Atlantische Themen 1/2018: Ein Jahr Trump-Administration

Der ‚Un’-Präsident? Ein Jahr Präsidentschaft Donald J. Trump

David Sirakov, Atlantische Akademie

Was für ein Jahr! Nach einem beispiellosen Wahlkampf 2016 und dem – wohl auch für sein Wahlkampfteam und ihn selbst – überraschenden Sieg wurde Donald J. Trump am 20. Januar 2017 zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika vereidigt. Und das erste Jahr seiner Amtszeit stellte eine Fortführung der Beispiellosigkeit des Kandidaten dar, die in so manchem weiteren Attribut mündete.

Unprofessionell, unvorbereitet, uninteressiert und unwissend? Trump und das politische Tagesgeschäft

Bereits der Start der Administration wurde als unprofessionell bezeichnet. Der Nominierungs- und Bestätigungsprozess der etwa 630 Schlüsselpositionen verläuft äußerst schleppend und das, obwohl der Präsident auf eine wenn auch knappe Republikanische Mehrheit im für die Bestätigung der Personalfragen zuständigen Senat verfügt. Bislang sind mit lediglich 241 gerade mal 38 Prozent dieser Positionen besetzt. Beispielsweise im Außenministerium befindet sich unter den vakanten Stellen der stellvertretende Minister für Demokratie, Menschenrechte und Arbeit oder für Afrika. Die Botschafter für Ägypten, Jordanien und Saudi-Arabien fehlen ebenso wie die für Belgien, Österreich, Ungarn oder Südkorea. Mit Richard Grenell ist zwar ein Kandidat für den Botschafterposten in Berlin bereits seit September 2017 nominiert, die Bestätigung gestaltet sich ob des Widerstands der Demokraten allerdings schwierig, weshalb die Nominierung für das Jahr 2018 formell erneut angestoßen werden musste.

Die schleppende Besetzung der Positionen ist dabei insbesondere auf zwei Umstände zurückzuführen: Zum einen hatte die Administration bereits während des Wahlkampfs erhebliche Schwierigkeiten, Experten für die verschiedenen Politikfelder zu rekrutieren. Diese weigertensich schlichtweg, mit dem Wahlkampfteam zusammenzuarbeiten und auch seit Januar 2017 scheinen die Befürchtungen weiterhin virulent zu sein, mit dem Wechsel zur Administration setze man die eigene Reputation aufs Spiel. Zum anderen zeigte die Administration und dabei vor allem Donald Trump selbst wenig Interesse an Experten und Expertise. Abzulesen ist das vor allem am engeren Beraterkreis Trumps und der für ein Jahr Amtszeit bemerkenswert hohen Fluktuation. Bereits wieder verlassen haben die Administration Regierungssprecher Sean Spicer, Nationaler Sicherheitsberater Michael Flynn, Stabschef Reince Priebus, Chefstratege Stephen Bannon, Kommunikationsdirektor Anthony Scaramucci und Gesundheitsminister Tom Price.

Die bisweilen suboptimalen Personalentscheidungen führten dann auch gerade zu Beginn der Administration zu schlecht vorbereiteten und/oder umgesetzten Politikentscheidungen, wie die Exekutivanordnung 13769 vom 27. Januar 2017 beispielhaft veranschaulicht. Sie ist als Travel oder Muslim Ban in die Geschichte eingegangen und wurde mehrfach durch Bundesgerichte gestoppt. Es bedurfte wiederholter Überarbeitungen bis der Oberste Gerichtshof der USA die Anordnung in Kraft treten ließ.

Diese gesamte Entwicklung wird begleitet von einem Präsidenten, dem fehlendes Interesse an dem institutionellen Gefüge, den politischen Prozessen und der Gesetzgebung nachgesagt wird. Hier liegt wohl dann auch ein Grund für seine erratische Herangehensweise, die häufigen Meinungsänderungen (flip-flop) und fehlerhaften Darstellungen. So bezeichnete er das im Repräsentantenhaus am 4. Mai 2017 verabschiedete Gesetz zur Abschaffung und den Ersatz der ObamaCare genannten Gesundheitsreform in einer Feierstunde als „incredibly well crafted“, um einen Monat später zu behaupten, der Entwurf sei „mean“ (Siehe hierzu den Beitrag von Betsy Leimbigler). In einem Interview mit der New York Times behauptete er, der Direktor des FBI berichte direkt dem Präsidenten, obwohl dies nicht zutrifft (der Direktor ist dem Justizminister auskunftspflichtig). Jüngstes Beispiel ist ein Tweet, in dem Präsident Trump die erneute Autorisierung des FISA act (ermöglicht unter anderem die Überwachung von Ausländern auf US-Gebiet) in Zweifel zieht und damit die Position der eigenen Regierung konterkarierte.

