Partnerschaft zwischen Rheinland-Pfalz und South Carolina
Am 10. März 1993 schrieb Andrew J. Goodpaster, von 1969 bis 1971 Alliierter Oberkommandierender in Europa (SACEUR) und später einer der Vorsitzenden des liberalen Washingtoner Think Tanks Atlantic Council of the United States of America, an Ministerpräsident Scharping einen Brief, in dem er Rheinland-Pfalz einlud, Partner in einem neuen transatlantischen Dialog auf Ebene der Länder/States zu werden. Die im Atlantic Council hinter dem Projekt stehende treibende Kraft war Jack M. Seymour Jr., seinerzeit Direktor des John J. McCloy Program on the Future of the Atlantic Communities. Seine Idee war es, nach dem Ende des Kalten Kriegs die transatlantischen resp. deutsch-amerikanischen Beziehungen auf der Ebene unterhalb des Bundes, also zwischen den US-States und den deutschen Bundesländern, zu intensivieren bzw. neu aufzubauen. Als amerikanischen Partner hatte er South Carolina ausgesucht, weil es bereits erste Erfahrungen mit einer deutsch-amerikanischen Länder-Partnerschaft hatte, nämlich mit Brandenburg, mit dem es im Juli 1993 ein Kooperations- und Partnerschaftsabkommen geschlossen hatte. Das Interesse South Carolinas – und auch Brandenburgs – an dieser Partnerschaft (wie auch an weiteren Partnerschaften) war eindeutig ökonomischer Art: man wollte in einen Erfahrungsaustausch darüber eintreten, wie ökonomisch darniederliegende Regionen entwickelt werden können; in einem späteren Stadium kam der Wunsch hinzu, Investoren für den Staat zu finden, der seinerzeit hinsichtlich seiner Wirtschaftskraft unter den US-Staaten sehr weit hinten rangierte.
Der Atlantic Council hatte sich in verschiedenen deutschen Staatskanzleien erkundigt, ob Interesse an einer Partnerschaft bestehe – offensichtlich ohne Erfolg –, und war dann, nicht zuletzt auch aufgrund einer Ermunterung durch die deutsche Botschaft in Washington und das Washingtoner Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung, in Mainz auf ein offenes Ohr gestoßen, wo man seit der Regierungsübernahme durch Rudolf Scharping nach potentiellen amerikanischen Kandidaten für eine neue Partnerschaft suchte. Die Motive auf rheinland-pfälzischer Seite waren vor allem anfänglich weniger ökonomischer als vielmehr politischer Art; neben einer prinzipiell gegenüber Amerika offenen Haltung der Landesregierung gab es auch das Bestreben mit Blick auf die erwünschte Fortdauer der amerikanischen Militärpräsenz im Lande diesem durch die Intensivierung der transatlantischen Kontakte ein generell amerikafreundliches Profil zu geben. Auch wollte man mit bundespolitischer Blickrichtung dazu beitragen, die nachwachsende Führungsgeneration zusammenzubringen.
Schon am 19. März antwortete Ministerpräsident Scharping dem Atlantic Council positiv auf seine Anfrage. Auf Arbeitsebene wurde zwischen dem Atlantic Council und der Staatskanzlei ein Memorandum of Understanding ausgearbeitet, das dann vom Präsidenten des Council, David C. Acheson, am 2. Juni in Form eines Briefes an Scharping gesandt wurde.
Beim Aufbau der Partnerschaft haben sich auf rheinland-pfälzischer Seite insbesondere die Chefs der Staatskanzlei, zuerst Dr. Karl-Heinz Klär und nach ihm Klaus Rüter, sowohl politisch wie auch persönlich stark engagiert. Auf der Seite South Carolinas war es mit derselben Energie Dr. Luther F. Carter, damals Direktor des South Carolina Budget and Control Boards (das allenfalls vom Einfluss her, nicht bezüglich der Strukturen, mit einer Landes-Staatskanzlei verglichen werden kann) und heute (2010) Präsident der Francis Marion University in Florence, SC. Insbesondere ohne das persönliche, schnell auch zu einer persönlichen Freundschaft gewordene Engagement von Rüter und Carter hätte diese Partnerschaft nicht so rasch auf den Weg gebracht und in den ersten Jahren so intensiv betrieben werden können. Nicht unerwähnt darf freilich bleiben, dass Rüter und Carter eine Reihe von Mitarbeitern, Kollegen und Vertretern verschiedener gesellschaftlicher Gruppen an ihrer Seite hatten, die ebenso engagiert bei der Gründung der Partnerschaft und ihrer Ausfüllung mit Leben dabei waren. (Der Berichterstatter will nicht verschweigen, dass er als damaliger Referent für Außenbeziehungen in der Mainzer Staatskanzlei auf der Arbeitsebene nicht unmaßgeblich am Zustandekommen der Partnerschaft beteiligt war; seine Partnerin auf der Arbeitsebene in South Carolina war die unermüdliche Patricia Edmonds, heute verheiratete Hartung, vom Upper Savannah Council of Governments).
