Es ist nicht das erste Mal, dass Demokratische Abgeordnete aus Texas flüchten, um einen letzten Versuch zu unternehmen, umstrittene und von Republikanern initiierte Gesetzesänderungen zu blockieren oder zumindest auszubremsen. In der Vergangenheit waren diese Versuche nicht erfolgreich, doch für die Demokratische Partei und die Demokratie an sich wird der Verlauf und der Ausgang der gegenwärtigen Entwicklungen bedeutend sein. Was genau geschieht momentan in Texas und welche Auswirkungen könnte dies auf die Zwischenwahlen 2026 und das politische System haben?
Die Republikanische Partei und die Wahlen 2026
Die Republikaner scheinen sich doch ein wenig um die Zwischenwahlen 2026 und ihre Vormachtstellung im Repräsentantenhaus zu sorgen. Dort beansprucht die Partei momentan eine dünne Mehrheit von 219 zu 212 Abgeordneten für sich und befürchtet, die niedrigen Zustimmungswerte von Donald Trump, die volatile wirtschaftliche Lage und der traditionelle Gegenwind für die Partei im Weißen Haus könnten die eigenen Mehrheiten im Hebst kommenden Jahres schwinden lassen. Die Besuche von Republikanischen Abgeordneten in ihren heimischen Wahlkreisen entpuppen sich zunehmend als angespannte Auseinandersetzungen und signalisieren zivilgesellschaftlichen Gegenwind. Insbesondere das autoritäre Gebaren der Trump-Administration sowie die Einschnitte im Gesundheits- und Sozialwesen durch das alleinig mit Republikanischen Stimmen verabschiedete neue Steuer- und Ausgabengesetz sorgen für Unmut in den Distrikten.
Für Donald Trump wäre ein Machtwechsel im Repräsentantenhaus nicht nur aus legislativer Blockadesicht ärgerlich. Vielmehr ist zu erwarten, dass ein durch die Demokraten kontrolliertes Repräsentantenhaus auch die bisher arg vernachlässigte Kontrollfunktion der Exekutive durch Anhörungen und Untersuchungen ausüben würde. Es ist also nicht verwunderlich, dass Präsident und Partei geneigt sind, das Spielfeld der Zwischenwahlen zu ihren Gunsten zu gestalten. Besonders anschaulich ließ sich dies in den letzten Tagen beobachten. Donald Trump forderte die Partei in Texas auf, Wahlkreise so neu zu ziehen, dass man den eigenen Parteivorsprung ausbauen könne. In einem Interview mit CNBC wurde er konkret und unternahm noch nicht einmal den Versuch, den machtpolitisch motivierten Vorgang zu verschleiern: ““We have an opportunity in Texas to pick up five seats. We have a really good governor, and we have good people in Texas. And I won Texas. I got the highest vote in the history of Texas, as you probably know, and we are entitled to five more seats.”
Der Hintergrund: Gerrymandering
Zum Verständnis dieser Forderung ein kurzer Ausflug in die Welt der Wahlkreise. Das Repräsentantenhaus besteht aus Vertreterinnen und Vertretern aus 435 Wahlkreisen. An dieser Anzahl hat sich trotz des stetigen Bevölkerungswachstums seit 1911 und der gesetzlichen Grundlage aus dem Jahr 1929 nichts geändert. Im nationalen Schnitt umfasst ein Wahlkreis aktuell etwa 761.000 Personen, 1910 waren es lediglich um die 210.000 Personen. Die Zahl richtet sich also nach diesem rechnerischen Schnitt in Verbindung mit der Bevölkerungszahl, besonders mächtig sind dabei Texas (38) und Kalifornien (52). Tatsächlich variieren die Zahlen pro Distrikt allerdings deutlich. Während Wyoming als at-large Distrikt (der gesamte Bundesstaat bildet einen Wahlkreis) knapp 578.000 Einwohner zählt, sind dies in den 52 Distrikten Kaliforniens jeweils ca. 761.000 und in den zwei Distrikten Delawares sogar jeweils fast 991.000. Bereits hier werden starke Unterschiede in der Repräsentation des Wählerwillens in den USA deutlich, denn jeder dieser Wahlkreise entsendet lediglich ein Mitglied nach Washington, D.C.