Im Gegensatz zu seinen Vorgängern, die als Gouverneure, Senatoren oder im Militärdienst im politischen Prozess Erfahrungen gesammelt hatten, kommt Trump aus der Immobilien- und vor allem Unterhaltungsbranche und scheint seinen dortigen Erfolg als besondere Qualifikation für das Präsidentenamt anzusehen. So äußerte er sich zur Diskussion über seinen mentalen Zustand auf dem von ihm bevorzugten Kommunikationskanal Twitter wie folgt: „I went from VERY successful businessman, to top T.V. Star..... to President of the United States (on my first try). I think that would qualify as not smart, but genius....and a very stable genius at that!

Unglaubwürdig, ‚unpräsidentiell’ und unpopulär,...

Dies führt geradewegs zu einer weiteren der Administration und dem Präsidenten zugewiesenen Eigenschaft, nämlich ihrer Unglaubwürdigkeit. Bereits der erste Tag im Weißen Haus sollte den Ton der kommenden Monate setzen. Der damalige Regierungssprecher Sean Spicer hatte sich in die Behauptung versteift, die Menschenmenge anlässlich der Amtseinführung Trumps sei größer gewesen als während der Inauguration seines Vorgängers Barack Obama. Bilder des National Park Service sowie Aufnahmen verschiedener Fernsehsender zeigten dabei eindeutig das Gegenteil, was Spicer und Trump dazu veranlasste, die entsprechende Berichterstattung als Fake News zu brandmarken, dem Lieblingsvorwurf des Präsidenten in Richtung Medien. Das schwierige Verhältnis des Präsidenten zur Wahrheit setzte sich auch in den darauffolgenden Monaten fort. Entlang der Analyse der New York Times hat Trump in den ersten 10 Monaten seiner Amtszeit 103 Unwahrheiten oder Lügen vertreten. Die Website PolitiFact, die Äußerungen von Politikern auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüft, kommt bei ihren Recherchen auf 37 überwiegend falsche sowie 49 falsche Aussagen. In 12 Fällen bezeichnete die Redaktion Trumps Einlassungen mit dem Ausdruck „Pants on Fire“, der eine klare und offensichtliche Lüge markiert.

Der leichtfertige Umgang mit der Wahrheit findet durch Trumps Neigung zu Schmähtiraden auf Twitter noch Verstärkung. Da greift er die Moderatorin der MSNBC-Morgensendung „Morning Joe“, Mika Brzezinski, persönlich und auf frauenverachtende Weise an, lässt sich in der Fehde mit den so genannten Mainstream-Medien zur Äußerung verleiten, sie seien nicht sein Feind, sondern der Feind des amerikanischen Volkes, ‚tröstet’ die Witwe eines gefallenen Elite-Soldaten mit der Bemerkung, er habe ja gewusst, worauf er sich einlasse, oder facht mit dem Führer Nordkoreas, Kim Jong-un, einen Streit über die Größe der jeweiligen Nukleararsenale und – ja, auch das ist passiert – die des berühmten „roten Knopfes“ an. Die Ansicht, dass diese Verhaltensweise ‚unpräsidentiell’ sei, teilen viele – auch Republikaner.

Doch es gab noch mehr. Bereits im Wahlkampf machte der Präsident mit rassistischen Äußerungen auf sich aufmerksam, als er Mexikaner als Vergewaltiger, Diebe und Mörder bezeichnete. Dass damit in seiner Präsidentschaft offenbar nicht Schluss sein sollte, bewies Trump mit seinem Verhalten im Nachgang der rechten Ausschreitungen in Charlottesville, Virginia. Offensichtlich war er nicht bereit, sich vom rechtsextremen, nationalistischen, antisemitischen und rassistischen Teil seiner Anhängerschaft loszusagen. Die Behauptung, es habe gute Menschen auf beiden Seiten gegeben, war nicht nur eine Verharmlosung der Vorgänge, sie ließ vielmehr die Vermutung zu, dass sich Trump mit den rechten Schlägern gemein machte. Insofern ist seine abfällige Äußerung während Beratungen zur Einwanderungsgesetzgebung, in der er afrikanische Länder als „Dreckslöcher“ bezeichnete und die Frage stellte, warum man die Menschen von dort und Haiti in die USA ließe, bedauerlicherweise keine Überraschung mehr.

