Ergebnisse und Implikationen des Wahltags in den USA

von Dr. David Sirakov

Gerade mal zwei Tage vor den Off-Year Elections, also den Wahlen in den USA, die sich zwischen den Kongresszwischen- und Präsidentschaftswahlen befinden, sorgte eine Umfrage der New York Times und dem Siena College für Aufsehen. In fünf und damit fast allen umkämpften Bundesstaaten (Arizona, Georgia, Michigan, Nevada und Pennsylvania) führe, so die Demoskopen, der ehemalige Präsident Donald Trump deutlich vor seinem Nachfolger Joe Biden. Mit diesem für das Weiße Haus und die Demokraten unangenehmen Nachrichten ging es in den gestrigen Wahldienstag, der – zugegebenermaßen – ein recht übersichtlicher war.

Die Ergebnisse

In insgesamt 12 Bundesstaaten ging es wahlweise um die Bestimmung von Gouverneuren, Secretaries of States, Generalstaatsanwält*innen, einzelner "Landtags"-Abgeordnete*r, Bürgermeister*innen oder auch über Entscheidungsvorschläge. Dabei stachen insbesondere vier Bundesstaaten heraus: Kentucky, Mississippi, Ohio und Virginia.

Im ansonsten Republikanisch dominierten Kentucky setzte sich mit Andy Beshear der Demokratische Amtsinhaber in den Gouverneurswahlen durch und konnte dabei seinen Vorsprung gegenüber seinem Republikanischen Herausforderer im Vergleich zu 2019 von 0,4 auf 5,8 Prozentpunkte ausbauen. Ähnlich, allerdings mit umgekehrten parteipolitischen Vorzeichen, verliefen die Gouverneurswahlen in Mississippi. Hier gewann der Republikanische Amtsinhaber Tate Reeves und konnte seinerseits den Vorsprung von 5,1 auf 6,4 Prozent vergrößern. Ebenso wenige Überraschungen hielten die Wahlen in New Jersey, New York und Pennsylvania bereit. In ersterem wurde die Demokratische Trifecta, die Dominanz im Gouverneursamt, der State Assembly sowie dem State Senate, für die sechste Legislatur in Folge bestätigt. In New York wurden alle zur Wahl stehenden Mitglieder des Stadtrats (allesamt Demokrat*innen) wiedergewählt und auch in Pennsylvania blieben die Positionen der Bürgermeisterin von Philadelphia sowie ein Sitz des Obersten Gerichtshofes in der Hand der Demokraten.

Für Überraschungen sorgten hingegen die Wahlen in Virginia und Ohio. Während der Republikanische Gouverneur Glenn Youngkin nicht zur Wahl stand, ging es in Virginia darum, ob es den Republikanern gelänge, auch das State House of Delegates zu erobern und eine Trifecta zu erreichen. Doch Youngkins Zwischenwahlen gingen völlig anders aus. Nicht nur konnten die Demokraten das House verteidigen, sondern auch die Wahl des State Senate für sich entscheiden. Dies wird für enormen Druck auf Gouverneur Youngkin sorgen, der mit einem Vermittlungsvorschlag wenige Tage vor dem Urnengang für Virginia die Rolle der Speerspitze der von den Republikanern verfolgten landesweiten Einschränkung von Schwangerschaftsabbrüchen vorsah. Die Demokraten ihrerseits machten eben dieses Thema zu ihrem zentralen Wahlkampfthema und obsiegten.

