Atlantische Themen 1/2017: 100 Tage Trump-Administration

Atlantische Themen 1/2017: 100 Tage Trump-Administration

The Road Ahead - Analysen zur Trump-Administration Nr. 1

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Über diese Reihe

Die Wahl Donald Trumps zum 45. Präsidenten der USA kam für die meisten unerwartet. Auch der Beginn seiner Präsidentschaft verspricht weitere Überraschungen: Ein von Gerichten gestopptes Dekret zur Einwanderungspolitik, ein nur sehr schleppender Fortschritt bei der Besetzung der Schlüsselpositionen und nun die gescheiterte Abschaffung von Obamacare lassen erahnen, dass unter Donald Trump vieles anders laufen wird als unter seinen Vorgängern.

Mit unserer Reihe "The Road Ahead - Analysen zur Trump-Administration" bieten wir Ihnen in diesem Jahr Analysen zur neuen Administration und haben hierfür wieder ausgewiesene Experten der verschiedenen Politikfelder gebeten, ihre Einschätzungen zur neuen Administration zu geben.


Beispiellos? Der Auftakt der Präsidentschaft von Donald J. Trump

David Sirakov, Atlantische Akademie

Es gibt wohl kaum eine treffendere Beschreibung von dem, was man im US-Wahlkampf des vergangenen Jahres erleben konnte, als das Wort beispiellos.

Gewiss haben die US-Amerikaner in ihrer Geschichte Kampagnen erlebt, die geprägt waren von harscher Rhetorik, Unwahrheiten und persönlichen Attacken. Im Jahr 1800 fanden sich Thomas Jefferson und John Adams in einem bitteren Wahlkampf nicht nur über politische Überzeugungen, sondern den jeweiligen persönlichen Charakter, Religion, Patriotismus, vermeintlicher psychologischer Erkrankungen und Moral wieder (McCullough 2001). Einer der schmutzigsten Wahlkämpfe fand 28 Jahre später zwischen Andrew Jackson und John Adams‘ Sohn John Quincy Adams statt. Letzterer beschuldigte Jackson unter anderem „uneducated and unfit for the presidency“ (Mieczkowski 2001: 33) zu sein.

Und natürlich gab es bereits vor dem vergangenen Jahr Kandidaten im Hauptwahlkampf, die aus dem rechten und linken politischen Spektrum stammten. Barry Goldwater, der 1964 die Nominierung mit einer klaren Position gegen den Wohlfahrtsstaat und das „liberal, Eastern establishment“ (Savage 2004: 190) gewann, verlor allerdings die Wahl gegen Lyndon B. Johnson deutlich. Das gleiche Schicksal ereilte den Demokratischen Kandidaten Walter Mondale 1984 mit einem sehr progressiven Wahlprogramm gegen Amtsinhaber Ronald Reagan.

Darüber hinaus stellen kompromittierende Veröffentlichungen über Kandidaten oder andere überraschende Nachrichten unmittelbar vor der Wahl (die sogenannten October surprises) wiederholt große Herausforderungen für Kampagnen dar oder zerstören diese fast gänzlich. Unter anderem werden in diesem Zusammenhang Erinnerungen an die Einlassung des Republikanischen Kandidaten Mitt Romneys im Wahlkampf 2012 wach, der während einer privaten Spendenveranstaltung behauptete, dass 47 Prozent der Wählerschaft Barack Obama wählen würden, da sie von staatlichen Zahlungen abhängig wären.

Auch der Umstand, dass ein Kandidat Präsident der USA wird, ohne die Mehrheit der Stimmen zu erringen, ist in der US-Geschichte nicht ohne Präzedenz. Al Gore gewann 2000 mit einem Vorsprung von 543.895 Stimmen die sogenannte popular vote, erreichte allerdings nicht die erforderlichen 270 Stimmen im Wahlkollegium; ein Effekt des amerikanischen Wahlsystems, der bereits zuvor bei Wahlen auftrat – allesamt im 19. Jahrhundert.

Beispielloses Wahljahr 2016

Was macht dann 2016 so einzigartig und damit auch beispiellos? All das zuvor beschriebene geschah in diesem einen Wahljahr. Mit Donald J. Trump schaffte ein unkonventioneller, unerfahrener und durch seine rechtspopulistische Haltung stark polarisierender Kandidat die Nominierung durch die Republikanische Partei. In Umfragen wurde deutlich, dass Trumps Wählerschaft in den Vorwahlen deutlich stärker rassistischen Vorurteilen zuneigte, als dies für frühere Republikanische Nominierte wie bspw. John McCain oder Mitt Romney zutraf (Tesler 2016). Im Hauptwahlkampf griff Trump seine Gegenkandidatin Hillary Clinton immer wieder auch mit persönlichen Attacken an, die ihrerseits mit der Charakterisierung Trumps konterte, er sei „temperamentally unfit and totally unqualified to be commander in chief“ (Balakrishnan 2016). Die Atmosphäre zwischen beiden Lagern war überaus angespannt, was über den Wahlkampf hinaus bis heute anhält.