Nach den Vorstellungen des Atlantic Councils sollte der neue transatlantische Dialog trilateral erfolgen, nämlich zwischen South Carolina, Rheinland-Pfalz und Thüringen, wobei Thüringen sich nicht zuletzt deshalb anbot, weil Rheinland-Pfalz „Pate“ und Partner beim Neuaufbau des Landes war. Allerdings entwickelte sich diese Trilateralität nicht dauerhaft, sodass Thüringen am Ende ausschied.
Nach intensiven Vorarbeiten auf der Arbeitsebene fand im März 1994 in Rheinland-Pfalz der erste und im Oktober desselben Jahres in South Carolina der zweite Teil der 1. Transatlantischen Konferenz statt. Gegenstand waren die durch das Ende des Kalten Krieges entstandenen aktuellen und besonders drängenden Herausforderungen beider Partner, nämlich die Konversion von militärischen Anlagen.
Ermuntert durch den Erfolg dieser ersten Doppelkonferenz, kam es am 8. September 1995 zu einer Verwaltungsvereinbarung zwischen beiden Partnern über die Zusammenarbeit auf den Gebieten Erziehung, Forschung und Wissenschaft, Kultur, Gesundheit, Sport und Tourismus.
Im März 1997 vereinbarten der Chef der Staatskanzlei Klaus Rüter und sein Kollege Dr. Carter einen Personalaustausch zwischen Führungskräften beider Länder (Referats- und Abteilungsleiter). Der ca. vierwöchige Austausch sollte pro Jahr und Land zwei Mitarbeiter umfassen.
Am 1. Mai 1997 unterzeichneten Ministerpräsident Kurt Beck und Gouverneur David M. Beasley ein offizielles Partnerschaftsabkommen zwischen dem Bundesstaat South Carolina und dem Land Rheinland-Pfalz.
Bald darauf gab es auch zwischen den beiden Landesparlamenten, dem Landtag Rheinland-Pfalz und der General Assembly of South Carolina, eine offizielle Partnerschaft.
Mit Bezug auf die beiden Abkommen von 1995 und 1997 wurde im Oktober 1998 eine Gemeinsame Vereinbarung zwischen der Commission on Higher Education, South Carolina, und dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung, Rheinland-Pfalz unterzeichnet.
1998 erfolgte eine Vereinbarung zur Zusammenarbeit im Bereich der Telekommunikation.
Im Dezember 2003 erhielt Ministerpräsident Kurt Beck die Ehrendoktorwürde der Francis Marion University. Er und Governor Mark Sanford unterzeichneten am 13.12. eine Gemeinsame Erklärung zur zukünftigen Ausrichtung der Partnerschaft zwischen South Carolina und Rheinland-Pfalz.
Aus Anlass des zehnjährigen Jubiläums der Partnerschaft reiste im April 2007 eine kleine Delegation um den Staatssekretär im Innenministerium Roger Lewentz nach South Carolina, um die weitere Entwicklung der Partnerschaft zu beraten. Daraufhin kam es im September 2007 zum Gegenbesuch einer 12-köpfigen Delegation aus South Carolina unter der Leitung zweier US State Senators nach Rheinland-Pfalz. Senator Hugh Leatherman, Mitglied des Budget and Control Board, und der rheinland-pfälzische Innenminister und stellvertretende Ministerpräsident Karl Peter Bruch unterzeichneten am 12. September 2007 eine neu aufgelegte Absichtserklärung über die zukünftige Ausrichtung der Partnerschaft.
Der intensivste Austausch zwischen den beiden Partnerstaaten erfolgte in den ersten Jahren gewiss in den Transatlantischen Konferenzen. Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über die bis zum Jahre 2000 stattgefundenen Begegnungen, an denen jeweils Regierungsvertreter beider Seiten sowie auch Repräsentanten von Wirtschaft, Wissenschaft und Bildung teilnahmen. An einigen Konferenzen waren auch Thüringen und Brandenburg beteiligt.
