Atlantische Themen 1/2018: Ein Jahr Trump-Administration

Phönix aus der Asche? Die Demokratische Partei in der Trump Ära

Sarah Wagner, Atlantische Akademie 

Eine überraschende und schmerzhafte Niederlage 2016, tiefe Grabenkämpfe innerhalb der Partei, ein Gerangel um Führungspositionen und eine hitzig geführte Debatte über die Ausrichtung der Partei: der Vorwahlkampf und die Niederlage in der Präsidentschaftswahl hinterließen tiefe Spuren bei der Demokratischen Partei. Mit dem Amtsantritt von Donald Trump jedoch ging ein Ruck durch die Basis und den Demokraten nahestehenden progressive Verbände und Institutionen. Frauen führten den Widerstand gegen die Präsidentschaft von Donald Trump mit dem Women’s March on Washington an, Organisationen wie Move On oder Indivisible mobilisierten Wähler und Aktivisten, Mediengruppen wie Crooked Media gründeten sich auf der liberalen Seite und die heiß umkämpften special elections und Gouverneurswahlen gaben den Demokraten den lang ersehnten Aufschwung. Beste Ausgangsbedingungen für 2018 also? Not so fast.

Das Nachbeben der Präsidentschaftswahl

Mit der Niederlage von Hillary Clinton mussten sich die Demokraten nicht nur vom Traum einer dritten Amtszeit verabschieden, vielmehr fiel der ungetrübte Blick am Tag danach auf eine beispiellos negative Bilanz für die Partei, die am Ende der Amtszeit von Barack Obama auf der lokalen Ebene kaum noch zu existieren schien. Zu Beginn der Ära Obama kontrollierten die Demokraten 59% der Parlamente der Bundesstaaten, am Ende seiner Amtszeit nur noch 31%, von den 29 Demokratischen Gouverneurssitzen blieben am Ende nur magere 16 Sitze übrig, der niedrigste Wert seit 1920 für die Partei. Zusammen mit dem Wahlerfolg von Donald Trump sahen sich die Demokraten auch mit der Tatsache konfrontiert, dass das Repräsentantenhaus und der Senat in Republikanischer Hand bleiben würden, entgegen vieler enthusiastischen Prognosen und Hoffnungen.

Während die Republikaner zusehends eine Partei der älteren und weißen Wähler darstellte, interessierten sich junge und vielfältigere Wählergruppen überdurchschnittlich stark für die Demokraten, was jedoch ein Mobilisierungsproblem mit sich brachte. Denn während ältere Wähler beständig wählen gehen, konnte Hillary Clinton die vielbeschworene „Demokratische Koalition“, die Obama mit großem Engagement ins Weiße Haus getragen hatte, nicht entsprechend mobilisieren und verlor gleichzeitig viele weiße Wähler an Trump. Auch identifizierten sich Demokraten immer stärker als entschieden „liberal“, das gestärkte progressive öffentliche Image der Partei bezeichnet Malone nicht umsonst als „perhaps the most concrete legacy of Obama’s presidency within the pantheon of Democratic administrations“. Die Demokratische Basis ist in den letzten acht Jahren also eindeutig nach links gerückt, was auch mit den allgemeinen politischen Polarisierungstendenzen übereinstimmt.

Von Flügelkämpfen und Führungsfiguren

Schon kurz nach den Wahlen 2016 war die Demokratische Partei vollauf mit sich selbst und den internen Führungsfragen beschäftigt. Nancy Pelosi, Vorsitzende der demokratischen Fraktion im Repräsentantenhaus, zeigte erneut ihr strategisches Geschick und ließ sich als minority leader wiederwählen, noch bevor sich in den eigenen Reihen eine konkrete Widerstandbewegung herausbilden konnte. Zwar gewann sie deutlich gegen ihren Herausforderer, Tim Ryan, ein gutes Drittel der Demokraten stimmte dennoch gegen sie – ein erster Hinweis, dass es innerhalb der Partei brodelte. Die Spurensuche, auf die sich die Demokraten nach der Niederlage begab, endete in einem neuen Parteipapier: „A Better Deal: Better Jobs, Better Wages, Better Futures.“ Überzeugt waren von der Agenda und ihrem verstärkten Fokus auf ökonomische Fragen im Sommer 2017 lediglich 33% der Demokraten, ganze 56% gaben an, nicht genügend über den Inhalt der neuen Ausrichtung zu wissen. Der etwas holprige Titel verhalf der Strategie ebenfalls nicht zum Durchbruch und sorgte lediglich auf Twitter für Erheiterung.

