Trubel zu Thanksgiving? Die öffentlichen Anhörungen im Repräsentantenhaus

von Sarah Wagner, M.A.

Die öffentlichen Anhörungen in den Ermittlungen des Amtenthebungsverfahrens haben in den USA begonnen. Die Transkripte der in nicht-öffentlichen Anhörungen bereits befragten Personen standen zwar schon online zur Verfügung (KentTaylorYovanovitch), doch das Interesse in den USA und der Welt an den Anhörungen der Vertreter*innen des State Departments war groß. Was lässt sich also nach der Befragung der drei Diplomat*innen am Ende der ersten Woche feststellen? Bereits vorab wurde eines ganz klar: die parteipolitischen Gräben in den USA und im Kongress sind enorm. 

Der Geheimdienstausschuss

Die Anhörungen im House Intelligence Committee wurden durch den Vertreter der Mehrheitspartei im Repräsentantenhaus, den Demokraten Adam Schiff (CA-28), geleitet. Im Ausschuss sitzen 13 Demokraten und 9 Republikaner. Zu Beginn der Anhörungen eröffnen die ranghöchsten Vertreter der beiden Parteien, Chairman Schiff (D-CA) sowie der Republikaner Devin Nunes (CA-22), mit ihren Statements, anschließend erhalten die vorgeladenen Personen die Gelegenheit, ein eigenes Statement vorzutragen. Es folgt eine 45minütige Befragung der Vorgeladenen durch einen die jeweilige Partei vertretenden Anwalt. In diesem Fall steht Daniel Goldman den Demokraten zur Seite, Steve Castor den Republikanern. Nach diesen zwei Phasen stellen dann die Mitglieder des Ausschusses ihre Fragen, wofür ihnen ein Zeitraum von fünf Minuten zur Verfügung stehen. Zum Schluss der Anhörung erhalten noch einmal Rep. Schiff und Rep. Nunes das Wort. 

Die Anhörungen der Diplomaten

Am 13. November stellten sich William Taylor, aktuell Chargé d'Affaires an der US-Botschaft in Kiew, und George Kent, Deputy Assistant Secretary of State for European and Eurasian Affairs, den Fragen der Demokraten und Republikaner. Am 15. November trat die ehemalige US-Botschafterin in der Ukraine, Marie Yovanovitch, vor den Ausschuss. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass alle drei Diplomat*innen sich überzeugend, unprätentiös und im gepflegt bürokratisch-zurückhaltenden Stil präsentierten und nüchtern aber eindringlich und akribisch zugleich die problematischen Entwicklungen von Donald Trumps „shadow foreign policy“ darlegten. Während Taylor und Kent die Abläufe und kontraproduktiven Auswirkungen der "inoffiziellen, irregulären parallelen Außenpolitik" von Rudy Giuliani und Diplomaten wie Gordon Sondland darlegten, berichtete Yovanovitch über ihre Abberufung aus der Ukraine und die „Hetzkampagne“ gegen sie. Alle drei Diplomat*innen betonten wiederholt, dass sie als „career foreign service professionals“ dem Amtenthebungsverfahren neutral gegenüberstünden und lediglich als vorgeladene Zeugen zu den Fakten aussagen würden. Dies hielt den Präsidenten nicht davon ab, während des Auftritts von Marie Yovanovitch herablassend über sie zu tweeten.

Die Strategie der Demokraten

Für die Demokraten ist es in den Anhörungen in erster Linie wichtig, überzeugend und vor allem einfach verständlich den Machtmissbrauch von Donald Trump in seiner Politik gegenüber der Ukraine zu verdeutlichen. Daher fokussieren sie sich auch nicht auf andere Themen oder Skandale, sondern lediglich auf das Einfrieren der vom Kongress bewilligten Militärhilfen und die damit zusammenhängende und von Präsident Trump im Gegenzug geforderte Untersuchung der Handlungen seines innenpolitischen Rivalens Joe Biden und dessen Sohns Hunter durch die Ukraine. Die Demokraten erhoffen sich, dass durch die öffentliche Bestätigung und Bekräftigung der Aussagen des Whistleblowers die öffentliche Zustimmung für ein erfolgreiches Amtsenthebungsverfahren steigt – auch wenn dies in polarisierten Zeiten schwierig sein wird