Hinzu kamen die Veröffentlichungen von E-Mails des Wahlkampfmanagers Clintons, John Podesta, auf der Enthüllungsplattform Wikileaks sowie Ermittlungen der Bundespolizei FBI aufgrund möglicher strafbarer Handlungen aufseiten der Demokratischen Kandidatin. Insbesondere ein Brief des FBI-Direktors James Comey vom 28. Oktober 2016, in dem er den US-Kongress elf Tage vor dem Wahltag darüber unterrichtete, dass die Behörde erneut tausende E-Mails von Clinton untersuche, hat die Dynamik in der Wählerschaft der letzten Woche beeinflusst. Die exit polls zeigen, dass die Mehrheit der 13 Prozent der Wähler, die in den letzten Tagen ihre Entscheidung getroffen hatten, Trump wählte (45,3 Prozent) und sich 12,5 Prozent für einen dritten Kandidaten entschieden (Huang et al. 2016). Dem gegenüber stand und steht der Vorwurf, dass das Phishing der Emails Podestas auf russische Geheimdienste zurückgehe, die damit die Wahlen zugunsten Donald Trumps beeinflussen wollten (Guardian 2016).

Und schließlich ist da das Wahlergebnis selbst. Mit dem Verlust der sicher geglaubten Bundesstaaten Michigan, Wisconsin und Pennsylvania hatte Hillary Clinton keine Möglichkeit, die notwendigen 270 Stimmen im Wahlgremium zu erringen, auch wenn sie landesweit über 2,8 Millionen Stimmen mehr erhielt als Donald Trump.

Beispiellose Präsidentschaft? Der Start der Trump-Administration

Die Niederlage kam für Hillary Clintons Kampagne wohl ebenso überraschend wie für das Trump-Lager. Zu diesem Schluss kann man nicht nur durch die Presseberichterstattung kommen, sondern auch aufgrund des äußerst holprigen Übergangsprozesses und den unvorbereitet wirkenden Start der Administration.

Zu nennen sind hier nicht nur PR-Gaus des Präsidenten und seines Stabs wie der Streit über die Größe der Menschenmenge bei der Inauguration, „alternative Fakten“, Flügelkämpfe innerhalb des Weißen Hauses, der Rücktritt des Nationalen Sicherheitsberaters Michael Flynn nach nur 24 Tagen, der Vorwurf, sein Vorgänger habe ihn abhören lassen, oder die von historischer Unkenntnis zeugende Behauptung von Pressesprecher Sean Spicer, dass im Gegensatz zu Bashar al-Assad noch nicht einmal Hitler Giftgas gegen seine eigene Bevölkerung eingesetzt habe. Es ist auch die politische Gesamtschau, die die großen Probleme zu Beginn der Trump-Administration offenbart: Zwei von Gerichten gestoppte Dekrete (Executive Orders) zur Einwanderungspolitik, ein nur sehr schleppender Fortschritt bei der Besetzung der 557 Schlüsselpositionen (bislang sind erst 25 durch den Senat bestätigt, Stand: 28.04.2017), der an einer interessanten Koalition aus „moderaten“ und sehr konservativen Republikanischen Abgeordneten gescheiterte erste Anlauf zur Abschaffung von Obamacare oder der Plan zum Bau einer Mauer zu Mexiko, deren Finanzierung ebenfalls keine Mehrheit im Kongress zu finden scheint. Hinzu kommt ein überaus gestörtes Verhältnis zur Presse, welches den Präsidenten veranlasste, über seinen favorisierten Kommunikationskanal Twitter zu verkünden, die Presse – oder wie es schreibt „FAKE NEWS media“ (Hervorhebung im Original) – sei der Feind des amerikanischen Volkes. Gleichsam problematisch ist die Tendenz des Präsidenten zu irreführenden oder schlichtweg falschen Behauptungen (Fact Checker 2017).

Die schlechte personelle wie legislative Vorbereitung zeigt sich allerdings nicht nur in den präsidentielle Dekreten oder dem Unvermögen, die notwendigen Vorleistungen für die erfolgreiche Umsetzung von Gesetzesinitiativen zu erbringen. Sie zeigt sich auch in den häufigen Veränderungen der politischen Positionen des Präsidenten. Hierbei ist die Außenpolitik exemplarisch. Während im Wahlkampf einer deutlich isolationistischeren Außenpolitik das Wort geredet wurde, scheint spätestens mit dem Giftgasangriff des syrischen Regimes auf den Ort Chan Scheichun das außenpolitische Selbstverständnis der Trump-Administration deutlich stärker in Richtung einer traditionell-konservativen Außenpolitik zu gehen. Weitere Ausweise dieser Kehrtwende sind die Zuspitzung gegenüber Nordkorea und das weiterhin schlechte Verhältnis zu Russland. Dieser Sinneswandel zeigt sich auch im Umgang mit dem transatlantischen Sicherheitsbündnis. War die NATO Mitte Januar noch „obsolete“, also überholt, war dies nach dem letzten Treffen mit dem NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg Mitte April schon nicht mehr der Fall (Baker 2017).