In der Summe schlägt sich der weitgehend negative Eindruck, den der Präsident und seine Administration in der Öffentlichkeit hinterlassen, auch in der Zustimmungsrate nieder. Trump startete in seine Amtszeit mit einem Rekord. Es brauchte lediglich acht Tage, bis die Unzufriedenheit mit ihm die 50-Prozent-Marke erreichte. Bis auf eine Ausnahme (Umfrage am 3. Oktober 2017) sollte sich dieser Wert auch nicht mehr unter dieser Marke wiederfinden. Die Zustimmung ist entsprechend niedrig und liegt bei lediglich 38 Prozent (Stand: 16. Januar 2018).

...aber erfolgreich!

Bis vor wenigen Wochen hätte man diesen Präsidenten wohl auch als weitestgehend erfolglos – oder um im Tenor zu bleiben als ‚unsuccessful’ – bezeichnet. Die im Wahlkampf versprochene völlige Abschaffung von ObamaCare wich in den ersten Monaten der Erkenntnis, dass „(n)obody knew health care could be so complicated“ und letztlich dem Scheitern der Republikanischen Anstrengungen im US-Kongress. Doch insbesondere die erfolgreich verabschiedete Steuerreform hat den Eindruck verändert.

Aus Sicht Trumps Kernwählerschaft und weiter Teile der Republikanischen Partei gesellen sich weitere Erfolge hinzu. So wurde Neil Gorsuch zum Richter am Obersten Gerichtshof ernannt, der Travel (Muslim) Ban mithilfe der konservativen Mehrheit des Gerichtes bestätigt, aus dem asiatischen Freihandelsabkommen Trans Pacific Partnership ausgestiegen, Jerusalem als Hauptstadt Israels (siehe insgesamt zur Außenpolitik den Beitrag von Andrea Rotter) anerkannt. Die Terrororganisation Islamischer Staat ist auf dem Rückzug und zentrale Entscheidungen der Obama-Administration wurden zurückgenommen, wie bspw. der Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen, dem Rückbau von Maßnahmen zum Klima- und Umweltschutz in den USA.

Gerade Letzteres macht die begrenzten Möglichkeiten von Regierungshandeln in den USA in den letzten Jahren sehr deutlich. Eingeschränkt durch unterschiedliche Mehrheiten im US-Kongress (divided government) und den hohen Grad an Polarisierung zwischen den Demokraten und Republikanern, blieb Trumps Vorgänger Obama in wichtigen politischen Fragen der gesetzgeberische Weg zumeist versperrt. Abhilfe hatten dann Exekutivanordnungen (executive orders) geschaffen. Diese können aber durch die nachfolgende Administration deutlich einfacher als Gesetze wieder einkassiert werden. So geschehen mit dem Großteil der Obama-Agenda (siehe auch den Beitrag von Boris Vormann).

Ob – wie von der Administration behauptet – die positive wirtschaftliche Entwicklung in den USA auf die Politik oder angesichts noch fehlender gesetzgeberischer Maßnahme die schiere Anwesenheit Donald Trumps im Weißen Haus zurückzuführen ist, sei dahingestellt. Sein Wahlkampfversprechen, das Wirtschaftswachstum auf mindestens vier Prozent zu heben, hat er in seinem ersten Amtsjahr verfehlt. Die Frage wird sein, inwiefern sich die nun vorgenommenen Reformen für die USA und insbesondere die Wählerschaft Trumps nachhaltig positiv auswirken werden (siehe den Beitrag von Holger Janusch).

Zustand kognitiver Dissonanz. Ein Ausblick

Für den Blick in die Zukunft sind zuvorderst drei Aspekte von Bedeutung:

