstaat von Rheinland-Pfalz.

Ein konservativer Staat

Der „Palmetto State“ im Süden darf getrost als konservativ bezeichnet werden. In der Geschichte der USA hat der Bundesstaat schon mehrfach für Aufsehen gesorgt. Als Teil der 13 ursprünglichen Kolonien wurde South Carolina 1788 als 8. Staat in die Union aufgenommen, die Trennung der Carolinas in einen Norden und Süden erfolgte schon 1712. Nach der Wahl von Abraham Lincoln schied South Carolina als erster Staat im Jahr 1861 auch schon wieder aus der Union aus. Der berüchtigte erste Schuss auf Fort Sumter zum Auftakt des Bürgerkriegs erfolgte am 12. April 1861 ebenfalls in South Carolina. Das Erbe dieser Zeit bewegt die Menschen vor Ort noch heute. Kontroversen um Statuen, die Generäle aus dem Bürgerkrieg ehren und den Umgang mit der Konföderierten-Flagge polarisieren die Wähler*innen.  Als Reaktion auf das Massaker an neun schwarzen Mitgliedern der Emanuel African Methodist Episcopal Kirche in Charleston, South Carolina, durch einen rassistischen weißen jungen Mann am 17. Juni 2015 entbrannte die Debatte um die Flagge erneut. Am 10. Juli 2015 wurde die Flagge vor dem Kapitol in Columbia abgehangen. Beendet sind die Auseinandersetzungen um den Umgang mit der eigenen Vergangenheit in South Carolina jedoch noch lange nicht.

Im Hinblick auf die Geschichte nicht ganz überraschend, erweist sich South Carolina auch in politischen Abstimmungen als solide konservativ. Seit 1964 hat der Staat treu für die Republikanischen Präsidentschaftskandidaten gestimmt. Eine Ausnahme wurde nur 1976 für den Südstaatler aus Georgia, Jimmy Carter, gemacht.

Donald Trump gewann den Staat 2016 mit einem deutlichen Vorsprung gegenüber Hillary Clinton; mit 54,9% zu 40,7% gewann Trump alle neun „electoral votes“ in South Carolina. Gewinnen konnte Clinton von den 46 Counties in South Carolina nur 15; 31 Counties gingen mit jeweils großem Abstand an Donald Trump.

Zwei Republikanische Senatoren, Lindsey Graham (seit 2003) and Tim Scott (seit 2013), vertreten den Staat im Senat. Senator Graham steht in diesem Jahr zur Wiederwahl, im Dezember 2019 lag er in Umfragen mit 47% zu 45% nur zwei knappe Prozentpunkte vor seinen Demokratischen Herausforderer Jaime Harrison. Seine letzte Senatswahl gewann Graham 2014 mit 55,3 % gegen den Demokraten Brad Hutto, der 38,8% der Stimmen erhielt. Scott, der Junior Senator, wurde 2016 mit 60,6% in seinem Amt bestätigt, das er 2013 von Jim DeMint übernommen hatte.

Die Delegation aus South Carolina im Repräsentantenhaus ist überwiegend Republikanisch. Von den sieben Politikern sind zwei Demokraten, Joe Cunningham (seit 2019) und Jim Clyburn (seit 1993). Clyburn vertritt den einzig deutlich Demokratischen Distrikt, SC-6. Joe Cunningham, der SC-1 vertritt, konnte sich als moderat positionierter Demokrat in einem eher konservativen Distrikt durchsetzen und gewann seinen Wahlkreis in den für die Demokraten insgesamt erfolgreichen Zwischenwahlen 2018.

Innerhalb des Staats gibt es die „General Assembly“, die Legislative von South Carolina. Der Senat besteht aus 46 Mitgliedern, die für zwei Jahre gewählt werden. Das Repräsentantenhaus hat 124 Mitglieder, die für vier Jahre im Amt sind. Die Sitzungen der Legislative beginnen am zweiten Dienstag im Januar, im Jahr 2020 tagt die Legislative bis zum 14. Mai. In beiden Kammern haben die Republikaner die Mehrheit und ihre Mitglieder werden am 3. November 2020 neu gewählt. Eine Beschränkung für die Amtszeit der Abgeordneten ("term limits") gibt es nicht. Die Republikanische Mehrheit innerhalb der Legislative besteht im Senat seit der Wahl 2000, im Repräsentantenhaus ist die Mehrheit seit 1994 fest Republikanischer Hand. Seit 2003 herrscht in South Carolina eine sogenannte "Republican Trifecta", d.h. der Senat, das Repräsentantenhaus und das Amt des Gouverneurs sind in der Hand der Republikaner.