Im Zuge des alle zehn Jahre stattfindenden Zensus wird in den USA die Bevölkerungsanzahl bis in die einzelnen Landkreise (Counties) neu ermittelt und festgestellt, welche regionalen Veränderungen sich ergeben haben. Verliert ein Staat an Einwohnern oder wächst seine Bevölkerung, so ändert sich oft auch die Anzahl an zu vergebenden Sitzen im Repräsentantenhaus. Im Anschluss an den Zensus 2020 erhielt Texas beispielsweise zwei zusätzliche Sitze; Kalifornien oder auch New York verloren jeweils einen Sitz. Basierend auf diesen Entwicklungen und Daten werden dann Wahlkreise auch neu gezogen, das sogenannte redistricting. Das Redistricting findet in der Regel einmal nach dem Zensus statt, in Texas zuletzt 2021 – der erneute Versuch ist zwar nicht illegal, aber doch außergewöhnlich.
Nicht überraschend ist dieser Prozess hochpolitisch und oft stark umkämpft, denn die Parteien wollen ihren Einfluss erhalten und im besten Falle maximieren. Das Prozedere für die Wahlkreisziehung ist von Staat zu Staat zudem unterschiedlich geregelt, es kann durch die Parlamente der Bundesstaaten erfolgen, durch überparteiische Kommissionen, Gerichte können eine Rolle spielen oder weitere Konstrukte kommen zum Tragen. Besonders problematisch wird das Unterfangen, wenn es zur Umkehr des demokratischen Prozesses kommt: Wenn sich nämlich Politiker*innen über einen dieser Wege die Wählerschaft selbst aussuchen, um die eigenen Wahlchancen zu maximieren. Der Wahlkreis wird also mithilfe von umfangreichen Datensätzen und Computerprogrammen exakt so gezogen, dass er maximale Vorteile für eine Partei schafft: das so genannte gerrymandering. Die Folge sind weniger umkämpfte Distrikte mit weniger Wettbewerb und weniger direkte Rückmeldung von Wähler*innen sowie eine mitunter starke Verzerrung der Repräsentation innerhalb eines Bundesstaates. So stimmten in den Kongresswahlen 2024 56,5 Prozent der Wählenden in Nevada für die Republikaner, lediglich einer der vier Sitze (25 Prozent) fiel dann auch an die Partei. Die Demokraten wurden hier um 31,5 Prozent überrepräsentiert. In Iowa werden die Republikaner bevorteilt. Dort wählten 43,5 Prozent die Demokraten. Die Partei ging jedoch aufgrund des Wahlkreiszuschnitts komplett leer aus. Eine Überrepräsentation der Republikaner von 43,5 Prozent ist die Folge. Frustration und Apathie entstehen in der Wählerschaft und die eigentliche politische Auseinandersetzung in sicheren Wahldistrikten findet fortan in den parteiinternen Vorwahlen statt, nicht mehr zwischen den Parteien. Noch 1999 waren 164 von 435 Distrikten als „swing seats” klassifiziert, 2023 traf dies nur noch auf 82 Wahlkreise zu, [1] so eine Analyse des Cook Political Report.
Die Taktik in Texas
Die genannten Verzerrungen in der Wählerrepräsentation hielten sich in Texas bislang in Grenzen. Dort befinden sich momentan 25 von 38 Sitzen im Repräsentantenhaus in Republikanischer Hand, was angesichts eines Wahlergebnisses von 59,1 Prozent ein leichter Vorteil von 6,1 Prozent darstellt. Doch die Republikaner möchten diese Zahl jetzt auf 30 erhöhen. Um dies zu erreichen hat der Gouverneur von Texas, Greg Abbott, eine 30tägige Sondersitzung (endet am 19. August) des Parlaments einberufen, um neu gezogene Wahlkreise zu verabschieden. Das Parlament hatte die eigentliche legislative Arbeit für das Jahr schon abgeschlossen, kam nun aber noch einmal erneut zusammen. Ziel der neu erstellten Wahlkarte ist es, tiefblaue Distrikte mit noch mehr Demokratischen Wählern und Wählerinnen zu füllen und somit andere Distrikte freundlicher für die Republikaner zu gestalten. Dadurch erhofft man sich, die Chancen für die GOP zu erhöhen, insbesondere angesichts der gestiegenen Unterstützungswerte unter hispanischen Wähler*innen. Ganz gefahrlos ist solch ein Vorgehen für die Republikaner nicht, denn fraglich wird sein, ob diese Unterstützung für Donald Trump innerhalb der hispanischen Wählerschaft bestehen bleibt. Die Möglichkeit eines dummymanders, also die unbeabsichtigte Wahlkreisziehung zum Vorteil der gegnerischen Partei, lässt sich auch im Zeitalter der computergestützten Wahlkreisziehung nicht ganz ausschließen. Ob erfolgreich oder nicht für die Republikaner, erneut werden von den Veränderungen in erster Linie Schwarze und hispanische Wählergruppen betroffen sein.
