Vorwahlen im Zeitalter von Covid-19

Sarah Wagner, M.A. 

Der Wahlkampf der Demokraten war bisher von vielen Überraschungen geprägt: Pete Buttigieg und sein Erfolg in Iowa, das Comeback von Amy Klobuchar in New Hampshire und der steile Aufstieg von Joe Biden in und nach South Carolina. Doch einen Faktor hatten weder die Kommentatoren noch die Kandidaten selbst im Blick: das Coronavirus SARS-CoV-2.

Wahlkampf inmitten einer Pandemie – wie sieht das aus und wo steht der Vorwahlkampf der Demokraten aktuell?

No more handshakes!

Joe Biden und Bernie Sanders sind nicht nur beide in der Risikogruppe mit ihren 77 bzw. 78 Jahren, auch können sie aktuell das empfohlene „Social Distancing“ – also Menschenmengen meiden und gebührend Abstand von anderen Individuen halten – nur begrenzt umsetzen. Dennoch haben die Kampagnen beider Kandidaten, ebenso wie das Team des Präsidenten, reagiert. Anstelle des Händeschüttelns und großer Veranstaltungen gibt es Online-Training für Freiwillige, die Verschiebung von großen Veranstaltungen, intensiveres phone banking und mehr Home Office-Möglichkeiten für Mitarbeiter*innen der Kampagnen. Dass dies nicht immer gleich reibungslos funktioniert, zeigen auch die ersten Erfahrungen von Joe Biden. Spenden online einwerben, ist gut erprobt, aber eine „virtual town hall“ abzuhalten, kann schnell kompliziert werden. Während Biden noch mit den üblichen technischen Störungen kämpfte, hielt Bernie Sanders einen „fireside chat“ in seinem Haus in Vermont ab, der ebenfalls live übertragen wurde.

Verschieben oder nicht? Die Vorwahlen

Ohio hatte seine Vorwahlen in letzter Minute abgesagt. Gewählt wird jetzt am 2. Juni, bis zum 26. Mai kann Briefwahl beantragt werden und alle bisher schon abgegebenen Stimmen werden regulär gezählt.

Und auch wenn Bernie Sanders noch skeptisch war, die Vorwahlen in Arizona, Florida und Illinois fanden am 17. März statt. Allerdings mit weitaus mehr Desinfektionsmittel an den Wahlurnen, einem verstärkten Aufruf zur Briefwahl, einer erhöhten Säuberung des Equipments und der Verlegung von Wahllokalen, die in der Nähe von Altenheimen platziert waren. Dies geschah allerdings nicht an allen Orten im erhofften Ausmaß. Besonders in Illinois kam es zu Beschwerden der Wahlhelfer*innen und auch die Verlegung der Wahllokale schien in bestimmten Bezirken ersten Berichten nach für eine etwas geringere Wahlbeteiligung, oder zumindest Verwirrung, zu sorgen. Wie die Wahlbeteiligung insgesamt ausfällt, ist noch nicht überall ersichtlich. In Florida allerdings gab es sogar einen leichten Anstieg im Vergleich zu 2016 bei den Demokraten. Und auch die viel genutzte Early Voting Option scheint in den Staaten eine große Rolle gespielt zu haben. Doch wie steht es um Studierende, deren Uni aufgrund von Covid-19 geschlossen wurde und die daher nicht mehr in ihrem Wahlkreis vor Ort sein konnten? Inwiefern dies das Wahlergebnis beeinflusst hat, wird sich vermutlich erst in Zukunft – wenn überhaupt – zeigen.

Wie erwartet gingen die Vorwahlen in Arizona, Florida und Illinois zu Gunsten von Joe Biden aus. In keinem der Staaten war das Rennen auch nur ansatzweise spannend oder eng, besonders in Florida lieferte Biden mit 61% einen deutlichen Kontrast zu den 22% von Bernie Sanders und gewann jedes einzelne County. Dieser mehr als eindeutige Sieg in dem wichtigen Swing State Florida dürfte nun endgültig das Argument begraben, dass Sanders in den für die Demokraten wichtigen Staaten (siehe auch Michigan) durch eine hohe Wahlbeteiligung Trump besiegen könnte. Wurde Sanders in Kalifornien noch von vielen Latino-Wähler*innen unterstützt, standen die eher moderaten bis konservativen Latinos in Florida ihm kritisch gegenüber.