Gouverneur Henry D. McMaster kam 2017 ins Amt nach dem Rücktritt von Nikki Haley, die von Präsident Trump für die Position UN-Botschafterin nominiert und vom US-Senat bestätigt wurde. 2018 gewann er die Gouverneurswahl in South Carolina mit 54% gegen seinen Demokratischen Herausforderer James Smith. Unterstützt wurde McMaster nicht nur in seiner Wiederwahl von Präsident Trump, schon in den Republikanischen Vorwahlen sprach sich der Präsident für ihn aus. McMaster selbst ist einer der ersten Unterstützer von Donald Trump und verfolgt auch politisch ähnliche Ziele, insbesondere in Themenbereichen wie Einwanderung ("sanctuary cities"), Abtreibung oder der Grenzpolitik im Süden der USA. 

Lediglich hinsichtlich der Einschätzung der Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und den USA gibt es Unterschiede zwischen den beiden Männern, hängt South Carolina doch in einem nicht unerheblichen Maße von der deutschen Autoproduktion vor Ort ab. Und auch die Pläne der Trump-Administration, die Küste vor South Carolina für Öl- und Gasbohrungen frei zu geben, stieß in South Carolina und bei Gouverneur McMaster auf großen Widerstand. Denn South Carolina lebt nicht nur von der Automobilindustrie, sondern auch vom Tourismus. Auch in der aktuellen Sitzung der Legislative wird dieses Thema weiter intensiv parteiübergreifend diskutiert und Gesetzesvorschläge eingebracht, die Bohrungen vor der Küste generell verbieten würden.

Die Republikanische Partei in South Carolina steht insgesamt jedoch geschlossen hinter Präsident Trump. Daher werden in dem Staat auch keine Republikanischen Vorwahlen stattfinden.

„Democratic Presidential Preference Primary“

South Carolina vergibt 54 Demokratische Delegierte basierend auf dem Ergebnis der Vorwahlen, 9 Delegierte sind sogenannte „unpledged“ Delegierte. Die Delegierten werden von den Demokraten proportional vergeben, 35 davon basierend auf den Ergebnissen in den sieben einzelnen Kongressdistrikten, 19 Delegierte werden vergeben basierend auf den Ergebnissen des gesamten Bundesstaats. Um für die Verteilung der Delegierten in Frage zu kommen, müssen die Kandidaten in den Distrikten und im Bundesstaat auf mindestens 15% der Stimmen kommen. Eine Abweichung von diesen 15% gibt es nur, falls es in einem so großen Kandidatenfeld keiner der Kandidaten schaffen sollte, diese Hürde zu überspringen. Dann würde der höchste erreichte Wert genommen, davon 10% abgezogen und somit ein neuer erforderlicher Prozentsatz für die Kandidaten errechnet. Hier ein Beispiel: Ist der höchste Wert in einem Distrikt 14%, gilt für alle Bewerber eine neue Schwelle von 4%, um für die Verteilung von Delegierten in Frage zu kommen.

Am 30. Mai findet in South Carolina die State Convention statt, hier werden dann, basierend auf den Ergebnissen der Vorwahl, die endgültigen Delegierten für den Parteitag der Demokraten  gewählt. Der Prozess wird nicht von der Partei selbst, wie in einem Caucus, finanziert und organisiert, sondern vom Bundesstaat, genauer gesagt durch die County Election Commissions. Gewählt wird am 29. Februar 2020 von 7.00 – 19.00 Uhr, die Ergebnisse werden zeitnah am gleichen Abend erwartet. Allerdings ist die Deadline für die Briefwahl aus dem Ausland (besonders interessant für Militärangehörige) erst der 4. März.

Bei den Republikanern gibt es theoretisch 50 Delegierte zu gewinnen. Die Republikanische Partei in South Carolina hat jedoch wie bereits erwähnt ihre Vorwahlen in diesem Jahr abgesagt und steht geschlossen hinter dem Präsidenten. Dies ist übrigens keine Neuerung unter Donald Trump, schon 1984 und 2004 fand keine Vorwahl statt, da die lokale Partei die Wiederwahl von Ronald Reagan und George W. Bush unterstützte. Die Demokraten sagten aus dem gleichen Grund auch ihre Vorwahl 1996 und 2012 ab – die Partei stand geschlossen hinter Bill Clinton und Barack Obama.

Die Vorwahl in South Carolina ist eine offene Vorwahl, eine „open primary“. Das bedeutet, dass es Wähler*innen ungeachtet ihrer Registrierung offensteht, ob sie bei den Demokraten oder Republikanern abstimmen möchten. Allerdings müssen sich die Wähler*innen entscheiden, eine Abstimmung in beiden Vorwahlen ist nicht erlaubt. Da es in South Carolina in diesem Jahr nur eine Demokratische Vorwahl geben wird, eröffnet das den Republikanern natürlich die Möglichkeit, in dem Prozess mitzumischen. Und einige Republikaner würden genau dies anscheinend gerne tun und in der Vorwahl für Bernie Sanders abstimmen – den Kandidaten, der laut ihrer Einschätzung keine Chance gegen Donald Trump hätte.

