Nahezu jeder US-Präsident hat sie in seiner Amtszeit erlebt: Die große Bewährungsprobe, an der sich festmacht, ob er die notwendigen Führungsqualitäten besitzt und in der Lage ist, Krisen zu managen und letztlich erfolgreich zu bewältigen. George H.W. Bush und die Deutsche Einheit, Bill Clinton und die Unsicherheit nach dem Ende des Kalten Krieges sowie das Impeachment-Verfahren, George W. Bush und die Anschläge des 11. September 2001 mit samt den bis heute andauernden Folgen als auch Barack Obama und die Finanzkrise von 2008/2009. Und auch – oder sollte man sagen gerade – die Amtszeit des amtierenden Präsidenten Donald Trump ist geradezu gespickt von Krisen, kleinen wie großen. Angefangen bei den Herausforderungen durch den Klimawandel, über die Zerwürfnisse mit den engsten Partnern und den militärischen Konflikten im Irak, in Afghanistan oder Syrien, bis hin zur innenpolitischen Gemengelage und dem gescheiterten Amtsenthebungsverfahren.
Doch all das verblasst vor der Dimension der Bedrohung durch das sich schnell ausbreitende und für bestimmte Risikogruppen in der Gesellschaft besonders gefährliche Coronavirus Sars-CoV-2. Es ist der Lackmustest für diesen Präsidenten, bei dem die für ihn ansonsten übliche Strategie der Opferrolle (Schuld sind die Anderen) nicht ausreichen wird, vor allem vor dem Hintergrund, dass entlang von Berechnungen des Imperial College London mit bis zu 2,2 Millionen Toten in den USA binnen fünf Monate (März bis August) gerechnet werden muss. Eine Größenordnung, die noch nicht einmal annähernd durch die Addition der gefallenen Amerikaner*innen im Bürgerkrieg, den beiden Weltkriegen sowie den Konflikten in Vietnam, Afghanistan und Irak erreicht wird. Damit hat es Präsident Trump mit einer Krise von in dieser Form noch nie dagewesenem Ausmaß zu tun. Von den wirtschaftlichen Effekten angesichts eines Verfalls des Dow Jones von über 31 Prozent (9.260 Punkte) innerhalb eines Monats, was in diesem Beitrag gleichwohl nicht im Mittelpunkt stehen wird, ganz zu schweigen.
Dieser Moment hätte die Chance für Donald Trump sein können, die häufig versprochenen Qualitäten als weitsichtigen Krisenmanager unter Beweis zu stellen. Doch dem Präsidenten stehen insbesondere drei Dinge im Wege: Seine populistische Grundhaltung, sein pathologisches Desinteresse, ja seine Ignoranz gegenüber einem Großteil an Themen sowie ein – auch, aber nicht ausschließlich durch sein Zutun – für eine Pandemie schlecht aufgestelltes amerikanisches Gesundheitssystem.
Welche Bedrohung? Das bisherige Krisenmanagement der Trump-Administration
Der Verlauf der Krisenreaktion der Trump-Administration folgt dann auch einem bekannten Muster: Es wird so lange alles geleugnet, bis es nicht mehr geht, um dann wechselweise zu behaupten, es seien alle anderen Schuld oder man habe alles von Anfang an gewusst und im Griff gehabt.
Der erste bekannte Corona-Fall in den USA datiert zurück auf den 19. Januar 2020, wobei es sich um einen Wuhan-Heimkehrer im Bundesstaat Washington handelte, der vier Tage zuvor wieder einreiste. Angesichts dieses Falls sah sich Präsident Trump gezwungen, der Öffentlichkeit zu versichern, dass alles unter Kontrolle sei. Und auch in den Folgewochen versuchte Trump die sich in den USA zuspitzende Situation herunterzuspielen. Am 26. Februar 2020 äußerte sich der Präsident vor der Presse mit den Worten: „The risk to the American people remains very low“ und widersprach damit den Darstellungen des Gesundheitsministers Alex Azar, der am Vortag in einer Senatsanhörung die Verbreitung des Coronavirus als „unprecedented potential severe health challenge globally“ bezeichnete. Noch am 9. März 2020 und trotz der zu jenem Zeitpunkt immer stärker ansteigenden Infektions- (546) und Todeszahlen (22) bemühte der Präsident auf dem Nachrichtendienst Twitter den mehrfach auch von den eigenen Experten als irreführend nachgewiesenen Vergleich zur Influenza-Grippe und dessen Sterberaten. Der Direktor des National Institute for Allergy and Infectious Disease (NIAID), Dr. Anthony Fauci, wurde am 11. März 2020 in einer Anhörung des Repräsentantenhauses sehr deutlich:
„I can say we will see more cases, and things will get worse than they are right now. How much worse we'll get will depend on our ability to do two things: to contain the influx of people who are infected coming from the outside, and the ability to contain and mitigate within our own country."