Die Administration kann aber auch Erfolge verbuchen und damit auf die erfolgreiche Umsetzung von Wahlkampfversprechen verweisen. Neben der Aufhebung von Einschränkungen für die Produktion fossiler Energie (siehe hierzu den Beitrag von Sonja Thielges) und dem Ausstieg aus dem pazifischen Freihandelsabkommen (TPP) ist zuvorderst die Bestätigung des Kandidaten für den Obersten Gerichtshof Neil Gorsuch zu nennen. Letzterer Erfolg wurde freilich zu einem hohen Preis errungen (siehe hierzu den Beitrag von Michael Dreyer). Die sich ohnehin auf einem Rekordwert befindende Polarisierung der politischen Parteien im Repräsentantenhaus und Senat wird in diesem, dem 115. Kongress aller Voraussicht noch weiter ansteigen (Sirakov 2016 sowie iV).

Fazit

Die ersten 100 Tage der Trump-Administration hinterlassen ein mehr als mäßiges Bild. Die Erfolge sind zumeist symbolisch, während die Fehlschläge überwiegen. Nicht verwunderlich ist da auch, dass Donald Trump lediglich acht Tage benötigte, um in den Beliebtheitswerten unter 50 Prozent zu rutschen und nunmehr bei lediglich 40 Prozent steht (Gallup 2017). Wie lange die Wählerschaft ob der fehlenden Deals dem selbsternannten Dealmaker treu bleibt, ist sicherlich eine der Fragen, die die kommenden Monate zeigen werden. Zugleich steigt der Druck auf diejenigen Republikanischen Abgeordneten und Senatoren, die 2018 in relativ umkämpften Wahlkreisen und Bundesstaaten zur Wiederwahl stehen. Dass der Präsident und sein Stab einer Lernkurve bedürfen, ist offenkundig. Die Einlassung Trumps in einem Interview mit Reuters ist da symptomatisch: „This is more work than in my previous life. I thought it would be easier” (Adler et al. 2017). Aus Sicht vieler Beobachter hatten die ersten 100 Tagen von Donald Trump im Weißen Haus aber auch etwas Positives: Das System der checks & balances, also die sich gegenseitige kontrollierenden Gewalten, funktioniert bislang auch in Anbetracht einer beispiellosen Präsidentschaft.

Literatur

Adler, Stephen J./Mason, Jeff/Holland, Steve (2017): Exclusive: Trump says he thought being president would be easier than his old life, in: Reuters vom 28. April, http://www.reuters.com/article/us-usa-trump-100days-idUSKBN17U0CA.

Baker, Peter (2017): Trump’s Previous View of NATO Is Now Obsolete, in: The New York Times vom 13. April, https://www.nytimes.com/2017/04/13/world/europe/nato-trump.html.

Balakrishnan, Anita (2016): Clinton: Trump is totally unqualified to be commander in chief, in: CNBC vom, http://www.cnbc.com/2016/09/08/hillary-clinton-press-conference.html.

Fact Checker (2017): 100 days of Trump claims, in: The Washington Post vom, https://www.washingtonpost.com/graphics/politics/trump-claims/.

Gallup (2017): Gallup Daily: Trump Job Approval, http://www.gallup.com/poll/201617/gallup-daily-trump-job-approval.aspx.

Guardian, The (2016): Top Democrat's emails hacked by Russia after aide made typo, investigation finds14. Dezember, https://www.theguardian.com/us-news/2016/dec/14/dnc-hillary-clinton-emails-hacked-russia-aide-typo-investigation-finds.

Huang, Jon et al. (2016): Election 2016: Exit Polls, in: The New York Times vom 8. November, https://www.nytimes.com/interactive/2016/11/08/us/politics/election-exit-polls.html

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McCullough, David G. (2001): John Adams, New York.

Mieczkowski, Yanek (2001): The Routledge historical atlas of presidential elections, New York.

Savage, Sean J. (2004): JFK, LBJ, and the Democratic Party (SUNY series on the presidency), Albany.

Sirakov, David (2016): Politik in der Krise? Polarisierungsdynamiken im politischen Prozess, in: Lammert, Christian/Siewert, Markus B./Vormann, Boris (Hrsg.): Handbuch Politik USA (Springer NachschlageWissen), S. 617-636.

Sirakov, David (in Vorbereitung): Kein Ende in Sicht. Die Polarisierung nach den Wahlen, in: Gellner, Wienand/Oswald, Michael (Hrsg.): Die USA nach den Wahlen, Wiesbaden.

Tesler, Michael (2016): Trump is the first modern Republican to win the nomination based on racial prejudice, in: The Wahington Post / The Monkey Cage vom 1. August, www.washingtonpost.com/news/monkey-cage/wp/2016/08/01/trump-is-the-first-republican-in-modern-times-to-win-the-partys-nomination-on-anti-minority-sentiments/.

Über den Autor

Dr. David Sirakov ist Direktor der Atlantischen Akademie. Er studierte Politikwissenschaft und Öffentliches Recht an der Universität Trier und wurde an der TU Kaiserslautern über die Beziehungen zwischen Russland und den Vereinigten Staaten von Amerika promoviert. Er arbeitete als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Politikwissenschaft der Technischen Universität Kaiserslautern und war Studienleiter der Atlantischen Akademie von 2009 bis 2014. Auf Einladung der Warburg Chapters des American Council on Germany referierte Dr. Sirakov im September 2016 auf einer Vortragsreise durch die Vereinigten Staaten über den Aufstieg und die Herausforderungen des Populismus in Europa und den USA. Seine Forschungsschwerpunkte sind u.a. die US-Innenpolitik mit besonderem Schwerpunkt auf die politische Polarisierung, die Außenpolitik der USA und Russlands sowie der Vergleich politischer Systeme.