Das dominante Thema innerhalb der Partei war die Fortsetzung der Fehde zwischen den Unterstützern von Bernie Sanders und Hillary Clinton, die sich gegenseitig die Schuld an der Niederlage gaben und ihrer Enttäuschung und Frustration in einem innerparteilichen Ringen Gehör verschafften. Während das Sanders-Team unter anderem davon ausging, ihr Kandidat hätte eine Hauptwahl gegen Donald Trump gewinnen können, beklagten sich die Clinton-Befürworter bitterlich über die angeblich nur lauwarme Unterstützung von Bernie Sanders im Hauptwahlkampf. Die Fortsetzung der Debatte wirkte sich auch auf die Wahl des Vorsitzenden des Democratic National Committee (DNC) aus. Während der ehemalige Arbeitsminister unter Obama, Tom Perez, als Verkörperung des Establishments kritisiert wurde, galt der Kongressabgeordnete Keith Ellison in den Augen vieler Sanders-Anhänger als progressive und wegweisende Wahl. Als Vertreter des Congressional Progressive Caucus verkörperte Ellison die politischen Inhalte der Sanders-Bewegung, seine Kandidatur wurde jedoch auch von Establishment-Schwergewichten wie Chuck Schumer und Harry Reid unterstützt. Der von Joe Biden unterstützte Perez gewann erst in der zweiten Abstimmungsrunde gegen Ellison, unter dessen Befürwortern sich natürlich auch Bernie Sanders und Elizabeth Warren befanden. Zwar gewann Perez das Duell um den Vorsitz des DNC, im Geiste der innerparteilichen Aussöhnung ernannte er Ellison jedoch umgehend zu seinem stellvertretenden Vorsitzenden. Beide Männer versprachen, die Neuausrichtung des DNC auf progressive Gruppierungen zu fokussieren und auch die interne und skandalgeplagte Kultur der Organisation zu reformieren. Zusätzlich müssen sie auch die Finanzen und die professionelle Unterstützung der Basis-Bewegung der Demokraten wieder in Schuss bringen. Unter Obama wurde das DNC und die Pflege der lokalen Parteistrukturen vernachlässigt, auch die von Team Obama erschaffenen digitalen Wunderwaffen seines Wahlkampfes wurden 2016 nicht effektiv eingesetzt, eine verschenkte Chance für die Demokraten.

Der beliebte Fokus der Öffentlichkeit auf Persönlichkeiten und Profilierungsversuche von Politikern betrifft mit Blick auf 2020 natürlich auch die Demokraten. Nahezu täglich wechseln die Vorhersagen und Analysen zwischen den einzelnen potentiellen Herausforderern von Trump: Senatoren wie Cory Booker (NJ), Kirsten Gillibrand (NY) oder Kamala Harris (CA) setzen sich nicht nur medial gekonnt in Szene, sondern positionieren sich auch als progressive Stimmen und Gegengewichte zur Rhetorik und Politik von Donald Trump. Ebenso gemunkelt wird natürlich auch über die Absichten der älteren Herrenriege, unter der Bernie Sanders und Joe Biden zwar als angeschlagen, aber noch nicht ausgezählt gelten. Von der Diskussion um Oprah Winfrey als Demokratische Hoffnungsträgerin ganz zu Schweigen. Doch besonders in der Schnelllebigkeit der Ära Trump ist es noch ein weiter Weg bis zum nächsten Präsidentschaftswahlkampf.  

Inhalte und Irritationen

Denn auch schillernde und engagierte Persönlichkeiten innerhalb der Demokratischen Partei können (noch) nicht über das größte Defizit der Partei hinwegtäuschen, ein Defizit welches die Partei auch in den Wahlen 2016 ins Straucheln brachte: die überzeugende „Message“, ein einendes und mitreißendes Narrativ, welches wichtige und genügend Wählerschichten mobilisiert, ist nicht zu erkennen, bzw. fehlt vollends. Stark vereinfacht zusammengefasst spielt sich die aktuelle Debatte zwischen den Vertretern der sogenannten Identitätspolitik und dem damit konkurrierenden ökonomischen Populismus ab. Ideologische Präferenzen treffen hier auf wahlpragmatische Überlegungen: Demnach argumentiert ein Teil der Anhängerschaft, dass die Partei sich verstärkt auf die Wählerschaft der Zukunft (junge Menschen, Minderheiten) und ihre Belange konzentrieren sollte, anstatt zu versuchen, die als ohnehin verloren gesehene weiße Arbeiterschicht wiederzugewinnen. Themen wie Bürgerrechte für Minderheiten, LGBTQ-Rechte, Abtreibung, undokumentierte Einwanderung, Polizeigewalt, struktureller Rassismus und Sexismus dominieren hier die Debatte. Für Aufsehen sorgte in diesem Kontext beispielhaft der Vorsitzende des Democratic Congressional Campaign Committee (DCCC), Ben Ray Lujan, der eine finanzielle Unterstützung von Demokratischen Kandidaten auch in dem Fall befürwortete, wenn diese Kandidaten sich gegen das Recht auf Abtreibung aussprechen würden (Foran 2017). Progressive Aktivisten sahen hierin einen direkten Angriff auf das Selbstverständnis der Demokraten und liefen Sturm. Zwar schwächte das DCCC die Aussage von Lujan im Nachgang etwas ab, aber die Diskussion um einen „Demokratischen Lackmustest“ hält an und ist noch längst nicht abgeschlossen.