Doch ungeachtet dieser klaren Aussagen, die vermutlich in den Briefings für den Präsidenten noch deutlicher ausfielen, hielt Trump noch weitere sechs Tage daran fest, der Öffentlichkeit zu suggerieren, man habe die Situation unter Kontrolle: „This is a very contagious — this is a very contagious virus. It’s incredible. But it’s something that we have tremendous control over.“
Der Ton des Präsidenten veränderte sich erst am 17. März 2020, nachdem die US-Börsenindizes Dow Jones und S&P 500 sowie die Technologiebörse NASDAQ zwischen 12 bis 13 Prozentpunkte einbrachen. Hinzu kamen neue Höchststände bei den Infizierten (6.300) und Toten (108). Die nicht aufzuhaltende Verbreitung des Coronavirus konnte durch den Präsidenten nicht mehr länger geleugnet werden und seine Kommunikationsstrategie änderte sich vollständig. In einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Vizepräsident Mike Pence und der Coronavirus Task Force behauptete der Präsident nun, es handele sich um eine Pandemie, die er schon länger als alle anderen als solche identifiziert habe: „I’ve always known this is a — this is a real — this is a pandemic. I’ve felt it was a pandemic long before it was called a pandemic.“ Dabei hatte Trump noch etwa einen Monat zuvor (22. Januar 2020) in einem Interview mit CNBC auf die Frage, ob die für die Bekämpfung des Coronavirus verantwortlichen Centers for Disease Control and Prevention (CDC) und damit die Administration die Möglichkeit einer Pandemie in Betracht ziehen, entgegnet: „No, not at all. And we have it totally under control“ (0:26-0:34).
Die Kehrtwende in der Einschätzung durch den Präsidenten führte dann auch dazu, dass man ihm – in diesem Fall doch viel zu beschönigend – „rewriting history“ vorwarf. Der Begriff ‚lügen‘ hätte sein Vorgehen wohl treffender beschrieben.
Angesichts der enormen Schwierigkeiten der Administration, auf diese Krise angemessen zu reagieren, verlegte sich der Präsident auf seine gewohnte Ablenkungsstrategie: das Identifizieren vermeintlicher Schuldiger. Hierfür ging er dazu über, den Coronavirus durchgehend als „Chinese Virus“ zu bezeichnen. Dem prompten Vorwurf des Rassismus entgegnete das Weiße Haus mit dem Verweis auf die Krankheitsbezeichnungen ‚Spanische Grippe‘, ‚West-Nil-Virus‘, ‚Zika‘ und ‚Ebola‘, die allesamt nach Regionen benannt sind, in denen sie ihren vermeintlichen Ausgang nahmen. Dieser Verteidigungsversuch greift allerdings aus zwei Gründen zu kurz. Erstens handelt es sich bei allen durch das Weiße Haus genannten Krankheits- und/oder Erregerbezeichnungen um offizielle wissenschaftliche Benennungen. Bei deren Findung hat die Wissenschaftsgemeinschaft zumindest in den vergangenen Jahrzehnten aus der Erfahrung gelernt, die Stigmatisierung für konkreter Orte und ihre Bewohner zu vermeiden. Das Ebola-Virus ist dabei ein interessantes Beispiel. Zwar brach der Virus ursprünglich im kongolesischen Dorf Yambuku erstmals aus, doch aus Rücksicht auf den Ort und seine Bevölkerung entschied man sich für Ebola, einem in der Nähe gelegenen Fluss. Zweitens ist das Vorgehen Donald Trumps ja nicht ohne Vorgeschichte. Der 45. Präsident der USA ist bekannt für seine wiederkehrenden rassistischen Ausfälle, sei es bspw. die Behauptung, bei den Angriffen durch Neonazis in Charlottesville habe es „sehr gute Menschen auf beiden Seiten“ gegeben oder die Bezeichnung bestimmter afrikanischer Staaten als „Dreckslöcher“ oder die Aufforderung gegenüber überwiegend in den USA geborenen schwarzen progressiven Abgeordneten des Repräsentantenhaus, sie sollten in „ihre Länder“ zurückkehren. Vor diesem Hintergrund wirkt die Wortwahl Trumps alles andere als unschuldig oder gar wissenschaftlich. Sie ist die gezielte Stigmatisierung und mithin die Ablenkung von der eigenen Unfähigkeit und Untätigkeit angesichts einer der größten Herausforderungen für wohl alle betroffenen Staaten.
