Atlantische Themen 1/2018: Ein Jahr Trump-Administration

Empörung als Regierungsinstrument: Ein Jahr Trump

Boris Vormann, Bard College Berlin

Wie erfolgreich war Donald Trumps erstes Jahr als Präsident der Vereinigten Staaten? Diese Frage ist nicht ganz so eindeutig wie es auf den ersten Blick scheint. Denn die Antwort hängt ganz davon ab, wen man fragt. Blickt man in die überregionalen Medien, die für gewöhnlich der liberalen Seite der Demokraten zugeordnet werden, bieten sich dem Leser ganze Listen von Versäumnissen und leeren Versprechungen. Die New York Times, CNN und NBC sind einhellig der Meinung: Trump hat auf voller Linie versagt, wie auch seine historisch niedrigen Beliebtheitswerte bezeugen. Er wandelt am Abgrund zum Amtsenthebungsverfahren, so der Tenor, und die Wirtschaft taumelt auf die nächste Krise zu. Auf dem konservativ-republikanischen Sender Fox News hingegen, ganz zu schweigen von ultrarechten Portalen wie Breitbart, wird das erste Jahr als der erfolgreichste präsidiale Einstand aller Zeiten gefeiert. Trump hätte jetzt schon das Erbe Obamas übertrumpft. Er habe die Lebensgeister der Ökonomie geweckt und die gute wirtschaftliche Situation spreche für sich. Darauf schließlich käme es an.

Was ließe sich gegen diese wirtschaftlichen Fakten einwenden? In der Tat hat Donald Trump viele Liberale und Demokraten im ersten Jahr seiner Amtszeit auf dem falschen Fuß erwischt. Denn sie waren es, die spätestens seit Ende des Kalten Krieges argumentierten, es gäbe nur eine Form der Politik. Die Ausrichtung an der Globalisierung sei alternativlos – und der wirtschaftliche Erfolg des Liberalismus gäbe dem politischen Projekt der offenen Gesellschaft Recht. Politische Argumente wurden ökonomisch geführt. Was aber, wenn nun der wirtschaftliche Erfolg auch dem Illiberalismus eines Trumps recht gibt? Wenn ökonomische und politische Freiheit sich nicht notwendig gegenseitig bedingen. Die Arbeitslosenzahlen stehen auf einem Rekordtief, die Börsen fliegen hoch. Wie ist das vereinbar mit der Idee, Kapitalismus und Demokratie gingen notwendigerweise miteinander einher?

Vielleicht kann ja doch wirtschaftlich alles gut gehen, politisch aber einiges im Argen liegen? Statt sich aber Gedanken über politische Versäumnisse seitens der etablierten Parteien Gedanken zu machen, bleibt man bei der alten Losung. Trump habe lediglich das konjunkturelle Hoch Obamas geerbt und es sei allenfalls eine Frage der Zeit, bis das böse Erwachen dann auch über die US-amerikanische Gesellschaft hereinbräche. Das mag durchaus sein. Keine Frage: die massive Deregulierung in den Finanz- und Energiemärkten, die Kürzungen in der Bildung und im Gesundheitswesen, die Entfesselung der Märkte ohne Rücksicht auf jegliche gesellschaftlichen Verluste wird früher oder später Konsequenzen haben. So zu tun, als wäre das aber das Resultat einer grundsätzlichen Abkehr von der wirtschaftsliberalen Tradition seit Ronald Reagan ist irreführend. In vielen Politikfeldern hat Trump einen Hyperliberalismus unter dem Deckmantel eines solidarischen ökonomischen Nationalismus vorangetrieben. Statt ihm einen Mangel an Alternativlosigkeit anzukreiden und statt einer so dominanten, zur Dauerhaltung erstarrten Empörung, sollte die Kritik nüchterner darauf abzielen, welche konkreten Alternativen seine Regierung da in die Tat umgesetzt hat.

Weshalb noch einmal Trump?

