Atlantische Themen 1/2018: Ein Jahr Trump-Administration

Die Republikaner unter Trump

Philipp Adorf, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn 

Seit nunmehr über zwei Jahren scheint sich die Republikanische Partei in einer Art Bürgerkrieg zu befinden. Erhielt Donald Trump während seiner Kandidatur so gut wie keine Unterstützung seitens des Partei-Establishments, so vergeht auch seit seiner Amtseinführung vor einem Jahr kaum ein Tag, an dem nicht gewisse Elemente innerhalb der Partei und „ihr“ Präsident Streitigkeiten vor der Öffentlichkeit austragen. Gleichzeitig droht Trumps ehemaliger Berater Stephen Bannon – der nun wieder von der politischen Seitenlinie ungezügelt agieren kann, sich jedoch zwischenzeitlich auch mit dem Präsidenten überworfen hat – republikanischen Politikern mit einem gnadenlosen Kampf um ihr politisches Überleben in den Vorwahlen zur Kongress-Zwischenwahl im Herbst dieses Jahres. Als Beobachter könnte man also meinen, die Partei stünde kurz vor einer elementaren Zerreißprobe, die gar ihre Zukunft infrage stellt. Der zweite Blick offenbart jedoch eine etwas andere Perspektive auf den Zustand der Republikaner und ihrer Chancen, auch in den nächsten Wahlen Mehrheiten zu erhalten und Abspaltungstendenzen zu unterbinden. Es ist das Bild einer ideologisch geeinten Partei, angeführt von einem Präsidenten, der zwar ein politischer Außenseiter par excellence ist, dessen politische Vorstöße sich in ihren Kernpunkten jedoch mit der heutigen republikanischen Gesinnung decken.

Die ideologische Kohäsion der Republikanischen Partei

Vor ungefähr einem halben Jahrhundert glich der amerikanische Kongress noch in gewisser Weise einem Mehrparteienparlament. Auch damals besaßen zwar nur die beiden großen Parteien parlamentarische Repräsentation, doch fanden sich innerhalb der Fraktionen verschiedene Flügel mit durchaus grundlegend unterschiedlichen ideologischen Ansichten vor. Diese Vielfalt spiegelte sich natürlich auch in anderen Ebenen der Partei wider. 1970 unterschrieb Nelson Rockefeller – der damalige republikanische Gouverneur des Bundesstaats New York und spätere Vizepräsident Gerald Fords – beispielsweise noch eines der liberalsten Abtreibungsgesetze des Landes. Andererseits waren es gerade konservative Demokraten aus den amerikanischen Südstaaten, die während der 1960er Jahre mit aller Vehemenz versuchten, den Kampf für die Bürgerrechte der schwarzen Bevölkerungsminderheit im Keim zu ersticken.  

Diese Zeiten der ideologischen Vielfalt innerhalb beider Parteien sind jedoch seit geraumer Zeit vorbei. Verschiedene Studien und Erhebungen zeigen auf, dass einerseits zwischen Demokraten und Republikanern eine enorme ideologische Kluft existiert, während andererseits innerhalb der Parteien ein Ausmaß an ideologischer Homogenität vorzufinden ist, dass es in der Geschichte des Landes so wahrscheinlich noch nie gegeben hat. Es mag zwar bisweilen Differenzen zwischen einzelnen Politikern innerhalb der Republikanischen Partei geben, doch handelt es sich hier kaum um die grundlegenden wirschafts- und gesellschaftspolitischen Standpunkte der heutigen republikanischen Ideologie, sondern vielmehr um Details oder die Vorgehensweise bezüglich der Umsetzung konservativer Ziele.

Trotz einiger öffentlicher Scharmützel, findet die offizielle Agenda des Präsidenten innerhalb der Republikanischen Partei im Kongress überwältigende Unterstützung. Man nehme nur einmal das Abstimmungsverhalten verschiedener sogenannter „Never Trumpers“, also republikanischer Abgeordneter, die während des Wahlkampfs 2016 noch angaben, sie könnten es nicht über sich bringen für Trump zu stimmen. Ben Sasse, republikanischer Senator aus Nebraska und das damalige Gesicht der internen Opposition gegenüber dem Präsidenten, unterstützt heute im Kongress bei 89 Prozent aller dortigen Abstimmungen die Positionen des Weißen Hauses. Im Falle von Jeff Flake, Senator aus Arizona, der im Oktober des letzten Jahres unter Tränen seinen Rückzug aus der Kammer bekanntgab und gleichzeitig Präsident Trump auf das Schärfste verurteilte, liegt dieser Wert gar bei fast 91 Prozent. Und selbst Trumps ärgster Widersacher im amerikanischen Kongress, John McCain, unterstützt die Agenda des Präsidenten in durchschnittlich ungefähr 83 Prozent aller Fälle (Stand: 21.12.2017). Natürlich sei anzumerken, dass Unterschiede zwischen den offiziellen Vorstößen der Trump-Administration und den Ansichten des Präsidenten existieren, doch zeigen Daten wie diese auf, wie wenig die populäre Darstellung der extrem zerstrittenen Republikaner sich in der Realität widerspiegelt.