Zwischen Hoffnung und Strategie – das Feld 2020

Auf was oder wen sollten Beobachter nun achten in South Carolina? Michael Bloomberg wird am Samstag zwar nicht auf dem Wahlzettel stehen, aber seine Präsenz ist auch in South Carolina nicht zu übersehen. Der Bürgermeister von Columbia und Unterstützer seiner Kampagne, Steve Benjamin, tweetete über Bloomberg: "Jobs creator, leader, servant & problem solver. I firmly believe that America needs @MikeBloomberg now."

Die Aufmerksamkeit liegt jedoch auf einem anderen Milliardär, Tom Steyer. Er flog bisher eher unter dem Radar, hat sich aber in South Carolina mit seiner Kampagne und seinen fast unerschöpflichen finanziellen Mitteln einen Namen gemacht. Laut Politico hat Steyer in den letzten sieben Monaten 14 Millionen Dollar in Werbeanzeigen gesteckt und  von allen Bewerbern die größte Infrastruktur vor Ort aufgebaut. Bemerkenswert an dieser Stelle: Sein Team besteht in erster Linie aus Bewohnern von South Carolina, nicht aus Beratern und Aktivisten, denen der Staat fremd ist. Auch hat er strategisch in lokale Medien investiert, die in erster Linie von schwarzen Wähler*innen konsumiert werden, um deren Unterstützung für Joe Biden abzuschmelzen. Doch Steyer wirbt nicht nur für sich, er geht noch einen Schritt weiter. So wird sein Unterstützer, Johnnie Cordero, Chairman des Black Caucus der Demokraten in South Carolina, in der New York Times zitiert: “He supports black businesses. He’s holding his events at black venues wherever possible. […] We talked to other candidates and told them the formula, […] Tom Steyer is the one who did it.”

Doch wird Steyer es schaffen, die Popularität von Joe Biden unter afro-amerikanischen Wähler*innen anzukratzen? South Carolina galt im Vorwahlwahlsystem als „Firewall“ für Biden, basierend auf dessen guten Umfragewerten im Bundesstaat und vor allem bedingt durch seine Unterstützung durch schwarze Wähler*innen. So erhielt Biden auch die offizielle Unterstützung, das endorsement, von Jim Clyburn am 26. Februar. Der House Majority Whip hat einen enormen politischen Einfluss in seinem Heimatstaat South Carolina und seine Fürsprache für Biden würde diesem in den letzten Tagen vor der Vorwahl noch einmal einen bitter nötigen Aufschwung bescheren – dies erhofft sich zumindest die Biden-Kampagne.

Doch der ehemals große Vorsprung von Biden hat sich mittlerweile deutlich verkleinert. Bernie Sanders und Tom Steyer sind ihm auf den Fersen. Ende Januar lagen nur 5% zwischen Biden und Sanders, Tom Steyer lag mit 18% knapp hinter Bernie Sanders (20%). Im Mai 2019 lag Joe Biden in dieser Umfrage noch bei 46%. Für Biden wird South Carolina ein ernster Testfall. Wenn er diesen Staat nicht gewinnt, könnte es das Ende der Kampagne bedeuten. Die neuesten Umfragen verstärken diesen Eindruck, der Abstand zwischen Biden und Sanders wird geringer, zudem sind die Unterstützer von Biden scheinbar auch wankelmütiger als die solide Basis von Sanders. Hoffnung schöpfen kann Joe Biden aktuell vor allem durch den kürzlich veröffentlichten Clemson University Palmetto Poll. Diese Umfrage sieht ihn mit 35% deutlich vor Steyer (17%) und Sanders (13%).

Sanders hat in Nevada jedoch gezeigt, dass er eine breite Wählerkoalition für sich begeistern kann und mittlerweile klar als Frontrunner im Rennen agiert. Wie auch schon in den Vorwahlen in Iowa, New Hampshire und Nevada – South Carolina ist nicht bedeutend aufgrund der Anzahl an zu vergebenen Delegierten, sondern aufgrund der (medialen) Wirkung und der Frage nach Momentum kurz vor dem Super Tuesday. Wie werden sich vor allem die schwarzen Wähler*innen entscheiden? Wird sich das Bewerberfeld nach South Carolina verkleinern oder werden die Wähler*innen am Super Tuesday immer noch die Qual der Wahl haben? South Carolina wird auch ein Test für Pete Buttigieg, Amy Klobuchar und Elizabeth Warren – können sie die Demokraten vor Ort, vor allem die schwarzen Wähler*innen, von sich und ihrer Politik überzeugen? Wenn nicht, könnte es auch in anderen Südstaaten eng für sie werden. Denn South Carolina lässt oft erahnen, wie sich die weiteren Staaten im Süden positionieren werden: "Historically, at least four Southern states — Alabama, Louisiana, Georgia, and Mississippi — have voted for the same Democratic nominee as South Carolina, giving this candidate a windfall of delegates. Democratic strategist Antjuan Seawright attributes this trend to the fact that many of these states have similar demographics as South Carolina’s electorate, which in addition to being majority African American is also majority women."

Schauen wir, ob der "First in the South"-Staat an diesem Samstag Klarheit schaffen wird.