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Trump und der Supreme Court

Michael Dreyer, Friedrich-Schiller-Universität Jena

Die ersten 100 Tage der Präsidentschaft von Donald Trump sind nicht die Erfolgsstory gewesen, die der 45. Präsident der USA erwartet haben dürfte. Seine Einreisebeschränkungen sind gleich zweimal von Bundesgerichten gestoppt worden, der erste Revisionsversuch von Obamacare scheiterte im Repräsentantenhaus bereits an der eigenen Partei des Präsidenten, in der Außen- und Handelspolitik reihen sich die Krisen aneinander, und die Popularitätswerte sind auf einem Rekordtief.

Gerade vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, dass der eine unzweifelhafte Erfolg des Präsidenten so wenig zur Kenntnis genommen wird. Elf Tage nach seinem Amtsantritt nominierte der neue Präsident Neil Gorsuch für den Supreme Court, das oberste Gericht der USA. Gorsuch, der inzwischen vom Senat im Amt bestätigt worden ist, ist der 113. Richter am Supreme Court seit Gründung der USA. Kein anderer Präsident hatte so früh in seiner Präsidentschaft die Chance, einen Richter am Supreme Court zu nominieren. Selbst George Washington ließ sich nach seinem Amtseintritt ein halbes Jahr Zeit, bis er die ersten fünf Richter überhaupt nominierte. Donald Trump hat hier tatsächlich einen Rekord gesetzt und zugleich eine Entscheidung gefällt, deren Auswirkungen weit über das Ende seiner Präsidentschaft hinaus reichen werden.

Warum ist diese Personalentscheidung so wichtig? Bundesrichter, darunter auch die neun Richter am Supreme Court, üben ihr Amt gemäß Art. III der US-Verfassung „during good behavior“ aus, was in der Praxis nichts anderes als lebenslang bedeutet. Vor Gorsuch lag das Durchschnittsalter des Supreme Court bei 71 Jahren, und Amtszeiten von mehreren Jahrzehnten sind inzwischen die Regel, nicht die Ausnahme. Gorsuchs unmittelbarer Vorgänger, der 2016 im Amt verstorbene Antonin Scalia, hatte fast 30 Jahre als Richter gedient und hatte sicherlich vor, noch viele weitere Jahre im Gericht zu bleiben. Seit Gründung der USA hat es 45 Präsidenten, unzählige Abgeordnete und Senatoren gegeben – aber Gorsuch ist erst der 113. Richter am Supreme Court.

Auch der Name des Gerichtes verdient eine kurze Betrachtung. Es ist der „Supreme Court“, also das Oberste Gericht – nicht der „Supreme Constitutional Court“. Mit anderen Worten: er vereint in sich alle Kompetenzen, die in Deutschland vom Bundesverfassungsgericht, dem Bundesgerichtshof, dem Bundesarbeitsgericht, dem Bundesfinanzhof, dem Bundessozialgericht und dem Bundesverwaltungsgericht wahrgenommen werden. Und dies bei heute lediglich neun Richtern, die seit Beginn der Verfassung ihre Urteile sprechen und die seit 1935 ihren Marmortempel hinter dem Capitol sitzen. Die enorme Bedeutung des Supreme Court rührt auch daher, dass formelle Verfassungsänderungen in den USA sehr schwierig sind. Seit Beginn der Republik hat es lediglich 27 Zusätze zur Verfassung gegeben, und davon sind die meisten Amendments nach dem 10 Zusätze umfassenden Grundrechtskatalog der „Bill of Rights“ (1791) überwiegend technischer Natur – das Grundgesetz ist seit 1949 bei nicht weniger als 60 Gelegenheiten geändert worden, von denen in einzelnen Fällen bis zu 25 Artikel betroffen waren. Der gleichwohl auch in den USA eingetretene Verfassungswandel beruht also hauptsächlich auf der wechselnden Interpretation, die der Supreme Court der Verfassung gegeben hat und die den korrespondierenden gesellschaftlichen und politischen Wandel anerkannt haben. Beispielsweise kann man ziemlich sicher davon ausgehen, dass die Autoren des 14. Amendment (1868), bei den Worten „equal protection of the laws“ kaum daran gedacht haben werden, mit dieser Klausel die gleichgeschlechtliche Ehe einzuführen. 2015 hat der Supreme Court aber in seinem bahnbrechenden Urteil in Obergefell v. Hodges, 576 U.S. ___ (2015) genau diese Lesart der Verfassung zum gesetzlichen Gebot in den ganzen USA erhoben.

Diese Rolle des Supreme Court hat in den letzten Jahren eher noch zugenommen. Grund dafür ist die steigende Polarisierung im Parteiensystem, die es immer schwieriger macht, nennenswerte Gesetzgebungsvorhaben erfolgreich durch den Kongress zu bringen. Wenn aber das Parlament handlungsunfähig wird, muss der Supreme Court zumindest ansatzweise in dessen Fußstapfen treten.