Datum | Konferenzort | Konferenzgegenstand | |
1. Konferenz a | März 1994 | Rheinland-Pfalz (Oberhambach, Kreis Birkenfeld) | Konversion |
1. Konferenz b | November 1994 | South Carolina (Charleston) | s.o. |
2. Konferenz a | März 1995 | Thüringen (Erfurt) | Bildung |
2. Konferenz b | Oktober 1995 | South Carolina (Seabrook Island) | Bildung |
3. Konferenz | Juni 1996 | Rheinland-Pfalz (Potzberg, Kreis Kusel) | internationalen Beziehungen (siehe dazu die gleichnamige Dokumentation: Atlantische Texte Band 4/1997) |
4. Konferenz | Oktober 1997 | South Carolina (Myrtle Beach) | Telekommunikation, Energie und Umwelt |
5. Konferenz | März 1998 | Rheinland-Pfalz (Bingen) | Tourismus, wirtschaftliche und technologische Zusammenarbeit |
6. Konferenz | Oktober 1999 | South Carolina (Fripp Island) | Wirtschaftsförderung, Konversion, Umweltschutz. Unter erstmaliger Teilnahme von Brandenburg |
7. Konferenz | Oktober 2000 | Brandenburg (Potsdam) | Tourismus, Sport, Neue Medien, Gemeinsamer Internet-Auftritt, Konversion, Bildung |
8. Konferenz |
Die Absichtserklärung aus dem Jahr 2007 sah die Wiederaufnahme der Transatlantischen Konferenzen ab Herbst 2008 vor. Die schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen infolge der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise haben allerdings zu einem neuerlichen Aufschub des Vorhabens geführt.
Eine Partnerschaft kann von „oben“, von Regierungsseite noch so sorgfältig geplant und organisiert werden und muss doch erfolglos bleiben, wenn nicht die Bürgerinnen und Bürger, die gesellschaftlichen Gruppen sie mit Leben erfüllen. Genau dies geschah denn auch vor allem in den ersten Jahren der Partnerschaft sehr intensiv; die Zahl der Kontakte und Projekte zwischen Einzelpersonen, gesellschaftlichen Gruppen und Institutionen waren und sind teilweise immer noch so zahlreich, dass sie gar nicht im Einzelnen aufgeführt werden können. Hier nur einige wenige Beispiele (sofern sie nicht schon in den obigen Listen der Vereinbarungen und Transatlantischen Konferenzen enthalten sind):
Im Jahre 1999 gab es erste Austauschmaßnahmen für Auszubildende auf der Basis eines Partnerschaftsabkommens zwischen dem Florence-Darlington Technical College, Florence und der Berufsbildenden Schule III, Mainz. Außerdem wurden in den folgenden Jahren Städtepartnerschaften zwischen Hamm/Sieg und Newberry sowie Kaiserslautern und Columbia begründet. Im Jahre 2000 wurde ein gemeinsamer Internet-Auftritt (transatlantic-partners.de) vereinbart. Die trilateral ausgerichtete Plattform – Brandenburg war mit dabei, wollte beim Relaunch im Jahre 2008 aber nicht mehr mitwirken – blieb zunächst aber, bis zur Wiederaufnahme der Bemühungen durch eine studentische Arbeitsgemeinschaft an der Universität Landau, auf der ersten Entwicklungsstufe stehen.
Im Bereich von Bildung und Erziehung erfolgten diverse Studenten- und Praktikanten-Austausche, an denen die University of South Carolina, die Lander University und die Clemson University einerseits und auf rheinland-pfälzischer Seite die FH Mainz, die IHK Rheinhessen und die Rheinische Landesbibliothek in Koblenz beteiligt waren. Aufgrund einer besonders großzügigen Geste South Carolinas erhalten dort studierende rheinland-pfälzische Studenten hinsichtlich der Studiengebühren einen „Landeskinderbonus“, werden also behandelt, als ob sie Bürger South Carolinas wären. Im Jahre 2002 wurde das EU/US-Teamteaching und Teamlearning Projekt "A Distance Learning Consortium to Train Global Workers" formell eröffnet, an dem sich für Deutschland die BBS III Mainz und für die USA das Florence-Darlington Technical College beteiligten.
Auch im Bereich Tourismus und wirtschaftliche Zusammenarbeit gab und gibt es viele Kontakte und Expertenaustausch; diskutiert wurde einige Zeit lang sogar eine direkte Flugverbindung zwischen Myrtle Beach und Hahn.
Der Erfolg und die Intensität jeder Partnerschaft steht und fällt mit dem persönlichen Engagement der beteiligten Personen resp. Institutionen auf beiden Seiten; folglich hat auch die Partnerschaft von Rheinland-Pfalz mit South Carolina seit ihrer Gründung ihre Höhen und Tiefen erlebt. In den letzten Jahren begann die Partnerschaft eher auf Sparflamme zu köcheln. Die Ursache liegt vor allem in einer veränderten, politischen und ökonomischen Prioritätensetzung auf beiden Seiten, verbunden mit finanziellen Restriktionen hinsichtlich der Kosten einer aktiven Partnerschaft. Die Online-Plattform Transatlantic Partners bietet eine Möglichkeit zur Neubelebung der Beziehungen, ist jedoch auf die entsprechenden Impulse durch Politik und Gesellschaft angewiesen.
Werner Kremp
Direktor der Atlantischen Akademie Rheinland-Pfalz 1996-2010