Das Bild einer von internen Grabenkämpfen zerworfenen Republikanischen Partei wird jedoch seit Jahren durch die amerikanischen Medien getragen. Einen besonderen Schub erhielt dieses Narrativ durch das Aufkommen der Tea Party und verschiedener Erfolge ihrer Kandidaten in republikanischen Vorwahlen in den Jahren 2010 und 2012. Auf diese folgte die Gründung zweier intra-republikanischer Fraktionen im US-Kongress („Caucus“), dem Tea Party Caucus und Freedom Caucus. Diese stehen zwar rechts von den übrigen Republikanern, doch ist auch hier die Überschneidung so groß, dass die ideologische Basis für eine Abspaltung sowie Gründung einer dritten Partei – wie es beispielsweise Sarah Palin 2012 vorschlug – nicht vorhanden war, beziehungsweise ist. Nicht zuletzt auch, da dieser extreme Konservatismus das (ideologische) Herz und eben nicht den Rand der heutigen Republikanischen Partei repräsentiert. 

Trumps Wählerschaft ist die Kernwählerschaft der Republikaner

Innerhalb der Republikanischen Partei in Washington, D.C., scheint es also doch trotz einiger oberflächlicher Fehden ein substanzielles Maß an Einigkeit zu geben. Ein zweiter elementarer Punkt bezüglich des Zustandes sowie der Zukunft der Republikaner ist die Interpretation der Figur Donald Trump. Dieses Bild des vermeintlich transformativen Akteurs basiert nicht zuletzt auch auf der populären Deutung, der New Yorker Immobilienmogul habe die Wählerschaft der Partei grundlegend verändert. Eine genauere Analyse der Wahl 2016 illustriert jedoch, dass Trumps Basis gleichzeitig auch die Basis der Republikanischen Partei seit mehreren Wahlzyklen ist. Da wäre zuerst einmal der Erfolg Trumps in den Vorwahlen. Anstatt neue Wählerinnen und Wähler in die Partei gebracht zu haben, basierte Trumps Sieg mit einer relativen Mehrheit der Stimmen auf seiner Popularität innerhalb der republikanischen Kernwählerschaft, insbesondere in den amerikanischen Südstaaten. Zusammenfassend gesagt: An Vorwahlen nehmen politisch aktive und engagierte Bürger der jeweiligen Partei teil. Ein echter Außenseiter, dessen Standpunkte mit der grundlegenden Parteigesinnung kollidieren, hat in diesem System nur sehr geringe Erfolgsaussichten – man denke nur einmal an den libertären Ron Paul zurück, der zwar bei seinen eigenen Unterstützern den Status eines Propheten besaß, dessen Positionen aber nur einen Bruchteil der gesamten republikanischen Vorwählerschaft in den Jahren 2008 und 2012 begeistern konnten.

Die elektorale Basis Trumps Erfolges – weiße Wähler mit einem geringen Bildungsgrad und Ressentiments gegenüber Minderheiten – stellt zudem seit geraumer Zeit das Fundament der Republikanischen Partei. Selbst Mitt Romney gewann 2012 weiße Wählerinnen und Wähler ohne Hochschulabschluss (gemeinhin als „white working-class“ definiert) mit einem Vorsprung von immerhin 25 Prozentpunkten (Trump gewann dieses Segment mit 39 Punkten Vorsprung). Donald Trump mag diese Gruppierung mit einer kruderen Botschaft als andere Republikaner angesprochen haben – die von ihm angewandte xenophobe Klaviatur haben jedoch auch seine Vorgänger von Nixon über Reagan und George H.W. Bush in ihre Kampagnen inkorporiert. Trumps Kandidatur stellte somit keinen Schnitt mit, sondern eine Fortführung der bewährten republikanischen Strategie des Schürens von Vorurteilen dar.

Bergen die „Midterms“ Konfliktpotenzial?