Innerhalb des Gerichtes gibt es zwei ideologische Gruppierungen. Vier Richter gehören zum konservativen Lager, vier zum eher liberalen (im amerikanischen Sinne des Begriffs). Die neunte und entscheidende Stimme stellt bei politisch umstrittenen Fällen in der Regel Justice Anthony Kennedy, der 1987 von Ronald Reagan in das Gericht gebracht wurde – ein überwiegend konservativer Richter mit allerdings libertären Instinkten, die ihn etwa dazu gebracht haben, in Fragen der Meinungsfreiheit oder der Rechte von Schwulen und Lesben regelmäßig mit den progressiven Richtern zu stimmen. Natürlich versuchen die Präsidenten, nur solche Richter zu nominieren, die ihnen ideologisch nahestehen und im Sinne dieser Präsidenten auch noch Jahrzehnte nach dem Ausscheiden aus dem Amt urteilen. Das hat historisch nicht immer funktioniert, aber in den letzten Jahrzehnten sind die Präsidenten immer besser darin geworden, die ideologisch passenden Kandidaten auszusuchen. Man kann also davon ausgehen, dass Neil Gorsuch eine solide konservative Stimme im Supreme Court sein wird – seine allererste Beteiligung an einer Abstimmung trug dazu bei, Hinrichtungen in Arkansas mit 5:4 den Weg zu ebnen. Präsident Trump war sicherlich zufrieden. Gorsuch ersetzt mit Scalia einen anderen Richter des extrem konservativen Flügels, ändert also die Gewichtung der Lager nicht. Warum dann die große Aufregung über seine Ernennung bei den Demokraten?

Ebenso wie Präsidenten nach ihnen politisch nahestehenden Kandidaten Ausschau halten, versuchen Richter in der Regel, erst dann von ihrem Amt zurückzutreten, wenn es wieder einen Präsidenten gibt, der ihnen ideologisch nahesteht. Das funktioniert erstaunlich gut; letztmalig änderte sich die ideologische Ausrichtung eines Richtersessels 1991, als der liberale Vorkämpfer der Gleichberechtigung der African-Americans, Thurgood Marshall, vom gleichfalls schwarzen, aber erzkonservativen Clarence Thomas abgelöst wurde. Den Zeitpunkt des Todes sucht man sich allerdings in der Regel nicht aus, und Scalia starb, als der von ihm kaum bevorzugte Präsident Barack Obama noch fast ein ganzes Jahr im Amt vor sich hatte. In der Tat nominierte Obama bereits im März 2016 mit Merrick Garland einen liberalen, aber soliden Kandidaten, der in seinem letzten Amt auch mit einer Mehrzahl der Republikanischen Senatoren bestätigt worden war.

2016 weigerten sich die Republikaner, angeführt vom Fraktionsführer Mitch McConnell (Kentucky) und vom Vorsitzenden des Justizausschusses, Senator Chuck Grassley (Iowa), die Nominierung von Garland überhaupt nur zur Kenntnis zu nehmen, geschweige denn zu einer Abstimmung zu führen. Eine solche eklatante Politisierung einer Nominierung zum Supreme Court hatte es noch nie gegeben. Entsprechend erbost waren die Demokraten, zumal nachdem der Wahlsieg von Trump das politische Manöver im Senat in einen Erfolg verwandelte. Der Preis, der dafür zu zahlen war, lag allerdings in einer weiteren Polarisierung im Senat, in der Vergiftung des Klimas und darin, dass das Oberste Gericht nunmehr gleichsam offiziell zu einem rein politischen Amt herabgeführt wurde. Im Kampf um die Nominierung von Gorsuch weigerten sich umgekehrt die Demokraten, Kompromissbereitschaft zu zeigen. Sie bekämpften den Kandidaten für den „gestohlenen Sitz“ mit allen Geschäftsordnungsmitteln, vor allem mit dem „Filibuster“, also der Ankündigung einer Minderheit, eine Personalentscheidung oder ein Gesetzgebungsverfahren zu blockieren. 60 Senatoren können ein solches Filibuster überstimmen, aber die Republikaner verfügen nur über 52 Sitze. McConnell machte als Antwort die Drohung der „nuclear option“ wahr und schaffte das Filibuster für Personalentscheidungen ab. Dazu genügte eine reine Geschäftsordnungsänderung, aber diese wurde nicht grundlos mit einer Atomwaffe verglichen. Um Gorsuch als Richter durchzusetzen, zerstörten die Republikaner eine Besonderheit, die den Senat seit 1788 ausgezeichnet hatte.

Generell lässt sich sagen, dass politische Themen, die mit dem Supreme Court verbunden sind, eher konservative Wähler als liberale Wähler mobilisieren. Das liegt vor allem daran, dass Konservative seit langem das – nicht unberechtigte – Gefühl haben, dass die Verfassungsinterpretation in wichtigen Fragen nicht in ihre Richtung geht. Obwohl der Supreme Court schon seit 1969 mehrheitlich Republikanisch dominiert ist, ist Abtreibung immer noch legal und haben gleichgeschlechtliche Partner seit 2015 das Recht zu heiraten. Auch die vielen seit Ronald Reagan nominierten konservativen Richter haben daran nichts geändert. Dieser Unmut ist aus Sicht konservativer Wähler verständlich, auch wenn sie übersehen, dass der Supreme Court in anderen Fragen (etwa dem Recht, Waffen zu tragen, oder der Verschärfung der Strafgesetze) sehr wohl der konservativen Linie gefolgt ist.

