20 Jahre Atlantische Akademie Rheinland-Pfalz e.V.

Bericht von Benjamin Zinke (Praktikant)

Am Dienstag, den 4. Oktober 2016 lud die Atlantische Akademie anlässlich ihres 20jährigen Bestehens zu einer Feier im Festsaal der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz in Mainz. Neben dem ehemaligen rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck, der eng mit der Entstehung der Atlantischen Akademie verbunden ist, nahmen u.a. Repräsentanten der US-Streitkräfte in Ramstein, zahlreiche Mitglieder des Landtags sowie Vertreter politikwissenschaftlicher und transatlantischer Institutionen teil.

Pianist Jens Barnieck gestaltete den musikalischen Rahmen der Veranstaltung und entführte die Zuhörer u.a. mit dem Indianisches Tagebuch von Ferruccio Busoni in die Klangwelten amerikanischer Ureinwohner.

Im Auftakt zur Festrede sprach zunächst der Staatssekretär des Ministeriums des Inneren und für Sport Randolf Stich. In seinem Grußwort betonte er die Bedeutung guter Beziehungen zwischen Rheinland-Pfalz und den USA mit Blick auf die US-Streitkräfte als wichtigem Arbeitgeber und Strukturförderer in der Region. Er ging dabei auch auf kulturelle Verflechtungen und Herausforderungen ein, die sich aus der Tatsache ergeben, dass mehr als 35.000 amerikanische Staatsbürger in den Kommunen leben. Insbesondere würdigte er das Projekt "Willkommen in Rheinland-Pfalz! - Unsere Nachbarn aus Amerika", das an der Atlantischen Akademie angesiedelt ist.

Anschließend wendete sich der Direktor der Atlantischen Akademie Rheinland-Pfalz e.V. mit einem kurzen Grußwort an die Anwesenden. Dr. David Sirakov würdigte in seiner Ansprache vor allem den im April 2016 verstorbenen Gründungsdirektor Werner Kremp und dessen Nachfolger Wolfgang Tönnesmann für ihr unermüdliches Engagement für die Atlantische Akademie im Besonderen und die transatlantischen Beziehungen im Allgemeinen, aber auch das Team der Geschäftsstelle sowie die Mitglieder und Vorstände. Er verwies darauf, dass der Wandel der transatlantischen Beziehungen, der mit Ende des Ost-West-Konflikts einsetzte und bis heute andauert, Gesellschaften und deren Beziehungen zueinander auf beiden Seiten des Atlantiks beeinflusst. Um die Zukunft dieser Beziehungen positiv zu gestalten gilt es, nicht nur gemeinsame Werte und Interessen zu finden, sondern vor allem neue gesellschaftliche und politische transatlantische Narrative zu entwickeln. Die Atlantische Akademie fördert diesen Gesellschaftsprozess auf Grundlage ihres Credos: „Begegnung, Bildung, Beratung“.

Die Festrede an diesem Abend mit dem Thema "Gegenwart und Zukunft der transatlantischen Beziehungen" hielt Karsten D. Voigt. Er studierte Geschichte, Germanistik und Skandinavistik an den Universitäten Hamburg, Kopenhagen und Frankfurt. Er war nicht nur mehr als 20 Jahre Abgeordneter des Bundestages (SPD), sondern ab 1983 auch außenpolitischer Sprecher und im Anschluss Koordinator der Bundesregierung für deutsch-amerikanische Zusammenarbeit.

In seiner Rede berichtete Voigt über verschiedene Facetten der transatlantischen Beziehungen; angefangen bei einer Begegnung 1989 mit einer Familie aus der ehemaligen DDR, für die New York als Symbol für Freiheit stünde, über Studenten, für die die Annahme an einer amerikanischen Eliteuniversität das höchste Ziel sei, bis hin zu Politikern, die eine Einladung ins Weiße Haus der Audienz eines gläubigen Katholiken beim Papst vielleicht sogar vorziehen würden.