Die Strategie der Republikaner

Die Republikaner sind angesichts dieser Sachlage bemüht, Zweifel an den Aussagen und am Hergang der Ereignisse insgesamt zu säen sowie die Handlungen von Präsident Trump als alltäglich und nicht eines Amtsenthebungsverfahrens würdig darzustellen. Und nicht nur das. Sie bemühen verstärkt ein vollständig anderes Narrativ, indem sie sich auf die Rolle von Joe und Hunter Biden in der Ukraine sowie auf die Behauptung fokussieren, dass Präsident Trump lediglich an der Bekämpfung der Korruption in der Ukraine interessiert gewesen sei. Zeitgleich verbreiten sie ihre ganz eigene (Verschwörungs)Theorie, dass – trotz einhelliger Analyse der US-Geheimdienste – nicht Russland zugunsten Donald Trumps in den Wahlkampf 2016 eingegriffen habe, sondern die Ukraine - um Hillary Clinton zum Sieg zu verhelfen. Während der Anhörungen attackieren die Republikanischen Abgeordneten auch den Ausschussvorsitzenden Schiff und dessen Handhabung des Prozesses, sie fordern eine direkte Anhörung des Whistleblowers und betonen, dass alle anderen Zeugen nur über „Hörensagen“ berichten könnten. Insbesondere der Vertreter der Republikanischen Minderheit, Devin Nunes, macht seine Geringschätzung für das Verfahren und die Demokraten in jedem Statement deutlich. 

Der Stand der Dinge

An den bisherigen Anhörungen wird deutlich, wie tief die Parteigräben und wie unterschiedlich die beiden duellierenden Narrative der Parteien sind. Während die Demokraten den Präsidenten des Machtmissbrauchs und der Erpressung überführen wollen, stehen die Republikaner fest an der Seite des Präsidenten, bestreiten jegliches Fehlverhalten von ihm und konzentrieren sich nahezu ausschließlich auf die Rolle und Tätigkeit der Bidens in der Ukraine. Genau diese unterschiedlichen Inhalte werden auch dementsprechend von einer polarisierten und fragmentierten Medienöffentlichkeit in den USA aufgenommen. Die Wähler*innen, die den Anhörungen auf Fox News folgen, erhalten aufgrund der ideologisch gefärbten Berichterstattung ein gravierend anderes Bild der Sachlage als diejenigen, die dem Geschehen auf CNN oder MSNBC folgen. Im Kontext dieses fragmentierten Medienkonsums und der schnellen als auch schonungslosen Verbreitung von ersten Eindrücken und Meinungen in den Filterblasen der sozialen Medien beider Lagern ist es fraglich, inwieweit die öffentlichen Anhörungen auch eine Unterstützung durch die Mehrheit der Amerikaner*innen erzeugen können. Es besteht die Möglichkeit, dass sie im Gegenteil eher den Eindruck unter den Wähler*innen bestärken, dass es sich lediglich um ein macht- und parteipolitisches Verfahren handelt. Im Hintergrund tickt zudem weiter die Uhr. Die Demokraten verfolgen eine zeitnahe Weiterleitung des Verfahrens an den Senat, um sich dann auf die am 3. Februar in Iowa beginnenden innerparteilichen Vorwahlen konzentrieren zu können. Denn dann wären die Senator*innen des Bewerberfeldes vermutlich lieber vor Ort, als in einem Verfahren im Senat gebunden. 

Was sind die nächsten Schritte?

In der Woche vom 18. bis 22. November kommt es zu weiteren Anhörungen. Besonders interessant werden dürften die Auftritte von Gordon Sondland, US-Botschafter bei der EU, am 20. November sowie Fiona Hill, ehemalige Mitarbeiterin des National Security Council, am 21. November. Es wird aufschlussreich sein zu beobachten, wie die Republikaner sich gegenüber Botschafter Sondland verhalten. Sondland stand im direkten Kontakt mit Präsident Trump und kann somit als Zeuge Informationen aus erster Hand liefern, verglichen mit dem von den Republikanern monierten „Hörensagen“ der vorherigen Zeugen. Noch ist es zu früh zu sagen, wem die Anhörungen auf längere Sicht nutzen oder schaden werden, aber eines ist gewiss: die Amerikaner*innen werden mit viel Gesprächsstoff in die Thanksgiving-Pause gehen.