Doch neben dem desaströsen Kommunikationsmanagement des Präsidenten hat das unzureichende Vorgehen der Regierung der Vereinigten Staaten in der Corona-Krise auch institutionelle Gründe, die zumindest teilweise auch auf den Präsidenten und seine Administration zurückgehen.
„That is a failing.“ Die bisherigen Antworten der Trump-Administration auf die Coronakrise
Wie gezeigt, fehlte lange Zeit im Weißen Haus die Bereitschaft, der sich anbahnenden Krise überhaupt zu begegnen. Damit einhergehend war auch die Reaktion der Administration und der CDC eher schleppend. Letztere richteten zwar am 7. Januar 2020 und damit bereits 7 Tage nach Bekanntwerden des Ausbruchs im chinesischen Wuhans ein Informationszentrum zum Coronavirus Sars-CoV-2 und zur Lungenkrankheit Covid-19 ein und begannen mit einer genauen Beobachtung der Lage. Die Untersuchung (Temperaturmessung und Symptomabfrage) von Einreisenden aus Wuhan erfolgte allerdings erst zehn Tage später und auch nachdem der erste Fall im Bundesstaat Washington bekannt wurde, veranlassten weder Verantwortliche im Bundesstaat noch auf nationaler Ebene die Verwendung von Tests zur Erkennung einer Verbreitung des Virus‘ nach seiner Einschleppung.
Am 29. Januar 2020 reagierte das Weiße Haus, indem es die President’s Coronavirus Task Force zunächst unter der Leitung des Gesundheitsministers Azar und später mit Vizepräsident Mike Pence an der Spitze einrichtete. Zwei Tage später untersagte der Präsident die Einreise von Ausländern, die binnen zweier Wochen zuvor in China gewesen waren. Angesichts dessen, dass der erste Fall ein US-Staatsbürger war und dieser bereits 15 Tage zuvor einreiste, fiel die Antwort der Administration zu spät und zu begrenzt aus. Und auch im weiteren Verlauf konzentrierten sich die Administration und die CDC ausschließlich auf eine weitere Einschleppung des Coronavirus von außen, anstatt den Blick ebenso nach innen zu richten.
Als dann am 25. Februar 2020 der erste Corona-Fall ohne jeden Reisehintergrund ebenfalls im Bundesstaat Washington auftrat, wurde schnell klar, dass sich der Virus unbemerkt über mehrere Wochen verbreiten konnte. Dennoch waren die CDC weiterhin nicht in der Lage, genügend Tests zur Verfügung zu stellen. Erst ab dem 15. März 2020 stieg die Anzahl der täglichen Tests auf über 10.000 pro Tag. Seit Beginn der Pandemie wurden in den USA dann auch erst 228.216 Tests (Stand: bis zum 22.03.2020) durchgeführt, was etwa dem Doppelten der momentanen Wochenleistung (etwa 160.000) in Deutschland entspricht. Das Versprechen des Präsidenten am 6. März 2020, dass jede*r getestet werden würde, die oder der dies auch wolle, entsprach bei weitem nicht den Tatsachen und musste vom NIAID-Direktor Fauci richtiggestellt werden: „It is a failing. Let's admit it. (…) The idea of anybody getting it easily - the way people in other countries are doing it - we're not set up for that. Do I think we should be? Yes. But we're not.”
Die Fehlentwicklung kann insbesondere auf einen allgemeinen und einen spezifischen Grund zurückgeführt werden. Ersterer betrifft die Verschmelzung des von Barack Obama als Reaktion auf die Ebola-Krise eingeführten Directorate for Global Health Security and Biodefense im Nationalen Sicherheitsrat mit zwei anderen Direktoraten durch die Trump-Administration im Sommer 2018. Hierdurch hat man sich offensichtlich die Vorteile (zentrales Monitoring, Koordination und Kommunikation) einer eigenen Abteilung genommen, die bei der Pandemie-Planung besonders wichtig gewesen wären. Der spezifische Grund bezieht sich auf die Entscheidung der CDC, nicht auf den von der Weltgesundheitsorganisation zur Verfügung gestellten und vom Virologie-Team der Berliner Charité unter Leitung von Christian Drosten entwickelten 2019-nCoV-Test zurückzugreifen, sondern einen eigenen Test zu entwickeln. Dabei kam es zu Herstellungsfehlern und mithin deutlichen Verzögerungen.
