Demokratie im freien Fall?

Sarah Wagner, M.A.

Während eines beruflichen Aufenthalts in Luxemburg stürzt die 84-jährige Nancy Pelosi, ehemalige Sprecherin des Repräsentantenhauses und Demokratische Leitfigur, Mitte Dezember 2024 so schwer, dass sie noch im US-Militärkrankenhaus in Landstuhl, Rheinland-Pfalz, behandelt wird und sich dort einer Operation an der Hüfte unterziehen muss. Anfang Februar 2025 trifft es auch ihren 82-jährigen Kollegen Mitch McConnell, ehemaliger Republikanischer Mehrheitsanführer im Senat, der Anfang Februar gleich zweimal das Gleichgewicht verliert und laut der medialen Berichterstattung für den Rest des Tages einen Rollstuhl nutzte, um weitere Zwischenfälle zu vermeiden.

Purer Zufall oder doch ein böses Omen für die amerikanische Demokratie könnte man munkeln. Pelosi und McConnell sind nicht nur Teil der amerikanischen Gerontokratie, sie symbolisieren auch eine vergangene politische Ära und eine politische Umgangsform, die zwar von knallharter Machtpolitik und gelegentlichen Normbrüchen geprägt war, grundsätzlich jedoch einen Konsens hinsichtlich der verfassungsrechtlichen amerikanischen politischen Ordnung pflegte. Mittlerweile jedoch mutet dies fast archaisch an und beide Personen stehen auch sinnbildlich für ein Land und eine Demokratie, die stark ins Straucheln gekommen sind.

Wie steht es um die amerikanische Demokratie?

This isn't about politics. This isn't about policy. This isn't about Republican versus Democrat. This is about tampering with the structure of our government, which will ultimately undermine its ability to protect the freedom of our citizens. If our defense of the Constitution is gone, there's nothing left to us.” Mit diesen Worten wandte sich Angus King, unabhängiger Senator aus Maine, am 6. Februar an seine Kolleg*innen im Senat um die Bestätigung von Russell Vought als Leiter des Office of Management and Budget zu verhindern. Zwar stimmten alle Demokraten gegen den Mitverfasser von Project 2025, die Republikanischen Senator*innen winkten ihn jedoch geschlossen durch. Die Hilflosigkeit der Demokraten sowie das geeinte und rasend schnelle Vorgehen der Republikaner lassen im ersten Monat der neuen Administration Konturen erkennen, die bedrohlich für die amerikanische Demokratie sind und die auch Senator King in seiner Rede ausführte. So mögen manche Beobachter*innen noch zögern, aber die aktuell stattfindende Aushöhlung des politischen Systems in den USA liefert großen Grund zur Sorge. Im Folgenden soll daher kurz skizziert werden, warum bestimmte Entwicklungen langfristige negative Folgen für die amerikanische Demokratie mit sich ziehen werden.

Vorweg: Es gilt zu benennen, was offensichtlich ist – auch, wenn es unangenehm ist oder unwirklich erscheinen mag. Die Ereignisse des 11. Septembers 2001 waren laut Analysen auch auf eine „failure of imagination“ zurückzuführen. Man konnte sich einfach nicht vorstellen, wie verheerend die USA getroffen werden könnten. Aktuell werden Tatsachen geschaffen, die keiner Fantasie oder Vorstellungskraft mehr bedürfen: Die amerikanische Demokratie steht ohne ausreichenden Schutz dar, während eine beispiellose Ausweitung präsidialer Macht ohne effektive Kontrollmechanismen und geprägt von Norm- und Rechtsverletzungen vollzogen wird. Während Donald Trump sich im Wahlkampf ahnungslos gab und eine Verbindung zwischen ihm und Project 2025 leugnete, werden die extremen politischen Inhalte nun konsequent umgesetzt. Die Umsetzung von politischen Plänen und Präferenzen ist Teil jedes Machtwechsels in Washington D.C., allerdings findet dies in etablierten, verfassungsrechtlichen Rahmen und Kontexten statt. Abgeordnete werden gewählt, finden für politische Inhalte Mehrheiten in beiden Kammern, einigen sich auf die Höhe der Ausgaben und verabschieden so Gesetze, die der Präsident unterzeichnet oder mit einem Veto belegt. Dem Präsidenten stehen diverse Mittel zur Verfügung, um die Bürokratie zu leiten und eigene Akzente hervorzuheben, beispielsweise Exekutivanordnungen.

Was jedoch in den letzten Wochen zu beobachten war, ist ein dramatischer Bruch mit dem politischen System, laut einigen Expert*innen eine Verfassungskrise. Der Präsident und Elon Musk, ein Milliardär und Privatunternehmer aus Südafrika, der weder von der Bevölkerung gewählt noch vom Senat bestätigt wurde und lediglich aufgrund von Druck aus der Öffentlichkeit den behelfsmäßigen Status eines „special government employee“ erhielt, sind beschäftigt mit einem Frontalangriff gegen die amerikanischen Institutionen. In einem rasanten Tempo ist man darauf fokussiert, ganze Behörden einzustampfen, Mitarbeiter zu entlassen, Kontrollmechanismen auszuschalten, vom Kongress bewilligte Gelder einzubehalten, die Datensicherheit zu kompromittieren, politische Gegner einzuschüchtern, international imperiale Ansprüche zu formulieren und jegliche Kritik an diesem Handeln zu ignorieren. Machtbefugnisse, die explizit dem Kongress zustehen, werden ebenso ignoriert wie zahlreiche Vorschriften, Gesetze oder Interessenkonflikte.