Neben dem Druck von Donald Trump bezieht man sich in Texas zusätzlich auf einen Input des Justizministeriums, dieser wird von Experten jedoch kritisiert und führe zu falschen Schlussfolgerungen. Angesichts des starken öffentlichen Drucks durch Präsident Trump wirkt der Verweis auf das Justizministerium aktuell eher als Feigenblatt und nicht als Ursprung der Neuziehung.
Die Demokraten im texanischen Parlament können aufgrund ihrer Minderheitsposition wenig Gegenwehr im System selbst leisten und haben sich daher entschlossen, den Staat zu verlassen. So verhindern sie, dass das nötige Quorum (laut der texanischen Verfassung müssen 2/3 der Mitglieder des Hauses anwesend sein) für legislative Handlungen besteht. Die Demokraten stellen 62 von 150 Abgeordneten, nahezu alle Demokrat*innen sind momentan nicht vor Ort, bzw. haben den Staat verlassen. Einige von ihnen sind beispielsweise in die Region um Chicago gereist und beraten sich dort mit dem Demokratischen Gouverneur von Illinois, J.B. Pritzker.
Die Reaktion der Republikaner in Texas ließ nicht lange auf sich warten. Laut den Vorschriften des texanischen Repräsentantenhauses können Abgeordnete mit Strafzahlungen von 500 US-Dollar pro Tag belegt werden, wenn sie offizielle Amtshandlungen ohne Erlaubnis verpassen. Diese Strafzahlungen wurden 2023 eingeführt, nachdem Demokratische Abgeordnete 2021 den Staat verlassen hatten, um gegen republikanische Wahlgesetzänderungen zu protestieren. Die Vorschriften verbieten es zudem, für die Strafzahlungen Kampagnengelder zu verwenden, andernfalls droht Gouverneur Abbott mit einer strafrechtlichen Verfolgung aufgrund von Bestechung. Zeitgleich stimmte das Haus für die Verabschiedung von „civil warrants“, sodass texanische Polizeibehörden die Abgeordneten verhaften und zurück nach Austin bringen können. Allerdings ist dies nur innerhalb der texanischen Staatsgrenzen möglich.
Ein politischer Machtverlust könnte neben den finanziellen und weiteren möglichen rechtlichen Konsequenzen ebenfalls drohen. Die Republikaner im Repräsentantenhaus drängen darauf, den Demokratischen Abgeordneten ihre Positionen in bestimmten Ausschüssen zu entziehen und Gouverneur Abbott hat den Obersten Gerichtshof in Texas eingeschaltet, um den Demokraten Gene Wu seines Amtes im Haus zu entheben. Innerhalb der Republikanischen Partei überbieten sich Politiker gegenwärtig mit Vorschlägen, wie mit den protestierenden Demokraten umzugehen sei. Donald Trump und der Republikanische Senator aus Texas, John Cornyn, drängen auf eine Beteiligung des FBI. Die Bundesbehörde unter der Leitung von Kash Patel ist dieser Forderung nun nachgekommen, es ist jedoch äußerst umstritten, welche Rolle die Bundesbehörde überhaupt spielen könnte und dürfte. Diese Eskalation der Lage ist nicht ganz überraschend, findet der Showdown zwischen den Parteien auch im Kontext der Republikanischen Vorwahlen statt. Der texanische Attorney General, Ken Paxton, ist der Herausforderer von Senator Cornyn in den Vorwahlen für dessen Senatssitz – beide Männer überbieten sich daher aktuell mit aggressiven Vorschlägen, wie die Demokraten bestraft werden könnten.
Die Demokraten zeigen sich von diesen Drohungen und Vorgängen bisher relativ unbeeindruckt und wollen bis zum Ende der einberufenen Sondersitzung den Abstimmungen fernbleiben. Allerdings ist dies keine sichere Strategie, kann Gouverneur Abbott doch jederzeit neue Sondersitzungen einberufen und den Prozess somit verlängern. Der Politikwissenschaftler Brandon Rottinghaus beschreibt die Situation der Demokraten in Texas nüchtern: "It's a messaging move. It's a last resort for Democrats who have run out of options legislatively and even legally."
