RZ-Interview: Republikaner-Schreck Trump kaum zu stoppen

Interview: Leiter der Atlantischen Akademie hält Nominierung des Milliardärs für immer wahrscheinlicher – Allerdings wenig Chancen gegen Clinton

Rheinzeitung vom 10. März 2016 (pdf)

Washington. Der USA-Experte David Sirakov hält es für unwahrscheinlich, dass die Republikaner Donald Trump noch stoppen können, sollte er am 15. März die wichtigen Vorwahlen in Florida, Ohio und anderen Bundesstaaten gewinnen. Der Leiter der Atlantischen Akademie in Kaiserslautern, einer parteiübergreifenden politischen Bildungseinrichtung, die sich den transatlantischen Beziehungen widmet, glaubt jedoch nicht, dass Trump Hillary Clinton gefährlich werden könnte, sollten beide ins Rennen ums Weiße Haus gehen.

Hier das Interview im Wortlaut:

Wie erklären Sie sich das Phänomen Donald Trump?

Er ist weniger ein politisches denn ein kulturelles Phänomen. Seine Wahlkampfveranstaltungen geraten zu Happenings. Die Form ist bei ihm wichtiger als der Inhalt. In Erinnerung bleiben oft die eher peinlichen Momente von Debatten. Trump spielt mit dem Begriff des politisch Inkorrekten. Das verfängt bei Wählern. Gleichwohl bindet er über gesellschaftliche Konfliktlinien hinweg Unterstützung in der republikanischen Wählerschaft. Einerseits verfangen Trumps fremdenfeindliche Äußerungen bei einer sehr konservativen, weißen Mittelklasse, die solchen autoritären Ideen einer starken Führung anhängen. Dies wird gespeist aus einer sehr tiefen Verunsicherung über die eigene wirtschaftliche Situation und einer Angst vor dem sozialen Abstieg. Andererseits geriert er sich als Außenseiter gegen die politische Elite in Washington. Das verfängt auch bei vielen Wählern, die mit der Politik sehr unzufrieden sind. Allerdings: So viele Wähler haben Trump gar nicht gewählt. Es gibt zwar eine sehr hohe  Wahlbeteiligung, aber die liegt bei 17 Prozent der registrierten republikanischen Wähler.

Aber für Trump stimmt ja nicht nur die weiße Mittelschicht.

Ja. Es sind die vielen politisch Unzufriedenen – übrigens haben die Republikaner diese Unzufriedenheit über Jahrzehnte angetrieben, indem sie Washington als einen korrupten Sumpf beschrieben haben, als eine Elite, die nicht auf den kleinen Mann hört. Das wird zum Problem, wenn auch unter Amerikanern mit einem relativ hohen Einkommen ökonomische Abstiegsängste entstehen.

Wie ist das zu erklären in einem Land, dem es nach acht Jahren Obama doch besser geht?

Die wachsende Schere zwischen Arm und Reich spielt dabei eine wichtige Rolle, obwohl es der US-Wirtschaft deutlich besser als vor acht Jahren geht. Eine der Triebfedern dieses Aufschwungs ist das Fracking. Gerade erst hat Chevron, einer der größten Öl- und Gasförderer der USA, angekündigt, 1500 Mitarbeiter zu entlassen, weil der Ölpreis so niedrig ist. Damit ist Fracking derzeit unrentabel. Auch daraus entsteht bei einigen eine Angst vor sozialem Abstieg.

Treibt Trump die Polarisierung der Republikaner auf die Spitze?

Viele seiner Wähler wollen mit dem Establishment abrechnen. Gleichwohl: Es zeichnet Trump aus, dass er sehr gekonnt mit den Instrumenten der US-Demokratie umgehen kann. Das ist das Vorwahlsystem: Es wird offensichtlich, dass Republikaner und Demokraten Probleme im Nominierungsprozess haben. Trump könnte zum Kandidaten der Republikaner werden, ohne dass die Partei dies beeinflussen konnte. Das ist aber keine Schwäche der US-Demokratie, sondern der Parteien.

Wird sich Trump durchsetzen?