In die gleiche Richtung deuten die Ergebnisse aus Ohio. In dem von einer Republikanischen Trifecta regierten Bundesstaat standen zwei Vorschläge zur Abstimmung: Die verfassungsrechtliche Verankerung des individuellen Rechtes über die eigenen reproduktiven Entscheidungen, welches das Recht auf Schwangerschaftsabbruch einschließt, sowie die Legalisierung des Besitzes und der Verwendung von Marihuana für Personen über 21. Da die Legislative sowie der Gouverneur von Ohio nicht zur Wahl standen, nutzten die Bürger*innen die Möglichkeit eines Volksentscheids, um ihrem Missfallen über die politische Richtung ihres Bundesstaates in den beiden Themengebieten Ausdruck zu verleihen. Intressant wird in diesem Zusammenhang auch das kommende Jahr, in dem das State House sowie der State Senate zur Wahl stehen werden. Die Demokraten in Ohio werden – auch angetrieben von den Erfahrungen in Virginia – das Recht auf Schwangerschaftsabbruch zu einem zentralen Thema machen. Ob die nun gefällte Entscheidungen die Schlagkraft dieses politischen Arguments schwächt, wird sich zeigen müssen.

Is all politics local? Die Implikationen des Wahltags

Trotz der schlechten Zahlen in der NYT/Siena-Umfrage kann der gestrige Wahltag als großer Erfolg für die Demokratische Partei gewertet werden. Doch inwiefern spielt das für die Bundesebene eine Rolle? 

Die Antwort auf diese Frage ist keine leichte, unterliegen den Wahlentscheidungen in den Einzelstaaten häufig regionale oder lokale Beweggründe. Gerade die Wahlen von Bürgermeister*innen, Stadträt*innen oder auch Commissioners hat mit den Herausforderern vor Ort zu tun. Allerdings leben wir in einer Zeit, in der das Regionale oder Lokale eben nicht mehr so einfach vom Nationalen zu trennen ist. Die diesjährigen Wahlen in den USA haben das eindrücklich gezeigt. Die Entscheidung des Supreme Courts der Vereinigten Staaten vom 24. Juni 2022, die Gesetzeskompetenz für die Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen an die Einzelstaaten zu geben, wirkt sich explizit auf die Bundesstaaten aus und die Bürger*innen können direkten Einfluss auf diese Entscheidungen bei den Wahlen nehmen. 

Natürlich geben die Ergebnisse vom 7. November 2023 kaum bis gar keine Hinweise auf den Wahlausgang am 5. November 2024. Gleichwohl zeigen sie zum einen die Wirkmächtigkeit bestimmter Wahlkampfthemen (bspw. das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche) auf, zum anderen relativieren sie die Momentaufnahme, die die NYT/Siena-Umfrage gibt. Denn es ist durchaus interessant, dass sich die miserablen Umfragewerte des amtierenden Präsident Joe Biden (Gallup-Zustimmung: 37 Prozent; NYT/Siena-Wahlentscheidung: 47 Prozent) überhaupt nicht in den Wahlergebnissen niederschlagen. Die möglichen Gründe hierfür sind vielfältig: Die Menschen, die an den Umfragen teilnehmen, sind nicht diejenigen, die wählen gehen. Die Gewichtungen und damit Fehlerspanne in der Auswertung der Umfrage ist nicht zutreffend. Die nun anlaufenden Prozesse gegen den Frontrunner der Republikaner Donald Trump kommen die Republikaner teuer zu stehen. Oder die einzelstaatlichen Beweggründe überwiegen dann doch die nationale Politik.

Alles in allem ergibt sich ein Jahr vor den Präsidentschafts- und Kongresswahlen ein sehr gemischtes Bild. Die Demokraten kämpfen mit schlechten Umfragewerten und einem Präsidenten, dessen politische Bilanz von der ideologischen Polarisierung und der Diskussion über sein Alter in den Schatten gestellt wird. Die Republikaner ringen um ihre Einigkeit und machen nicht den Eindruck, sich vom in 92 Punkten angeklagten Ex-Präsidenten Donald Trump zu lösen. Das nun kommende Jahr mit den Republikanischen Vorwahlen, der wahrscheinlichen Nominierung Joe Bidens als Demokratischen Kandidaten und dem sicherlich überaus polarisierten Wahlkampf wird nicht nur die USA in Atem halten.