Im Großen und Ganzen sind öffentliche Meinung und Supreme Court nicht vollkommen auseinander. Mal geht der Supreme Court etwas voran (etwa in Brown v. Board of Education, als er 1954 die Rassenintegration der Schulen anordnete), mal bleibt er etwas zurück (etwa in Citizens United, als er 2010 gegen den Willen der Bevölkerung, auch der Republikaner, den fast unbegrenzten Geldeinsatz in Wahlkämpfen erlaubte). Aber überwiegend hat der Supreme Court ein gutes Gespür dafür, was er der Öffentlichkeit zumuten kann. Das benötigt er auch, denn als einzige ungewählte oberste Gewalt, noch dazu mit lebenslanger Amtszeit, ist seine demokratische Legitimation im politischen System der USA prekär. Auch in scheinbar kontroversen Bürgerrechtsentscheidungen, wie der vollen Ehegleichheit unabhängig von sexueller Orientierung, fällte das Gericht dieses Urteil erst dann, als es gesellschaftlich von einer klaren Mehrheit der Amerikaner unterstützt wurde.

Neil Gorsuch ändert an der ideologischen Ausrichtung des Supreme Court zunächst einmal nichts. Das Gericht bleibt gespalten, mit Kennedy als dem (überwiegend konservativen) Zünglein an der Waage. Das würde sich ändern, falls während der Amtszeit von Präsident Trump einer der liberalen Richter, etwa Ruth Bader Ginsburg (geb. 1933) oder Stephen Breyer (geb. 1936) aus gesundheitlichen Gründen aus dem Amt ausscheiden müssten. Mit Sicherheit werden beide versuchen, dies zu vermeiden, aber wie der Fall Scalias gezeigt hat, ist dies nicht immer möglich.

In einem politischen Klima, in dem der Kongress durch die Polarisierung der Parteien und die Friktionen innerhalb der Republikaner weitgehend blockiert ist und in der die Politik des Präsidenten bestenfalls als unberechenbar charakterisiert werden kann, kommt der kontrollierenden dritten Gewalt eine besondere Bedeutung zu. Die ersten 100 Tage der neuen Präsidentschaft haben bereits mehrfach demonstriert, dass die Bundesrichter der unteren Gerichte nicht zögern, Verwaltungsanordnungen des Präsidenten („executive orders“) für verfassungswidrig zu erklären. Ob der Supreme Court, neuerdings wieder in voller Stärke, diesem Votum folgen wird, lässt sich noch nicht absehen. In jedem Fall lohnt es sich, dem Gericht mehr Aufmerksamkeit zu widmen – auch in Deutschland – als es bislang in der Regel geschehen ist.

Literaturhinweise

Baum, Lawrence (2012): The Supreme Court, 12. Aufl., Washington (DC): Congressional Quarterly Press. (Beste knappe politikwissenschaftliche Einführung in die Thematik.)

Currie, David P (1985): The Constitution in the Supreme Court. The First Hundred Years. 1789-1888, Chicago: University of Chicago Press. (Umfassende und detailreiche historische Darstellung der Entwicklung des Supreme Court.)

Currie, David P. (1990): The Constitution in the Supreme Court. The Second Century. 1888-1986, Chicago: University of Chicago Press.

Dreyer, Michael, Nils Fröhlich (2016): Der Supreme Court: Hüter der Verfassung oder Interpret der Gegenwart?, in: Christian Lammert/Markus B. Siewert/Boris Vormann (Hrsg.): Handbuch Politik USA, Wiesbaden: Springer, 155-179 (Übersicht in deutscher Sprache.)

Epstein,Lee, Jeffrey A. Segal, Harold J. Spaeth und Thomas G. Walker (Hrsg.) (2012): The Supreme Court Compendium. Data, Decisions & Developments. 5. Aufl., Thousand Oaks (CA): Congressional Quarterly Press. (Umfassende Datensammlung zu allem, was sich am Supreme Court quantifizieren lässt.)

Hall, Kermit (Hrsg.) (2005): The Oxford Companion to the Supreme Court of the United States, 2. Aufl., New York, Oxford: Oxford University Press. (Immer noch unverzichtbares Lexikon zu allen Themen, Fällen und Personen, die den Supreme Court bis 2005 beschäftigt haben.)

Rosen, Jeffrey (2007): The Supreme Court. The Personalities and Rivalries that defined America, New York: Times Books. (Informative und unterhaltsame Darstellung eines Juristen und Journalisten, die neben den Anekdoten auch die strukturelle Information nicht verkürzt.)

Über den Autor

Prof. Dr. Michael Dreyer ist Professor für Politische Theorie und Ideengeschichte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Er studierte von 1978 bis 1982 Politikwissenschaften, Geschichte und Volkskunde in Kiel. 1986 promovierte er dort mit einer Arbeit über die deutsche Föderalismus-Theorie im 19. Jahrhundert. Danach forschte er unter anderem als Fellow am Center for European Studies an der Harvard University in Cambridge/Massachusetts, bevor er als wissenschaftlicher Assistent arbeitete, zunächst an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz und später an der Friedrich-Schiller- Universität Jena. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören u. a. das politische System der USA (insbesondere der Supreme Court), die Ideengeschichte des 19. Jahrhunderts in Deutschland und den USA, Minderheiten und politische Theorie und Ideengeschichte.