Dennoch ist noch nicht abzusehen, ob Sanders aus dem Rennen ausscheiden wird. Er nimmt immer noch viele Online-Spenden ein und nutzt auch die entbrannte Diskussion um das US-Gesundheitssystem und die soziale Absicherung um für seine Ideen zu werben. Biden agierte ähnlich wie nach den letzten Vorwahlen, er präsentierte sich als Präsidentschaftskandidat der Partei und sprach auch erneut die Anhänger von Bernie Sanders an: „I hear you. I know what’s at stake. I know what we have to do. Our goal as a campaign, and my goal as a candidate, is to unify this party and unify this nation.”

Der aktuelle Delegiertenstand beträgt [Stand: 18.3., 9.00 Uhr] somit 1.147 Delegierte für Joe Biden, 861 Delegierte für Bernie Sanders. Damit weitet sich der Abstand zwischen den beiden Politikern immer weiter aus, die New York Times schreibt über diese mathematische Differenz: „a sum that makes it statistically improbable that Mr. Sanders could ever catch up.“ Sanders scheint sich dessen bewusst zu sein, auch an diesem Wahlabend äußerte er sich nicht vor der Öffentlichkeit.

Und sonst noch?

Es bleibt abzuwarten, wie sich die nächsten Staaten positionieren werden. Am 24. März hätten die Vorwahlen in Georgia stattfinden sollen, diese wurden jetzt jedoch auf den 19. Mai verlegt. Auch das „early voting“ wurde pausiert. Georgia folgt dem Beispiel von Louisiana; hier hat Secretary of State Kyle Ardoin (R) die Vorwahl vom 4. April auf den 20. Juni verlegt.  In New York dauern die Diskussionen noch an, aber auch hier erwägt man einen späteren Termin für die für den 28. April angesetzten Wahlen. Puerto Rico ist aktuell dabei, eine Verlegung der Vorwahlen vom 29. März auf den 26. April zu beantragen; Maryland wählt jetzt am 2. Juni und nicht mehr am 28. April. Der für den 4. April geplante Caucus in Wyoming findet ebenfalls in veränderter Form statt: Wähler*innen nutzen Briefwahl oder ein „ballot drop-off system“. Alaska und Hawaii wählen ebenso am 4. April. Hier wird aktuell verstärkt auf die Briefwahl hingewiesen, aber noch gibt es keine Pläne, die Vorwahl zu verlegen. Und auch wenn Kentucky erst am 19. Mai auf dem Plan stand, wurde die Vorwahl vorsorglich auf den 23. Juni verschoben.

Doch nicht nur die direkten Vorwahlen sind von Covid-19 betroffen. Denn die Delegierten, die in den Vorwahlen gewonnen werden, müssen ja oft erst in den einzelnen Conventions der Staaten verteilt, bzw. gewählt werden. So musste die Demokratische Partei in Iowa zum Beispiel ihre für den 21. März angesetzte County Convention auf unbestimmte Zeit verschieben. Die County Convention ist jedoch nur ein erster Schritt in der Bestimmung der Delegierten, es folgen üblicherweise noch die District und State Conventions. Das bedeutet, der gesamte Prozess wird sich voraussichtlich verschieben.

Wird die Wahl verschoben?

Außergewöhnliche Umstände erfordern oft außergewöhnliche Maßnahmen. Doch wäre auch eine Verschiebung der Präsidentschaftswahl möglich? Diese Frage bewegt derzeit einige Kommentator*innen (und Politikwissenschaftler*innen…). Seit 1845 schreibt das „federal law“, also das Bundesgesetz vor, an welchem Datum die Wahl vollzogen werden muss, nämlich am Dienstag nach dem ersten Montag im November. Um dies zu ändern, bräuchte es laut der New York Times: „It would take a change in federal law to move that date. That would mean legislation enacted by Congress, signed by the president and subject to challenge in the courts.” Die Chance, dass solche eine Änderung erfolgreich den politischen Prozess durchläuft, sieht die Zeitung als sehr gering an. Denn selbst wenn das Datum verlegt werden würde, gibt es für ein neues Datum nicht viel Spielraum: „The Constitution mandates that the new Congress must be sworn in on Jan. 3, and that the new president’s term must begin on Jan. 20. Those dates cannot be changed just by the passage of normal legislation.”

Allerdings liegt die konkrete Ausgestaltung der Wahl bei den einzelnen Staaten. Hier gibt es dann mehr Spielraum, z.B. verstärkt eine Briefwahl zu nutzen. Überlegungen, die Wahl im Falle eines Terrorangriffs zu verschieben, gab es schon 2004. Doch die damalige Nationale Sicherheitsberaterin und spätere Außenministerin Condoleezza Rice äußerte sich bereits angesichts der früheren Diskussion ablehnend, da es Wahlen in den USA gegeben habe, „when we were at war, even when we were in civil war. And we should have the elections on time.” Hoffen wir einmal, dass die Lage sich bis zum 3. November etwas beruhigt hat.