Ganz unabhängig davon also, ob Trumps Politik eines Tages zu einer Wirtschaftskrise führen wird oder nicht – ob die Märkte ihn, einer göttlichen Kraft gleich, abmahnen werden für seinen (vielleicht) anti-globalistischen Kurs – scheint ein tieferliegendes Problem zu existieren, nämlich jenes einer keineswegs ausgesessenen Krise der Demokratie. Trump ist ein Symptom dieser Krise, nicht ihr Ursprung. Die Entpolitisierung politischer Diskurse und die Umdeutung wirtschaftlichen Erfolgs als Gradmesser aller gelingenden Politik hat gewissermaßen die Grundlage für den Aufstieg des Trumpismus bereitet. Es ist nicht nötig, an dieser Stelle das gesamte Argument aufzurollen, das ich an anderer Stelle gemeinsam mit Christian Lammert ausführe, auch wenn wir uns über Buchkäufe – besten Dank an dieser Stelle – sicherlich freuen würden (Die Krise der Demokratie und wie wir sie überwinden. Aufbau-Verlag, 2017). Ich möchte lediglich betonen, dass Trump genau deshalb als authentischer Außenseiter zur Macht aufsteigen konnte, weil der Status Quo als alternativlos galt, eben weil man an Märkte wie an eine übernatürliche Kraft glaubte. Nach der Finanzkrise, die viele Bevölkerungsteile in ehemaligen Industrieregionen hart getroffen hat, war Alternativlosigkeit keine Option mehr. Dort muss die Kritik ansetzen, nicht am Spektakel Trumps.

Die führenden politischen Parteien – in den USA die Republikaner und Demokraten – hatten sich trotz aller Differenzen und einer ausgeprägten Polarisierung darauf geeinigt, dass Globalisierung unvermeidbar und grundsätzlich auch für alle gut sei. Diese Haltung scheint, auch in Europa, immer weniger Menschen einzuleuchten, denen Politik beliebig erscheint und die deswegen entweder enttäuscht von Wahlen fern bleiben oder sich nach Alternativen umsehen, offensichtlich auch nach wenig demokratischen. Mit dem Versprechen, für den Kleinen Mann einzustehen und ihn vor den Gefahren der Globalisierung zu schützen, konnte Trump sich als Verteidiger der Nation aufschwingen. Trump bot eine Alternative zur Alternativlosigkeit. Zumindest rhetorisch. Durch die Rückkehr zum ökonomischen Nationalismus und das bewusste Spiel mit rassistischen Ressentiments – allem voran durch die Höherstellung der USA, im Slogan „America first“ auf den Punkt gebracht – suggerierte Trump eine mythische Vergangenheit, an die er anknüpfen würde, um alte, nie konkret benannte Werte wiederherzustellen und sich von der Postmoderne und dem Multikulturalismus, von der offenen Gesellschaft des politischen Liberalismus abzuwenden.

Auch wenn Trump wusste und weiß, Ressentiments zu bedienen und Identitätspolitik als politische Waffe einzusetzen: Messen sollte man sein erstes Jahr vor allem an seinen gesetzgeberischen Erfolgen. Wie viele seiner eigenen Versprechen hat er tatsächlich wahr gemacht? Ganz unabhängig von seinen rassistischen Diskursen? Unabhängig auch von der ambivalenten Einschätzung der Medien? In Deutschland machen viele den Fehler, sich nur auf sein Störfeuer zu konzentrieren. Was hat er jedoch tatsächlich politisch erreicht?

Politische Erfolge

Legislativ ist Trump wenig gelungen. Trotz allem Aktionismus. Insbesondere zu Anfang seiner Amtszeit versuchte er per Dekret zu regieren. Obgleich dabei viel Staub aufgewirbelt wurde, ging es vor allem um eines: Er nahm die Exekutivanordnungen zurück, die Obama am polarisierten Kongress vorbei durchgesetzt hatte. Trumps Kandidatur wurde von manchen als Rachefeldzug an Obama gedeutet – ein recht eingeschränkter Handlungsspielraum. In der Tat schien seine politische Vision bislang oft nicht darüber hinaus zu gehen, Obamas politische Erfolge rückgängig machen zu wollen. Die Abschaffung von Obamacare ist vermutlich das bekannteste Beispiel. Nicht weniger destruktiv sind jedoch seine anderen Erfolge. Sie liegen in der massiven Deregulierung von Umweltschutz und Finanzmärkten sowie in der weiteren Privatisierung von Bildung. Der Staat schafft sich ab, allerdings vor allem da, wo es um Umverteilung, Aufstiegschancen und Diplomatie geht – nicht bei Militär und Polizei. Die Umweltschutzbehörde wird von Scott Pruitt, einem Leugner des Klimawandels geleitet, das Bildungsministerium von Betsy Devos, einer Gegnerin öffentlicher Bildung, das Außenministerium vom ehemaligen Vorstandsvorsitzenden eines Ölgiganten. Hier klafft eine gewaltige Lücke zwischen nationalistischen Solidaritätsbekundungen und extremer Marktorientierung im Sinne der großen Unternehmen.