Der Historiker Timothy Snyder beschreibt den administrativen Coup eindringlich und deutlich mit den Worten: „In gaining the ability to stop payments by the Department of the Treasury, Musk would also make democracy meaningless. We vote for representatives in Congress, who pass laws that determine how our tax money is spent. If Musk has the power to halt this process at the level of payment, he can make laws meaningless. Which means, in turn, that Congress is meaningless, and our votes are meaningless, as is our citizenship.“

Weitere Analysen und Erklärungen finden sich zuhauf, beispielsweise hier, hier, hier oder auch hier. Eine klare Einordung der Geschehnisse ist elementar und sollte auch nicht verwässert werden durch Zusätze oder Ausführungen, die sich mit möglichem Missmanagement und Fehlverhalten der Bürokratien beschäftigen. Behörden sind fehlerhaft wie jegliche andere Institutionen oder jedes Unternehmen, allerdings gibt es für die Behebung und Untersuchung solcher Fehler etablierte Verfahren im Kongress und innerhalb der Exekutive. Wer Behörden die Gelder kürzen möchte oder andere politische Inhalte implementieren möchte, kann das im politischen System der USA legal umsetzen, eine Partei mit Mehrheiten im Kongress und Weißen Haus hat daran aber scheinbar kein Interesse – eine gefährliche Entwicklung.

Im Magazin Foreign Affairs kommen die Autoren Steven Levitsky und Lucan A. Way zu der ernüchternden Schlussfolgerung: „America is on the cusp of competitive authoritarianism. The Trump administration has already begun to weaponize state institutions and deploy them against opponents. The Constitution alone cannot save U.S. democracy.“

Gibt es ein Gegengewicht?

Die Reaktion auf dieses Vorgehen ist, zumindest bisher, noch verhalten in der amerikanischen Zivilgesellschaft. Die Demokratische Partei ist auf Bundesebene von der Macht ausgeschlossen und zudem noch nicht intern geeint, was eine Oppositionsstrategie betrifft. Auf föderaler Ebene regt sich Widerstand und Demokratisch geführte Staaten sowie Organisationen wie beispielsweise Gewerkschaften klagen gegen einzelne Handlungen von Musk und der Administration. Doch im Gegensatz zu 2017 kommen zivilgesellschaftliche Organisationen und besorgte Amerikaner*innen nur zögerlich ins Handeln, eine post-pandemische Erschöpfung gekoppelt mit dem Trumpschen Wahlsieg (auch in der popular vote) und der schieren Flut an Skandalen und besorgniserregenden Entwicklungen fordert auch die erfahrensten Aktivist*innen heraus. Medienhäuser wurden entweder schon vor der Wahl von ihren milliardenschweren Eigentümern auf Kurs gebracht oder verhalten sich mittlerweile vorsichtig und zuvorkommend. Gleichzeitig ist es aber die Hochzeit von gutem investigativem Journalismus, der eben auch noch in den USA existiert.

Die Republikanische Partei scheint abgedankt und ihre eigene Macht im Kongress an den Präsidenten abgetreten zu haben. Als Partei in der Mehrheit obliegt ihr im System auch die Kontrolle der Exekutive, die Wahrung der Gewaltenteilung und die Behauptung des eigenen Machtanspruchs – allein schon aus einem ureigenen machtpolitischen Interesse. Jedoch zeigt sich, dass die Partei loyal agiert und selbst die offensichtlich verfassungswidrigen oder rechtlich umstrittenen Handlungen des Präsidenten mit einem vermeintlich deutlichen Wahlmandat für legitim erklärt.

In einem perfiden weiteren Schritt wird nun schon die Legitimität der Judikative hinterfragt. Vize-Präsident Vance und der Sprecher des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, zweifeln offen die Berechtigung der Gerichte an, ihrer Ansicht nach legitime Handlungen der Exekutive in die Schranken zu weisen. Zwar betonen einige Republikanische Kollegen, dass die Regierung im Rahmen der Checks und Balances richterliche Entscheidungen befolgen solle, doch wer kann das am Ende des Tages sicherstellen? Der Weg durch die Gerichte ist zudem langsam, kostspielig und endet in einigen Fällen vermutlich vor einem konservativ dominierten Obersten Gerichtshof.

Was bedeutet das für die transatlantischen Beziehungen?

Ehrlicherweise muss man sich fragen, wie lange sich die transatlantischen Beziehungen noch auf den so oft beschworenen geteilten Wertekanon berufen können. Die Aushöhlung der Demokratie sowie eine scharfe, ideologische und exklusive Definition, wer dieser Demokratie überhaupt noch angehören darf, werden die transatlantischen Beziehungen testen.

Sollte das Handeln von Musk und den Republikanern nicht durch die Gerichte eingeschränkt werden, stellt sich auch die Frage nach der Sicherheit, Verlässlichkeit und Vertrauenswürdigkeit der USA als internationalem Partner. Wer hat Zugang zu wichtigen sicherheitsrelevanten Informationen, die Alliierte mit den USA teilen? Wer kann garantieren, dass zukünftige Informationen und Daten nicht in die Hände von unerfahrenen und hochproblematischen Musk-Anhängern fallen? Bisher niemand.

Langfristig gesehen wird es schon jetzt schwer sein, den angerichteten Schaden an den Institutionen zu reparieren, da es immer leichter ist, ein Haus einzureißen, als es aufzubauen. Die derzeitigen Entwicklungen sollten daher Weckruf und Mahnung zugleich sein, dass eine Demokratie jeden Tag aufs Neue verteidigt und gefestigt werden muss, gerade dann, wenn sie ins Straucheln kommt. Institutionen können diese Aufgabe nicht übernehmen, das ist die Aufgabe von Demokratinnen und Demokraten.