Die Demokratische Partei: Feuer mit Feuer bekämpfen
“This is not the Democratic Party of your grandfather, which would bring a pencil to a knife fight. This is a new Democratic Party. We’re bringing a knife to a knife fight, and we are gonna fight fire with fire.” So äußerte sich der Vorsitzende des Democratic National Committee, Ken Martin, zu den Vorgängen in Texas. Innerhalb der Partei scheint sich ein Konsens zu formieren, dass die aktuellen Vorgänge in Texas und die grundsätzliche autoritäre Entwicklung der GOP eine ernstzunehmende Bedrohung für die Demokratie und vor allem auch für die eigenen Wahlchancen bedeuten. Gleichzeitig stehen natürlich auch die Demokratischen Gouverneure und möglichen Präsidentschaftsanwärter*innen für 2028 unter Druck von der eigenen Basis, internen Herausforderern und den sinkenden Beliebtheitswerten der Partie.
So erfahren nicht nur die texanischen Demokraten breite Unterstützung, sondern es formiert sich eine Gegenbewegung in den mächtigen blauen Staaten wie Kalifornien oder New York. Die Gouverneure in Kalifornien, Illinois, New York und auch New Jersey eruieren nun ebenfalls Optionen, die Anzahl blauer Wahlkreise zu maximieren und Wahlgrenzen neu zu ziehen. Akut werden diese Überlegungen angesichts Gedankenspielen der Republikaner, auch in weiteren Republikanisch dominierten Staaten neue Wahlkreise zu ziehen. Allerdings gestaltet sich dies in vielen von Demokraten angeführten Staaten deutlich schwieriger, da hier die Aufgabe der Wahlkreisziehung entweder durch die Verfassung des Staates strikt geregelt ist, unabhängigen Kommissionen unterliegt oder die Möglichkeiten der Stimmmaximierung schon ausgeschöpft sind.
Sollte das Vorgehen der Republikaner in Texas erfolgreich sein, so schlägt beispielsweise der kalifornische Gouverneur Newsom vor, würde das kalifornische Parlament eine special election ansetzen, so dass Wähler*innen über neue Wahldistrikte für den Zeitraum von 2026-2030 abstimmen und somit die dafür eigentlich zuständige unabhängige Kommission umgehen könnten. Diese Neuziehung der Wahlkreise könnte den Demokraten In Kalifornien ebenfalls fünf neue Sitze bescheren. Ähnliche Überlegungen gibt es auch in New York, hier müsste voraussichtlich aber auch die Verfassung des Staates geändert werden, ein langer Prozess, der wohl nicht rechtzeitig zu den Zwischenwahlen abgeschlossen werden kann. Die Gouverneurin, Kathy Hochul, hat auch nicht ausgeschlossen, die unabhängige Kommission für die Wahlkreisziehung in New York aufzulösen. In einem Gastbeitrag für Houston Chronicle hält sie fest: „We are also reviewing every legal and legislative option to redraw our own maps in New York. If Republicans are changing the rules, we’ll meet them on the same field, with strategy, with resolve and without apology. Some will say this is too aggressive. I say it’s necessary. What Texas Republicans are doing under Trump’s direction is nothing short of a legal insurrection on our Capitol. But using a legal system doesn’t make it legitimate. It’s a hijacking of democracy. And it must be stopped.“
Dennoch bleiben für die Demokraten die institutionellen und juristischen Herausforderungen bestehen. Republikaner dominieren die Institutionen in mehr Bundesstaaten und können somit zahlreicher und effektiver gerrymandern, in Demokratisch geführten Staaten spielen Kommissionen oft eine starke Rolle und die Partei war auch in der Vergangenheit stärker darauf fokussiert, den Prozess der Wahlkreisziehung zu entpolitisieren. Natürlich ist auch der Demokratischen Partei das gerrymandering nicht fremd und es wurde in manchen Staaten intensiv genutzt, dennoch wurden kontinuierlich Versuche unternommen, Reformen einzuleiten, unabhängige Kommissionen einzusetzen oder sogar den Prozess durch Gesetzgebung im Kongress einheitlich und unabhängig zu gestalten. In der Partei blieb der strategische Mehrwert einer kalkulierten Nutzung des Prozesses im Vergleich zu den Republikanern auch zu lange unerkannt, denn spätestens seit dem Erfolg des Redistricing Majority Project (REDMAP) der Republikaner in 2010 wurde deutlich, wie geschickt und fokussiert die Republikanische Partei den gerrymander als politisches Instrument versteht und einsetzt. Juristisch gesehen werden diese Vorgänge übrigens von Seiten des Obersten Gerichtshofs nicht behandelt. Der Supreme Court deklarierte 2019 das „partisan gerrymandering“ als eine politische Herausforderung, für die die Bundesgerichte nicht zuständig seien.