Zwei andere Erfolge waren medial sichtbarer. Trump hat es erstens geschafft, Neil Gorsuch als Richter im Supreme Court zu platzieren und zweitens vermocht, seine Steuerreform durchzusetzen. Auch letztere steht in den Augen vieler Experten im diametralen Widerspruch zum Wahlversprechen, den Sumpf in Washington trocken zu legen und sich für Bevölkerungsteile mit niedrigen Einkommen einzusetzen – denn die Reform ist gespickt mit Schlupflöchern für Golfplatz- und Jetbesitzer und kaum jemand außerhalb der Republikanischen Partei sieht in ihr etwas anderes als eine massive Umverteilung nach oben. Korruption und der Einfluss von Geld auf die Politik stand noch im 100-Tage-Plan Trumps mit an oberster Stelle. Davon war seit Amtsantritt aber kaum noch etwas zu hören. Hat Trump den Sumpf in Washington DC trockengelegt? Wird seine Politik den Wählerinnen und Wählern dienen, die ihm insbesondere in den ehemaligen Industrieregionen den Wahlsieg beschert haben? Auch wenn hier das letzte Wort nach einem Jahr noch nicht gesprochen worden sein kann, tendiert die Antwort auf beide Fragen klar zur Verneinung.

Ein großes Fragezeichen steht auch hinter den angekündigten Infrastrukturinvestitionen in Milliardenhöhe. Hier hätte Trump tatsächlich die Gelegenheit, gegen den Status Quo vorzugehen – und er fände vermutlich sogar große Zustimmung in beiden Parteien. Ein Maßnahmenkatalog soll noch im Frühjahr 2018 vorgestellt werden. Hillary Clinton hatte im Wahlkampf für ein solches Investitionspaket ebenso geworben wie Bernie Sanders. In mittlerweile altbekannter Manier behauptete Trump damals, er würde es noch besser machen als beide zusammen. Trotz dieser günstigen Voraussetzungen steckt der Teufel im Detail. Wie soll eine solche Finanzierung aussehen, gerade angesichts der mit der Steuerreform entstandenen Einnahmelöcher im öffentlichen Budget? Soll der Föderalstaat hier lediglich Anreize für den Privatsektor oder Kommunen setzen, und würden entsprechende Investitionen dann auch tatsächlich getätigt? Was die Debatten zu diesem Thema verdeutlichen: Es besteht die Gefahr, dass die Investitionen genau jenen Regionen und Kommunen zu Gute kommen würden, die selbst zusätzliche Finanzen aufbringen können. Anders ausgedrückt würden damit die Ungleichheiten zwischen strukturschwachen und –starken Regionen, die auch ein wichtiger Grund für die politische Frustration und den Aufstieg Trumps waren, weiter verschärft.

Vier Jahre Trump?

Eine Frage, die fast wöchentlich anklingt und die uns angesichts der Russlandaffäre sicher noch länger beschäftigen wird, betrifft die Wahrscheinlichkeit eines Amtsenthebungsverfahrens. Bleibt Trump tatsächlich die vollen vier Jahre im Amt? Es scheint nicht an theoretischen Gründen für eine Amtsenthebung zu fehlen: Interessenskonflikte wegen der Wirtschaftsinteressen der Trump-Organisation (emoluments clause), Einflussnahme auf laufende Ermittlungen einer Bundesbehörde (obstruction of justice), womöglich Absprache mit einer fremden Regierung (collusion). Im Internet kursieren Listen mit weiteren potenziellen Anklagegründen. Der Sonderermittler Robert Mueller ist bekannt für seine gründliche Arbeit, hat kürzlich angekündigt, Trump persönlich befragen zu wollen – und wird sicherlich nach Abschluss der Untersuchungen ein klares Urteil fällen. Der wahrscheinlichste Weg zum Amtsenthebungsverfahren, wenn es denn eines geben sollte? Auch der 25. Verfassungszusatz böte eine Möglichkeit, Trump auszuhebeln, würde sein Kabinett zur Entscheidung gelangen, dass er sein Amt aus psychischen Gründen nicht ausführen könne – daher auch die unaufgeforderte Beteuerung Trumps, er sei ein „stabiles Genie.“