Dem gegenüber stehen Demokraten wie Mark Penn oder der Columbia University Professor Mark Lilla, die eine Kurskorrektur der Demokraten einfordern. Penn behauptet, „identity politics and disdain for religion are creating a new social divide” und führt den Verlust an politischen Ämtern auf das zu starke Abdriften der Demokraten nach links zurück.  Auch Lilla sieht die Niederlage von Clinton in diesem Kontext: „American liberalism has slipped into a kind of moral panic about racial, gender and sexual identity that has distorted liberalism’s message and prevented it from becoming a unifying force capable of governing”. Während eine Aufschlüsselung und Bewertung dieser Debatte einen eigenen Aufsatz wert wäre, ist ihre Erwähnung zum Verständnis der aktuellen Lage der Demokraten unabdingbar. Denn wer in dieser Debatte die Oberhand gewinnen wird, wird auch die Kongresswahlen und die Präsidentschaftswahl 2020 maßgeblich beeinflussen. Ebenso ist natürlich denkbar, dass es den Demokraten gelingt eine derart inklusive ökonomische Botschaft zu entwickeln, die den Graben zwischen den beiden Lagern überbrückt und ausreichend Wähler mobilisiert. 

Hoffnungsschimmer Kongresswahlen?

Auf dem Gebiet der Wählermobilisierung konnten die Demokraten im Jahr 2017 wieder etwas verlorenen Boden gutmachen. Denn während die Clinton Kampagne die historische Wahlbeteiligung der schwarzen Bevölkerung von 2008 und 2012 nicht erreichte und viele weiße, ehemalige Obama-Wähler an Trump verlor, wendete sich das Blatt im ersten Jahr der Trump-Administration. 

Linke Organisationen wie Move On, Indivisible, Emily’s List und auch der institutionalisierte Women’s March und Ableger wie March On spielten eine große Rolle in den Demokratischen Wahlerfolgen im Jahr 2017. Zwar verloren die Demokraten das bisher teuerste Rennen um einen Sitz im Repräsentantenhaus in Georgia und die special election in Kansas, doch die gewonnenen Gouverneurswahlen in Virginia und New Jersey, der Sieg von Doug Jones im Senatsrennen in Alabama und eine Vielzahl an gewonnen Sitzen auf der lokalen Ebene beflügelten die Demokratische Basis nahezu. Zudem machten die Demokraten viele Stimmverluste in Staaten wie Georgia und Kansas im Vergleich zur Präsidentschaftswahl 2016 wieder wett. Eine gute Ausgangbasis also für die Kongresswahlen?    

Traditionell, abgesehen von den Wahlen nach dem 11. September 2001 und während der Great Depression, verliert die Partei des Präsidenten Sitze in den Kongresswahlen in der ersten Amtszeit. Doch wie verlässlich sind solche Vorhersagen im Zeitalter von Trump? Die aktuellen Umfragen zu Donald Trump und der Republikanischen Partei verzücken viele Demokraten, doch blenden lassen wie im Jahr 2016 will sich die Demokratische Spitze nicht mehr. Denn zwar lehnen 57% der Amerikaner die Arbeit von Donald Trump ab (Stand: 14. Januar 2018), doch bei der Bewertung der beiden Parteien im Kongress standen im November noch 54% der Amerikaner der Arbeit der Demokraten ablehnend gegenüber. Eine Umfrage der Los Angeles Times sieht die Demokraten hingegen dennoch in Führung bei den Kongresswahlen, mit 51% zu 40% (2018). Profitieren könnten die Demokraten auch von der Tatsache, dass sich Donald Trump verstärkt auf seine Basis konzentriert und wenig Versuche macht, die von ihm irritierten und abgewandten Wähler erneut für sich zu gewinnen. Die Kombination aus negativen Umfragewerten für Trump, einer hohen Motivation bei den Demokraten und des historischen Musters sprechen also für die Demokraten.

