Politisches Engagement im Jugendalter- ein Vergleich zwischen Deutschland und den USA

von Klara Stumpf

26.5.2019- ich kann mich noch sehr gut an diesen Sonntag erinnern. Es war der Tag, an dem ich zum ersten Mal wählen durfte. Man könnte meinen, es sei keine große Sache, in der örtlichen Turnhalle zu sitzen und Kreuzchen auf einem weißen Stimmzettel zu machen. Diese Kreuzchen, die im besten Fall die große Mehrheit aller Wahlberechtigung setzen, sind jedoch alles andere als ein bloßer Strich auf dem Papier. Vielmehr sind sie so etwas wie die Grundlage unserer repräsentativen Demokratie. Ich war also fast sogar ein bisschen stolz darauf, ab sofort bei allen Wahlen mit meiner Stimme ein Stück weit mitbestimmen zu dürfen, wie sich das jeweilige Parlament in der nächsten Legislaturperiode zusammensetzen wird. Doch ist das Wählen bei Weitem nicht die einzige Möglichkeit aktiver politischer Teilhabe innerhalb der Demokratie. Liegt das Wahlalter in Deutschland zwar auf Bundesebene bei 18 Jahren, ist aber politisches Engagement nicht nur Erwachsenen vorbehalten. Ganz im Gegenteil: wie genau politische Partizipation von Jugendlichen in Deutschland aussehen kann, möchte ich hier gerne beleuchten und dabei auch einen Vergleich zu den Möglichkeiten politischen Engagements unter Jugendlichen in den USA ziehen.

Partizipation 

Die Staatsform der Demokratie lebt von aktiver politischer Teilhabe des Volkes. Das gilt natürlich sowohl für Deutschland, als auch für die Vereinigten Staaten von Amerika. Die einfachste Option, sich als Bürger oder Bürgerin aktiv politisch zu beteiligen, ist von seinem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Das muss gar keine Bundestags-oder Präsidentschaftswahl sein, sondern kann auch die Wahl zum Schülersprecher beziehungsweise zur Schülersprecherin sein. Doch sähe unsere Demokratie ganz anders aus, gäbe es darüber hinaus keine Formen der politischen Partizipation innerhalb des Volkes. „Wahlen allein machen noch keine Demokratie“, dieses Zitat stammt vom 44. Präsidenten der USA, Barack Obama. Eine schon lange bestehende Möglichkeit der politischen Beteiligung ist es, einer Partei oder Jugendorganisation einer solchen beizutreten.

Parteien fungieren als Bindeglied zwischen Bevölkerung und Staat, darüber hinaus kommen ihnen die Funktionen der Politikformulierung, -implementation, -kontrolle und Personalrekrutierung zuteil. Waren es in der Vergangenheit in der Wahrnehmung der Menschen aber beinahe einzig Parteien, die politisches Engagement ermöglichten, so vervielfältigen sich die Partizipationsmöglichkeiten in den letzten Jahren enorm, vor allem für Jugendliche. Die fortschreitende Digitalisierung und die sozialen Medien spielen hierbei- insbesondere für die Vernetzung untereinander- eine entscheidende Rolle. Prinzipiell kann schon ein aktives Verfolgen des politischen Geschehens und ein Austausch hierüber-beispielsweise im Sozialkundeunterricht oder das Besuchen von Schul-AGs, zum Beispiel „Schule ohne Rassismus Schule mit Courage“-unter den Ausdruck politische Partizipation subsumiert werden.

Digitale Workshops eröffnen die Möglichkeit, „politische Luft“ zu schnuppern und in den Dialog mit anderen zu treten. Jüngst erfreuen sich darüber hinaus soziale Bewegung zum Beispiel Fridays For Future großer globaler Popularität. Ziel der weltweit demonstrierenden Jugendlichen ist eine schnellere Umsetzung klimapolitischer Maßnahmen. Auch andere Demonstrationen junger Menschen in Amerika (beispielsweise die LGBTQ- Bewegung, der March for Our Lives für strengere Waffengesetze) sowie Petitionen, Bürgerbegehren und -entscheide oder NGOs (zum Beispiel Greenpeace oder PETA) bieten die Möglichkeit politischer Teilhabe.

Was sagen die Umfragen?

Ein Blick auf die Statistiken zeigt, dass das politische Interesse der jungen Generation in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat. Laut der Shellstudie, einer empirischen Untersuchung der Einstellung 12-25-jähriger Menschen in Deutschland zu gesellschaftlichen und politischen Themen, lag es im Jahr 2002 bei gerade einmal 30 Prozent, 2019 hingegen bei 41 Prozent. Darüber hinaus zeigen die Ergebnisse der Shellstudie, dass die Zufriedenheit mit der Demokratie unter den Befragten seit 2002 um 17 Prozent –nämlich auf 77 Prozent im Jahr 2019- angestiegen ist. Allerdings ist die Politikverdrossenheit sehr hoch. 71 Prozent der Befragten gaben an, sich von der Politik nicht gehört zu fühlen.

Eine im Auftrag des deutschen Kinderhilfswerk im Jahr 2012 durchgeführt Studie ergab, dass das Interesse, sich in einer Partei zu engagieren, bei den befragten Jugendlichen bei unter 10 Prozent liegt. Deutlich höher, nämlich bei über 20 Prozent der Befragten, ist die Bereitschaft, an einem internetgestützten Projekt zu partizipieren. Zwar liegt die Umfrage bereits einige Jahre zurück, doch hat das Ergebnis nicht an Aktualität verloren. „Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten“ ist eine Studie des Deutschen Jugendinstitutes, bei der Menschen zwischen 16 und 29 Jahren nach von ihnen praktizierten Formen politischer Partizipation befragt wurden. Die Beteiligung an einer Bürgerinitiative liegt bei 2 Prozent, die Mitarbeit in einer Partei bei 3 Prozent. Die Beteiligung an einer Onlineprotestaktion hingegen bei 23 Prozent. Mit Abstand die größte Prozentzahl an Beteiligung weist die Teilnahme an Wahlen mit 72 Prozent auf.

Eine Studie der Tufts University in Amerika hat sich mit dem politischen Engagement 18- 24-Jähriger in den USA beschäftigt und einen Vergleich zwischen 2018 und 2020 gezogen. In allen Bereichen hat die Bereitschaft der politischen Partizipation innerhalb der beiden Jahre deutlich zugenommen. Beispielsweise das Interesse daran, eine Demonstration zu besuchen ist von 10 Prozent auf 31 Prozent gestiegen. Waren im Jahr 2018 lediglich 7 Prozent aller Befragten dazu bereit, an politischen Kampagnen teilzunehmen, so hat sich 2020 der Wert um 9 Prozent gesteigert auf 16 Prozent. Themen, die die Jugendlichen besonders beschäftigen, sind soziale Gerechtigkeit, Umweltpolitik und der Umgang mit Rassismus.

Abschließen möchte ich meinen Text mit einem Zitat: „Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf“ (Urheber unbekannt). Die Möglichkeit der politischen Partizipation des Individuums innerhalb der Demokratie ist ein hohes Gut, das – insbesondere im Hinblick auf die deutsche Geschichte – niemals als selbstverständlich erachtet werden sollte, vielmehr als Chance aktiver politischer Zukunftsgestaltung. Politische Partizipation junger Menschen ermöglicht, dass die Demokratie ein Abbild einer sich wandelnden, vielfältigen Gesellschaft darstellt. Sowohl in Deutschland als auch in den USA.