Ganz unabhängig von Gründen und Möglichkeiten aber fehlt es noch am politischen Willen für eine Amtsenthebung. In den Augen der eigenen Basis scheint ja Trump durchaus erfolgreich. Den Republikanern käme außerdem ein solches Verfahren inmitten der Vorbereitungen zu den Kongresswahlen sehr ungelegen. Zudem sind die institutionellen Hürden im Abgeordnetenhaus und im Senat enorm hoch. Im Klartext: Eine Amtsenthebung würde erst dann möglich, wenn ausreichend viele derjenigen Republikaner, die sich bisher opportunistisch hinter Trump eingereiht haben (die große Mehrzahl also), eine solche Loyalität als direkte Gefahr für ihr eigenes politisches Kapital sähen. Aber selbst dann stellt sich die Frage: Würden sie tatsächlich die Turbulenzen innerhalb der eigenen Partei in Kauf nehmen, die ein solches Verfahren auslösen dürfte? Oder ist es nicht wahrscheinlicher, dass sie stattdessen einfach den Rest der Amtszeit möglichst stillschweigend absitzen würden?

Man sollte auch nicht vergessen, dass es in der Geschichte der Vereinigten Staaten noch nie ein erfolgreiches Amtsenthebungsverfahren gegeben hat – und dass für viele der Kritiker die Alternative zu Trump, der Vizepräsident Mike Pence, keine bessere wäre. Vielleicht wäre er bei der Wahl 2020 sogar der härtere Gegner? Deshalb auch das Zögern auf demokratische Seite, ein solches Verfahren proaktiver und häufiger zur Sprache zu bringen? Eine solche Kalkulation liegt nah, aber man sollte sich im Lager der Demokraten nicht in Sicherheit wiegen. Man könnte erneut auf dem falschen Fuß erwischt werden. Trump wurde schon mehrfach unterschätzt und er scheint seine Energie genau daraus zu schöpfen.

Sicher: das Kräfteverhältnis in Trumps Administration hat sich verschoben. Reince Priebus und Steve Bannon, die Vertreter des Partei-Establishments und der Ultrarechten, sind beide nicht mehr Teil des inneren Zirkels. Trump scheint mehr noch als zu Beginn auf seine loyalsten Kontakte zu bauen. Ob das für eine Wiederwahl ausreicht, ist ungewiss. Die Chancen, dass sich der Wind im Sinne der Demokraten dreht, stehen eigentlich auch sonst gut. Traditionell verliert die Partei des Präsidenten bei den sogenannten Mid-Term Elections im Kongress deutlich an Unterstützung – dies war in 18 der letzten 20 dieser Wahlgänge der Fall. Doug Jones hat als erster Demokrat seit 25 Jahren in Alabama bei einer Sonderwahl für den Senat gegen den Republikaner Roy Moore gewonnen. Auch andere Kandidaten wendeten sich vom harten Kurs Bannons in den letzten Tagen und Wochen ab. Der Anfang vom Ende, auch für Trump?

Die Abwendung der Unterstützer ist nur ein Weg zum Erfolg der Demokraten. Sie müssen auch wieder die eigene Basis mobilisieren, insbesondere Minderheiten und junge Wahlschichten. Dazu müssten neue, andere Alternativen zur Alternativlosigkeit aufgezeigt werden, die genau diese Wählerschaften aufrütteln und an die Wahlurnen bringen. Ob es also zu vier oder acht Jahren Trump kommt, das scheint weniger in den Händen der Republikaner als jenen der Demokraten zu liegen. Trump hat in nur einem Jahr das politische System der USA nachhaltig geprägt. Ob die Gewaltenteilung langfristigen Schaden genommen hat, der politische Diskurs sich wieder erholt und die USA nach Trump wieder eine globale Führungsrolle jenseits der eigenen Partikularinteressen einnehmen werden, all das wird erst in einiger Zeit zu beantworten sein. Eines steht jedoch fest: Wenn die Demokraten die Lektionen der letzten Wahl nicht lernen und für zukünftige Siege einfach nur auf die Unbeliebtheit Trumps setzen, auf die allgemeine Empörung – und bislang sieht es genau danach aus –, dann ist eine zweite Amtszeit keineswegs abwegig.

Über den Autor

Prof. Dr. Boris Vormann ist Professor für Politikwissenschaft am Bard College Berlin. Zuvor hatte er eine Vertretungsprofessur für Politik am John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien der Freien Universität Berlin inne. Im Mittelpunkt seiner wissenschaftlichen Untersuchungen stehen die Globalisierung und deren Auswirkungen auf politische Institutionen, Gesellschaften und wirtschaftsgeographische Strukturen.

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