Stets habe eine wechselseitige Beziehung zwischen Europa und den USA bestanden, die von gegenseitigem Lernen, aber auch von Kritik geprägt gewesen sei. Die USA seien und blieben der wichtigste Partner außerhalb der EU - zwar nicht Teil der EU, sehr wohl jedoch eine europäische Macht. Diese Beziehung befinde sich aber in ständigem Wandel. Der Zusammenbruch der Sowjetunion habe zu einer Entspannung der sicherheitspolitischen Lage in Europa beigetragen und den Fokus deutscher Außen- und Sicherheitspolitik in den vergangenen Jahren auf die Ränder Europas verlagert. Mit dem Ausbruch der Krise in der Ost-Ukraine habe sich die europäische Sicherheitswahrnehmung massiv geändert und dieser Entwicklung der Konzentration auf den „Export von Sicherheit“ über die Grenzen Europas hinaus einen schweren Dämpfer versetzt. Die NATO-Mitgliedschaft sei heute für viele osteuropäische Länder wichtiger als Teil der EU zu sein. Im Unterschied zu den vergangenen 20 Jahren würden führende Politiker zukünftig wieder die Notwendigkeit der Bündnisse mit den USA verstärkt betonen. Das Verhältnis zu Russland sieht Voigt auf viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte nachhaltig belastet. Trotz dieser Entwicklung sehe sich Deutschland nicht nur mit europäischen Problemen konfrontiert, sondern müsse seine Kompetenzen ebenfalls im globalen Maßstab, z.B. gegen Klimawandel, Terrorismus und Cyber-Kriminalität einsetzen. Und auch hier werde es unweigerlich zu Reibungsflächen mit den USA kommen, so der Festredner.

Eine weitere Belastung für die transatlantischen Beziehungen bestehe im Divergieren der Wahrnehmung der dringlichsten Herausforderung. Während der Aufstieg Chinas in den nächsten Jahren für die USA die größte Herausforderung darstellt, sehe Deutschland dies in Russland. Zwar sei Chinas wirtschaftlicher Aufstieg auch für Deutschland von Bedeutung, jedoch weist ein ausgeglichener Handel zwischen Deutschland und China eher auf eine Chance, denn auf eine nachteilige Entwicklung hin.

Für die transatlantischen Beziehungen bedeute das, so Voigt, dass Deutschland als Partner für die USA nicht von so großer Bedeutung sei, wie die USA für Deutschland. Auch wenn die Partnerschaft zwischen beiden Staaten stets von Asymmetrie geprägt gewesen sei und auch weiter sein werde, müsse die Politik sich hier gewillt zeigen, die Beziehungen über den Atlantik als Gestaltungs- und Ordnungsfaktor im internationalen System zu erhalten.

Nicht zuletzt sähen sich beide Staaten mit einem innergesellschaftlichen Wandel konfrontiert. So ist Deutschland zwar keine Nation von Einwanderern, zumindest aber ein Einwanderungsland, was die deutsche Gesellschaft auf Dauer prägen werde. Das Thema Einwanderung und Flüchtlinge werde ebenso in den USA lebhaft diskutiert, wobei sich eine Entwicklung deutlich abzeichne: Während die politische Debatte in Deutschland früher ideologisch und in den USA hingegen pragmatisch geprägt und auf Konsens gerichtet gewesen sei, habe sich dieses Verhältnis nahezu umgekehrt. Der politische Diskurs in den USA ist heutzutage ideologischer und polarisierter als in früheren Jahrzehnten. Dieser Trend der zunehmenden Polarisierung sei ein nachhaltiger, was sich an vielen Stellen der amerikanischen Politiklandschaft ablesen lasse: wie bspw. bei der geringen Zahl der Swing States, der Fortpflanzung der Polarisierung auf Landkreis-Ebene, dem am stärksten polarisierten Kongress aller Zeiten und nicht zuletzt an der Fernsehlandschaft. Hier bestehe die Gefahr, dass diese politische Kultur auf Europa abstrahlt, erste Tendenzen ließen sich bereits erkennen.

Im Anschluss an die Veranstaltung, ließ man es im Foyer der Staatskanzlei, bei Häppchen, Wein und angeregten Gesprächen entspannt ausklingen.