Er hat bislang 446 der nötigen 1237 Delegiertenstimmen. Damit fehlen ihm noch 65 Prozent zur eindeutigen Nominierung. Entscheidend werden die Vorwahlen ab 15. März in Florida, Ohio, Illinois und Missouri sein. Denn dort und bei den meisten folgenden Abstimmungen gehen alle Delegiertenstimmen an den Gewinner, sie werden nicht mehr nach dem Stimmenverhältnis aufgeteilt. Doch auch in vielen dieser Staaten führt Trump. Daher hat er große Chancen auf die Nominierung. Wenn er alle „Winner-takes-all“-Staaten gewinnt, würde er 1222 Stimmen haben. Dann fehlen ihm nur noch 15 Stimmen.

Ist Trump noch zu verhindern?

Der Wahlkampf ist voller Überraschungen. Deshalb ist eine Niederlage Trumps in einigen Staaten möglich. Die Republikaner reagieren aber zu halbherzig und spät. Eine Strategie ist nicht zu erkennen. Das hängt auch mit der sehr losen Struktur der Parteien zusammen. Sie sind eher Sammelbecken für politische Strömungen ohne stimmiges Programm. Nur deshalb konnte Trump unter dem Namen der Republikaner Vorwahlen gewinnen.

Mächtige Wirtschaftsbosse trommeln mit viel Geld gegen Trump ...

Geld allein gewinnt keine Wahlen. Das zeigt das Beispiel Jeb Bush. Er hat für seinen Wahlkampf 33 Millionen Dollar eingesammelt. Hinzu kamen weitere 124 Millionen Dollar über die Super-Pacs, also über Organisationen, die parallel zur Kampagne Wahlwerbung bezahlt haben. Damit hat er die Rangliste der Wahlkampffinanzen angeführt – und trotzdem musste er sich zurückziehen. Außerdem sind Initiativen, die dem Establishment Geld gegen Trump geben, Wasser auf die Mühlen seiner Unterstützer.

Ted Cruz, Marco Rubio und John Kasich haben noch nicht aufgegeben. Arbeiten sie auf eine brokered convention hin – also einen Nominierungsparteitag, bei dem keiner der Kandidaten ausreichend Delegiertenstimmen hat und es zur Kampfabstimmung kommt?

Die Frage, wer noch aussteigt, ist eng verbunden mit dem 15. März. Rubio und Kasich haben noch ihre Heimatstaaten Florida und Ohio vor sich. Das werden sie abwarten. Wenn sie noch nicht einmal dort gewinnen, werden sie kaum weitermachen können. Cruz wird das Rennen bis zur convention durchziehen, weil er schon zu viele Staaten gewonnen hat. Eine brokered convention halte ich für eher unwahrscheinlich: Wenn eine Koalition von Republikanern Trump auf der Zielgeraden die Kandidatur verwehrt, würde das Trumps Anhänger weiter bestärken. Das würde vielleicht dazu führen, dass er als Unabhängiger antritt. Außerdem wäre dies eine Zerreißprobe für die Republikaner. Sie würden signalisieren, dass sie auf Tricks statt auf Demokratie setzen.

Wie gefährlich ist Trump für Clinton?

Spannend wird sein, ob es Trump gelingt, einen Schritt in die Mitte zu rücken. Nur so bekommt er eine breitere Wählerbasis. 2012 ist das schon Mitt Romney schwer gefallen. Und er war im Vorwahlkampf nicht so weit nach rechts gedriftet. Zugleich wird Trump eine hoch professionelle Kampagne von Hillary Clinton gegenüberstehen. Sie wird die Mehrheit der Afroamerikaner, Hispanics und Asian-Americans auf sich vereinigen. Trump müsste eine riesige weiße Mehrheit auf seine Seite ziehen. Das erscheint mir heute eher unwahrscheinlich. Gerade in demokratisch dominierten Staaten wird Trump viele Stammwähler der Demokraten und Unabhängige gegen sich mobilisieren – ein Anti- Trump-Effekt.

Das Gespräch führte Christian Kunst