Anzumerken ist jedoch, dass die politische Landkarte für die Demokraten auch Hindernisse birgt. Nicht nur sind die Wähler der Demokraten ungünstig verteilt (konzentriert an den Küsten und in großen Städten), auch die Verabschiedung strengerer Wahlgesetze in konservativen Staaten betreffen vor allem Demokratische Wähler. Die zur Entscheidung stehenden Senatssitze sind zudem überwiegend Demokratisch, die Republikaner müssen nur acht Sitze verteidigen, die Demokraten 25. Noch problematischer: Zehn der Demokratischen Sitze befinden sich in Staaten, die Trump gewonnen hat. Umgekehrt trifft das nur auf den Republikaner Dean Heller (Nevada) zu. Die Demokraten müssten also all ihre Sitze verteidigen und zusätzliche Sitze, z.B. in Nevada oder Arizona, gewinnen um die Mehrheitsverhältnisse im Senat zu kippen. Im Repräsentantenhaus müssten die Demokraten 24 Sitze dazugewinnen ohne eigene Verluste einzubüßen, 23 Republikaner verteidigen Sitze in Distrikten, die von Hillary Clinton geworden wurden, 12 Demokraten vertreten von Trump gewonnene Distrikte. Nicht unmöglich, aber abhängig von einer starken Mobilisierung der eigenen Wähler, einer überzeugenden Wahlkampfbotschaft und geeigneten Kandidaten. Mit diesem Rückenwind könnte es für die Demokraten 2018 klappen, denn auch Mitch McConnell ist sich der Gefahr bewusst: „Don’t fall in love with the map, the map doesn’t win elections“.

Ein gutes Abschneiden ist auch entscheidend, da im Jahr 2020 der Census (Volkszählung) ansteht und über das redistricting und somit die politische Weichenstellung für die längerfristige Zukunft stattfindet. Der Faktor Gerrymandering wird für die Demokraten auch das Jahr 2018 verkomplizieren, Wahlsiege in umkämpften Gebieten sind somit von besonderer Bedeutung für die Partei.

Onwards, Democrats

Also eher doom und gloom? Mitnichten. Zwar sieht sich die Demokratische Partei enormen Herausforderungen gegenüber (Entwicklung einer überzeugenden Botschaft, hohe Mobilisierung der Wähler, Selektion von überzeugenden Kandidaten), doch der Wind scheint sich zu ihren Gunsten gedreht zu haben. Die Partei ist aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht und kann sich letztendlich glücklich schätzen, dass Donald Trump seine Amtszeit nicht mit einem parteiübergreifenden Infrastrukturprojekt begann, sondern mit einem dilettantisch erstellten Einreiseverbot („Muslim Ban“) und direkten Angriffen gegen Obamacare. Die dadurch entstandene und beflügelte Protestbewegung hat sich mittlerweile gut organisiert und institutionalisiert, auch der Women’s March on Washington feiert seinen Jahrestag und feiert, dass vermehrt Frauen in die Wahlkämpfe eintreten und sich engagieren. Weiterhin interessant zu beobachten sein dürften in diesem Zusammenhang die Auswirkungen der #MeToo Bewegung, die schon Senator Al Franken aus Minnesota den Sitz kostete.

Auch die Positionierung der Demokraten im Kongress gegenüber Trump bleibt weiterhin interessant. Welche Demokraten unterstützen Vorhaben der Administration, welche stellen sich dagegen? Und schaffen es die Demokraten auch hier, eigene Gesetzesvorlagen und Vorschläge einzubringen um damit eine sichtbare Alternative zur Regierung zu schaffen? Welche legislativen Prioritäten werden die Demokraten festlegen und werden sie diese konsequent vertreten? Wichtige Fragen auf die von den Demokraten noch keine ausreichenden Antworten geliefert wurden und von besonderer Bedeutung, sollte sich das Blatt zu ihren Gunsten in den Kongresswahlen wenden.

Wird den Demokraten also der Balance-Akt gelingen, einer vielfältigen Wählerschaft eine einheitliche oder vereinigende Vision zu geben, die auch genügend Wähler mobilisiert und die Kern-Wählerschaft nicht verliert? Lediglich die Gegnerschaft zu Trump wird nicht reichen, das bekam schon Hillary Clinton zu spüren. Oder, in den Worten des ehemaligen Redenschreibers für Hillary Clinton und Barack Obama, Jon Lovett: „I think recognizing people’s mistrust, and anger, and fear, and dislocation around this economy means being open to bigger, bolder, less practical ideas that a previous generation of Democrats would have said ‘you can’t get that done; that’s not possible.’ Trump widens the scope of what’s possible.”

Über die Autorin

Sarah Wagner, M.A., ist Bildungsreferentin der Atlantischen Akademie Rheinland-Pfalz e.V., Kaiserslautern. Ihre Forschungsschwerpunkte sind zivil-militärische Beziehungen, transatlantische Beziehungen und die amerikanische Innenpolitik. 

Mehr Informationen...