Republikanische Abgeordnete aus Demokratisch dominierten Staaten scheinen sich jedoch auch etwas um die eigene Wiederwahl zu sorgen, sollten die Staaten den Republikanischen Vorstößen folgen. Am 5. August führte daher der Kongressabgeordnete Kevin Kiley (CA-3) den Entwurf H.R.4889 in das Repräsentantenhaus ein, der den Titel trägt: „To prohibit States from carrying out more than one Congressional redistricting after a decennial census and apportionment.“ Seine Kollegin Marjorie Taylor Greene hingegen pocht in einem eigens eingebrachten Entwurf auf der Forderung: „excluding noncitizens from the apportionment numbers, but also a new census and round of congressional redistricting before the 2026 midterm election”.
Feuer mit Feuer bekämpfen – was bleibt am Ende bestehen?
In der Demokratischen Partei scheint sich die Erkenntnis durchzusetzen, dass die Partei das demokratische System und seine Normen nur verteidigen kann, wenn man diese ebenso bricht wie die Konkurrenz. Um noch einmal Gouverneurin Hochul zu zitieren: „Up until now, Democrats have treated our political system like it’s still governed by norms, guarded by limits and rooted in fairness. Rules were meant to be followed. It hurts to say it, but that era has come to an end.” Der Politikwissenschaftler Seth Masket argumentiert, dass das Vorgehen der Demokraten nicht nur verständlich, sondern auch notwendig sei: „You can’t make a party [hier die Republikaner] feel more reverent toward institutions and norms; you can raise the costs of irreverence. In the long run, that’s the most effective tool available.”
Diese Einstellung mag man aus demokratietheoretischer oder normativer Sicht beklagen, jedoch stellt sich die Frage, ob es hierzu eine Alternative gibt. Denn die Ereignisse in Texas sollten im Gesamtbild gesehen werden: Der Präsident bezeichnet die Demokraten als „Feinde im Innern“, er ordnet eine Untersuchung der Fundraising-Plattform der Demokraten, ActBlue, an, er beschuldigt Barack Obama des Landesverrats, er droht Anwaltskanzleien, die den Demokraten nahestehen, und auf Ebene der Einzelstaaten und der Regierung finden sich zahlreiche Gesetzesänderungen und -vorschläge, welche die kommenden Wahlen und deren Legitimität deutlich schwächen könnten. Ebenfalls im Gespräch ist eine grundsätzliche Neustrukturierung des Zensus, nach Vorstellung der Trump-Regierung soll die Volkszählung ausschließlich Menschen mit legalem Aufenthaltsstatus erfassen. Ein so noch nie dagewesenes Unterfangen, verlangt der 14. Zusatzartikel der Verfassung doch die Zählung der "whole number of persons in each state". Einbezogen werden sollen laut Trump auch die Ergebnisse der Wahl 2024 – was diese allerdings mit der Volkszählung verbindet, ist ein Mysterium.
Das politische Wettrüsten im Bereich der Wahlkreisziehung mag also grundsätzlich kein gutes Zeichen für die amerikanische Demokratie und Wahlbevölkerung sein, im gegenwärtigen Kontext jedoch scheint es nahezu unausweichlich zu sein. Politikwissenschaftlerin Pippa Norris sieht in den aktuellen Entwicklungen auch weitere Anzeichen für die Erosion der Demokratie in den USA. So schreibt sie auf der Plattform X: „Today, the US is an 'electoral democracy'; it holds free & fair contests, but horizontal checks & balances on executive power have eroded. If the Texas schenannigans undermine electoral integrity & vertical accountability in the 2026 House mid-terms, it will slip even further and could become an electoral autocracy.”
Eine nüchterne und doch düstere Einschätzung in dem Monat, in dem der Voting Rights Act von 1965 sein 60jähriges Jubiläum feiert.
[1] Dieser Wert ist in den Wahlen 2024 allerdings auf 94 gestiegen. (Berechnungen von David Sirakov entlang des Normalized Presidential Vote). Vielen Dank an David für die wertvollen Anmerkungen!