Auf die Probleme bei der Testherstellung und das Eingeständnis Faucis angesprochen sowie verbunden mit der Frage, ob er die Verantwortung hierfür übernehme, entgegnete Präsident Trump: „I don’t take responsibility at all!”
Diese gibt Trump viel lieber an externe und sowieso unliebsame Partner ab, nämlich die Europäer. In einer mit Fehlern und Ungereimtheiten gespickten Fernsehansprache verkündete er am 11. März 2020 einen 30-tägigen Einreisestopp für alle 26 Staaten im Schengen-Raum. Garniert war diese weder mit den europäischen Einzelstaaten noch mit der EU abgestimmte Entscheidung mit dem Vorwurf, die Europäer hätten zu spät auf die Krise reagiert und somit zur Notlage in den USA entscheidend beigetragen. Darin zeigte sich ein ebenfalls altbekanntes Muster Trumps: Mittels Beschuldigungen anderer von den eigenen Unzulänglichkeiten ablenken.
Die Unfähigkeit von Populisten, Krisen zu managen
Gerade die Unwilligkeit Donald Trumps für die Fehlentwicklungen in seiner Administration die Verantwortung zu übernehmen, zeigt eindrücklich die Verhaltensweisen eines Populisten auf. Und auch insgesamt hilft der Blick in den Populismusbegriff, um eine Antwort auf die Frage zu finden, warum die bisherige Bilanz der Trump-Administration im Corona-Krisenmanagement so desaströs ausfällt.
Zur Erinnerung, Populisten zeichnen sich dadurch aus, dass sie die Gesellschaft in zwei – nach ihrer Definition – homogene Teile aufteilen: dem ‚wahren‘ Volk und einer korrupten Elite. Unter Letzterer versteht Trump vornehmlich die politischen und administrativen Eliten, die er als „Establishment“ und „Deep State“ bezeichnet. Damit einher geht ein tiefes Misstrauen gegenüber Experten, die nach Meinung des Präsidenten für den Niedergang der Vereinigten Staaten verantwortlich und mithin entbehrlich seien, und die Entwicklung einer Anti-Expertise-Administration in den vergangenen dreieinhalb Jahren. Diesen Experten und ihren Einschätzungen bereits vor, dann zu Beginn und schließlich inmitten einer Pandemie Glauben zu schenken und ihre Politikempfehlungen umzusetzen, widerspricht eben diesem von Trump gehegten Misstrauen.
Mit Blick auf das ‚wahre‘ Volk proklamieren Populisten, dass es einen Gemeinwillen verfolge, den sie, die Populisten, - und nur sie – repräsentieren. Sie geben demnach vor, zu wissen, was das Volk denkt und nur sie wissen auch, was zu tun sei. „I alone can fix it“, formulierte es Trump in seiner Dankesrede anlässlich der Nominierung zum Republikanischen Präsidentschaftskandidaten im Juli 2016. Diese Haltung mag angesichts vermeintlich diffuser Bedrohungen wie dem Klimawandel, deren Auswirkungen im Zweifel als Verschwörungen politischer Gegner abgetan werden können, funktionieren. Ein Virus hingegen, der potenziell vielen Millionen von Amerikaner*innen binnen weniger Monate das Leben oder zumindest die Gesundheit kosten und den Zusammenbruch des US-Gesundheitssystem herbeiführen kann, eignet sich für diese populistische Vorstellung von Politik, Gesellschaft und Legitimität nicht. Eine solche konkrete Bedrohung, die ein weitsichtiges Krisenmanagement bedarf, offenbart vielmehr die Unfähigkeiten von Populisten wie Donald Trump. Da hilft dann auch das Bemühen der Identitätspolitik und das Verantwortlichmachen von Chinesen und Europäern nicht wirklich weiter.
Doch ob dies letztlich zur Entzauberung von Populisten führt und ihren Wählern zur Warnung gereicht, bleibt abzuwarten. Laut einer ABC News/Ipsos-Umfrage vom 19. März 2020 befürworten 55% der befragten Amerikaner*innen das Krisenmanagement Trumps, während 43% unzufrieden mit dem Vorgehen des Präsidenten sind. Noch in der Vorwoche fielen die Zahlen nahezu umgekehrt aus. Doch schlussendlich wird sich der Präsident an den Infizierten- und vor allem Totenzahlen messen lassen müssen.