Erstens werden uns das Potpourri an fragwürdigen Verhaltensweisen, grenzüberschreitenden oder zumindest irritierenden Äußerungen und der sehr eigene Umgang mit Fakten auch 2018 in Atem halten und das Gefühl eines dauerhaften Zustands kognitiver Dissonanz wird nicht weichen. Gut möglich, dass die Angriffe gegen die Medien (zur Rolle der Medien siehe den Beitrag von Damian Radcliffe) und den politischen Gegner noch ausgeweitet werden, steht insbesondere aus Sicht von Vertretern der Demokratischen Partei am 6. November 2018 doch die wichtigste Zwischenwahl seit Jahrzehnten ins Haus. Seit der Wahl Donald Trumps erfahren die Demokraten und Graswurzelbewegungen wie MoveOn.org oder Indivisible einen deutlich gestiegenen Zulauf (siehe den Beitrag von Sarah Wagner). Die Wahl von Doug Jones zum Senator des ansonsten Republikanisch dominierten Alabama war ein deutlicher Fingerzeig, dass die kritische Sicht auf die Trump-Administration gepaart mit einem vorsichtig formuliert speziellen Republikanischen Kandidaten (in diesem Fall Roy Moore) auch in konservativen Hochburgen zu einem Umschwung zugunsten der Demokraten führen kann. Auch wenn alle Wahlkreise verteidigt werden konnten, zeigten bereits die special elections für Sitze im Repräsentantenhaus in Georgia (6. Distrikt), South Carolina (5. Distrikt), Montana, Kansas (4. Distrikt) und Utah (3. Distrikt) deutliche Verluste von durchschnittlich 17,5 Prozent auf Republikanischer Seite. Es wird sich zeigen müssen, ob die Demokraten die Mobilisierung ihrer Basis aufrechterhalten können.

Zweitens werden uns die Untersuchungen der Verbindung zwischen der Trump-Wahlkampagne und Russland durch den Sonderermittler Robert Mueller weiterhin beschäftigen. Die Kontakte von Mitgliedern des Wahlkampfteams mit Vertretern russischer Geheimdienste sowie des Kremls während des Wahlkampfs und in der Übergangsphase nach der Wahl sind zahlreich, vielfältig und durchaus besorgniserregend. Ebenso wie die daraus resultierenden möglichen Vorwürfe gegenüber Trump und seinen (ehemaligen) Beratern. Sie reichen vom Bruch des Computer Fraud and Abuse Act, über Behinderung der Justiz bis hin zu Spionage. Indirekt spielt dabei auch der Ausgang der Zwischenwahlen eine Rolle, da das ohnehin sehr schwierige Verfahren der Amtsenthebung (Impeachment) nur mit einem von den Demokraten dominierten Kongress vorstellbar ist.

Und drittens sind da ja noch die ausstehenden Wahlkampfversprechen. Der Bau einer Mauer zu Mexiko ist Bestandteil der laufenden Haushaltsverhandlungen, doch die Demokraten haben eine Zustimmung mit dem dauerhaften Schutz der als Kinder mit ihren Eltern in die USA illegal eingewanderten Dreamers (DACA) verknüpft. Ein 550 Mrd. US-Dollar umfassendes Infrastrukturpaket ist noch nicht in Angriff genommen worden und das Zeitfenster für eine Einigung im Kongress ist im Wahljahr begrenzt. Beim Versprechen, Arbeitsplätze im produzierenden Gewerbe wieder zurück in die USA zu holen, hat sich die Administration bislang weitestgehend auf den freien Markt und die nun verabschiedete Steuerreform zu verlassen. In der Handelspolitik verhandelt Trump das nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA) neu und läuft Gefahr, bei einem Scheitern die wirtschaftliche Prosperität der Vereinigten Staaten zu riskieren.

Die Entwicklung in diesen drei Bereichen wird den Verlauf dieses Jahres, die Wahlchancen der Demokraten und Republikanern in den Zwischenwahlen und mithin die Zukunft der Trump-Administration maßgeblich bestimmen. Es bleibt spannend.

Über den Autor

Dr. David Sirakov ist Direktor der Atlantischen Akademie. Er studierte Politikwissenschaft und Öffentliches Recht an der Universität Trier und wurde an der TU Kaiserslautern über die Beziehungen zwischen Russland und den Vereinigten Staaten von Amerika promoviert. Er arbeitete als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Politikwissenschaft der Technischen Universität Kaiserslautern und war Studienleiter der Atlantischen Akademie von 2009 bis 2014. Auf Einladung der Warburg Chapters des American Council on Germany referierte Dr. Sirakov im September 2016 auf einer Vortragsreise durch die Vereinigten Staaten über den Aufstieg und die Herausforderungen des Populismus in Europa und den USA. Seine Forschungsschwerpunkte sind u.a. die US-Innenpolitik mit besonderem Schwerpunkt auf die politische Polarisierung, die Außenpolitik der USA und Russlands sowie der Vergleich politischer Systeme.

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