100 Tage Donald Trump: Was wird aus Amerikas Energiewende?

Sonja Thielges, Institute for Advanced Sustainability Studies

„Clean Energy“ war während der Amtszeit von U.S. Präsident Barack Obama eines der Hauptinstrumente der Klimapolitik. Zugleich verstand er die Förderung von erneuerbaren Energien, Energieeffizienz und vergleichsweise emissionsarmem Erdgas als Motor für die Wirtschaft der USA (Obama 2017). Donald Trump hat seine neue energiepolitische Linie im „America First Energy Plan“ festgehalten - einem Strategiepapier, dass etwa eine halbe Din-A4-Seite umfasst. Es sieht die Förderung von fossilen Energieträgern (Kohle, Erdöl, Erdgas) vor (The White House 2017a). Dies soll die Wirtschaft ankurbeln und das Land unabhängig von Energieimporten machen. Von erneuerbaren Energien oder Energieeffizienz spricht die Strategie nicht und von der menschlichen Verantwortung für den Klimawandel und der Dringlichkeit dieses Problems ist man in der Trump Administration ohnehin nicht vollständig überzeugt (Meyer 2017). Es ist also deutlich eine Kehrtwende spürbar: Trump hat das Clean Energy Narrativ Obamas durch sein neues Wachstumsnarrativ ersetzt. Wirtschaftswachstum und der Ausbau von Clean Energy werden darin als unvereinbare Gegensätze betrachtet. Welche Implikationen dieses neue Narrativ hat, beginnen wir nach den ersten 100 Tagen der Präsidentschaft zu begreifen. Sie zeigen, dass Trump alles daransetzt, Obamas Vermächtnis der amerikanischen Clean Energy Energiewende zu zerschlagen.

Obamas Vermächtnis

Unter Barack Obama etablierten sich die USA zu einem wichtigen Treiber einer globalen Energiewende hin zu einer nachhaltigen Energieversorgung. Obama verkündete erstmals ein Klimaziel für die USA. Er setzte seine Befugnisse dafür ein, die Treibhausgasemissionen von Kraftwerken („Clean Power Plan“), Automobilen („CAFE Standards“) und der Öl- und Gasindustrie zu beschränken und Energieeffizienz zu fördern. Die USA erlebten einen starken Ausbau der erneuerbaren Energien, aber auch die sogenannte Schieferrevolution, die einen Boom in der Produktion von Schiefergas und –öl bewirkte. International machte Obama die USA zur großen Gebernation in der internationalen Klimafinanzierung und initiierte internationale Partnerschaften für Klimaschutz und nachhaltige Energieversorgung (Thielges 2017). Eine Energieversorgung die das Klima schützt verstand Obama als Merkmal einer modernen, wettbewerbsfähigen Wirtschaft.

Trumps fossile Kehrtwende

Donald Trump sieht das nicht so und arbeitet eifrig daran, die Politik des Vorgängers rückgängig zu machen und zu unterwandern. Erstes Angriffsziel ist dabei die US-Umweltschutzbehörde („EPA“). Ihre Regulierungsmacht möchte Präsident Trump deutlich einschränken. Daher sieht sein Haushaltsentwurf vor, das Budget der EPA um rund ein Drittel zu kürzen: 20 Prozent des Personals soll entlassen, Gelder für Forschungsvorhaben und Klimaschutzprogramme gekürzt werden. Einige EPA Programme sollen komplett eingestellt werden, darunter das das seit Jahren erfolgreich laufende staatliche Energieeffizienzprogramm Energy Star (Office of Management and Budget 2017). Den US-Bundesstaaten soll es vermehrt selbst überlassen werden, Umweltstandards umzusetzen. Hohe jährliche Summen aus dem EPA Haushalt fließen jedoch an eben diese, beispielsweise für die Umsetzung von Umweltschutzprogrammen (Eilperin, Mooney & Mufson 2017). Budgetkürzungen der EPA betreffen also auch automatisch den Handlungsspielraum der Bundesstaaten. Auch verschiedene EPA Regulierungsmaßnahmen zur Beschränkung von Treibhausgasemissionen greift Donald Trump an. Im März 2017 hat er verfügt, dass der Clean Power Plan zurückgezogen und komplett überarbeitet werden soll. Gleiches gilt für die Regulierung von Methangas im Öl- und Gassektor (The White House 2017b).

Trump möchte mit diesen Maßnahmen bessere Ausgangsbedingungen für die Kohle-, Gas- und Ölindustrie in den USA schaffen. Um die fossile Industrie weiter zu unterstützen, genehmigte Donald Trump den Bau bzw. die Fertigstellung der beiden Pipeline Projekte Keystone XL und Dakota Access (The White House 2017c). Ersteres hatte Obama auf Grund umweltpolitischer Bedenken abgelehnt. Bei letzterem verhinderten zusätzlich zudem Proteste von indigenen Stämmen, auf deren Land die Pipeline nun gebaut wurde, die Fertigstellung (Zilm 2017). Die Kohleindustrie ist dem Präsidenten ein besonderes Anliegen. Sie hat in den letzten Jahren stark an Arbeitsplätzen eingebüßt und kann nun, laut Verfügung des Präsidenten, wieder öffentliches Land für die Kohleproduktion pachten (The White House 2017b). Ob Trumps Maßnahmen der Kohleindustrie helfen werden, ist fraglich. Denn eingebrochen ist sie vor allem durch die Konkurrenz des billigen Schiefergases, das durch technologische Fortschritte günstig gefördert werden kann. Gleichzeitig boomten die erneuerbaren Energien. Sie profitierten von Steuererleichterungen und Förderung in mehr als der Hälfte der 50 US-Bundesstaaten und wurden so konkurrenzfähig. Geplant hat Präsident Trump nun u.a. noch die Überprüfung der strengen CAFE Standards für Automobile sowie die Aufhebung von Obamas Beschränkungen für offshore Ölbohrungen (Dlouhy 2017).

Eine Wende vollzieht sich auch im internationalen Engagement für den Klimaschutz. Internationale Kooperation im Klimaschutz hält zwar selbst der bekennende Klimaskeptiker und Chef der EPA Scott Pruitt für wichtig. Nur das Pariser Klimaabkommen betrachtet er als unvorteilhaft für die USA (Meyer 2017). Die USA wollen nun zwar nicht mehr aus dem Abkommen aussteigen. Sie werden aber ihr Klimaziel verfehlen und nicht mehr als treibende Kraft agieren und mit großen Schwellen- und Industrieländern im Klimaschutz kooperieren. Hier werden andere Länder die Führung übernehmen müssen. Als Geber in der internationalen Klimafinanzierung werden die USA für andere Industrieländer allerdings nicht zu ersetzen sein: Der Haushaltsentwurf Trumps sieht die komplette Einstellung von Millionenzahlungen für die internationale Klimafinanzierung vor.

Implikationen der neuen Energiepolitik

Mit seiner Energiestrategie stemmt sich Donald Trump gegen den internationalen Trend. Investitionen fließen weltweit mehr und mehr in erneuerbare Energien und weniger in fossile Energieträger (Röhrkasten, Kraemer, Quitzow, Renn, Thielges 2016). Die Energiewende in den USA aufzuhalten wird der US Administration nicht gelingen. Denn große amerikanische Firmen, Städte und Bundesstaaten unterstützen weiterhin den Klimaschutz und fördern eigenständig den Ausbau von erneuerbaren Energien (Wolfe 2017). Doch Präsident Trump kann die Energie- und Klimawende in den USA deutlich verlangsamen. Denn er versucht, wichtige Treiber der Energiewende zu entfernen, wie die Regulierung von Emissionen im Strom- und Transportsektor oder Forschung im Bereich Energietechnologien. Ohne koordinierte Bundespolitik ermöglicht er es außerdem auch weiterhin Bundesstaaten im Süden und Zentrum des Landes, den Klimaschutz zu ignorieren.

Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, die Erderwärmung auf maximal zwei Grad zu beschränken, ist eine schnelle Abkehr von fossilen Energieträgern nötig. Die Politik Trumps schafft jedoch neue Pfadabhängigkeiten für fossile Infrastruktur. Seine Unterstützung für die Kohleindustrie beispielsweise, ist ein Versuch, eine Branche zu retten, die seit Jahren nicht mehr im Wettbewerb bestehen kann. Dies bremst eine bereits gestartete Neuorientierung in Richtung erneuerbare Energietechnologien unnötig aus. Allein die Solarindustrie beschäftigte in den USA bereits 2015 mehr als drei Mal so viele Menschen wie die Kohleindustrie (International Renewable Energy Agency 2016). Trumps neues Wachstumsnarrativ wird also nicht nur negative Auswirkungen auf das Klima haben. Es birgt auch Risiken für die US-Wirtschaft, die sich von internationalen Entwicklungen abkoppelt und die Chance vertut, sich als internationaler Marktführer im Bereich saubere Energieträger zu behaupten.

Literatur

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Über die Autorin

Sonja Thielges, M.A., ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Potsdamer Institute for Advanced Sustainability Studies. Sie hat Nordamerikastudien, Politikwissenschaft und Geschichte an der Freien Universität Berlin und Indiana University Bloomington studiert und promoviert zu klimapolitischen Diskursen in den US-Bundesstaaten am John-F.-Kennedy Institut für Nordamerikastudien. Sie war u.a. Projektassistentin im Centre international de formation européenne (CIFE), Berlin, am Institut für Europäische Politik (IEP), Berlin sowie im Forschungszentrum für Umweltpolitik im (FFU)-Projekt »Transatlantic Urban Climate Dialogue« an der Freien Universität Berlin. Zwischen 2011 und 2015 arbeitete sie in der Forschungsgruppe Amerika der Stiftung Wissenschaft und Politik zur Kilma- und Energiepolitik der USA. Von September bis Dezember 2014 war sie Gastwissenschaftlerin am Center for Local, State, and Urban Policy (CLOSUP) an der University of Michigan. Ihre Forschungsgebiete sind die Klima- und Energiepolitik der USA, insbesondere der US-Bundesstaaten sowie die G20 und ihre Energie-Agenda.