Die Kongresswahlen im Herbst dieses Jahres werden sicherlich auch ein Licht auf den Zustand der Republikanischen Partei werfen. Die überraschende Niederlage Roy Moores im tiefroten Alabama hat den Verlust der republikanischen Mehrheit im US-Senat deutlich wahrscheinlicher gemacht, aber auch gewisse Konfliktlinien innerhalb der Partei offenbart. Nach der schallenden Ohrfeige in Alabama schossen sich konservative Kommentatoren auf Stephen Bannon ein, dessen offen angekündigtes Ziel, „Establishment“-Republikaner zu eliminieren, als einer der Hauptgründe für den Verlust eines sicher geglaubten Senatssitzes betrachtet wurde. Hier ist jedoch anzumerken, dass diese Konflikte bereits in der jüngeren Vergangenheit der Partei häufiger vorkamen und sie nicht zu einer Spaltung führten. Allein in den Senatswahlzyklen 2010 und 2012 lagen fünf Fälle vor, in denen Tea Party-Herausforderer sich in den Vorwahlen gegen moderatere Republikaner durchsetzten, um schlussendlich in durchaus konservativen Staaten gegen Demokraten zu verlieren (2010: Colorado, Delaware, Nevada; 2012: Indiana, Missouri). Dies führte zwar durchaus zu Unmut in der oberen Riege der Partei, doch wurde schnell erkannt, dass diese Kandidat*innen nun einmal von der Parteibasis gewünscht wurden und man mit Belehrungsversuchen nur Gefahr liefe, selbst ins Fadenkreuz der Parteibasis zu gelangen. Auch moderatere Republikaner wissen letztendlich, dass ohne die Stimmen der zahlreichen „Wutbürger“ inmitten ihrer Partei Mehrheiten nur schwer zu erlangen sind.

Trump – ein klassischer Republikaner im Weißen Haus

Dass innerhalb politischer Kolosse wie den amerikanischen Parteien auch Richtungsdiskussionen zwischen verschiedenen Flügeln entstehen, sollte nicht überraschen. Nicht zuletzt ist dies auch eine Folge des kaum vorhandenen Zentralapparats der Parteien, die ihre eigenen Ansichten oft nur schwer durchsetzen können (exemplifiziert durch die Kandidatur Donald Trumps aber auch beispielsweise Roy Moores, der von seiner eigenen [Bundes-]Partei nicht zum Rückzug gezwungen werden konnte). Trotz alledem ist die Republikanische Partei in grundlegenden Fragen dank ihrer ideologischen Kohäsion geeint, während Trump innerhalb der republikanischen Wählerschaft gar populärer ist als die Partei selbst: Zwei Drittel aller Republikaner sind der Ansicht, Trump bewege das Land in die richtige Richtung; nur 55% behaupten dies bezüglich der Partei selbst. In Anbetracht der unverändert hohen Zustimmung, die Trump unter republikanischen Wählern genießt (87% [Stand: 09.01.2018]), mag ein potenzieller Herausforderer für die Vorwahlen 2020 somit die Option vier weitere Jahre zu warten als vielversprechender betrachten.

Auch Trumps prinzipielle Amtshandlungen des ersten Jahres erinnern eher an einen klassischen Republikaner als einen populistischen Brandstifter (ein extensiver Überblick findet sich hier). Laut der Administration selbst wurden von ihr für jede neue Regulierung gleichzeitig 22 andere entfernt. Der vom Präsidenten nominierte Supreme Court-Richter Neil Gorsuch dürfte sich als extrem konservative Figur im Gerichtshof etablieren. Darüber hinaus lassen die legislativen Vorstöße des Weißen Hauses die Herzen der republikanischen Elite höherschlagen. Die Steuerreform kommt gerade der von Trump während seiner Kampagne verpönten Wirtschaftselite zugute. In Sachen Sicherheitspolitik hob ein Strategiepaper der Trump-Administration kürzlich explizit sowohl China als auch Russland als Rivalen hervor, deren außenpolitische Vorstöße eine Gefahr für die Sicherheit der Vereinigten Staaten darstellen. Zudem zeichnete Trump die Lieferung von Waffen an die Ukraine ab. In Verbindung mit den von Trump forcierten zusätzlichen Investitionen in den Verteidigungsetat, greift das America First-Sicherheitspapier der Administration somit bewährte Grundlinien der republikanischen Sicherheitspolitik auf. Und auch der von der republikanischen Führung oft stiefmütterlich behandelte Grenzschutz ist vorerst in den Hintergrund geraten, obwohl anzumerken ist, dass die Trump’sche Sichtweise der kulturellen Bedrohung durch Zuwanderung gerade innerhalb der republikanischen Basis von einer überwältigenden Mehrheit ebenso bejaht wird.

Abschließend sei gesagt, dass sich das amerikanische Parteikonstrukt hervorragend für die Inkorporation neuer politischer Strömungen eignet. Eine höchst poröse Struktur sorgt dafür, dass beispielsweise der Weg der Vorwahlen deutlich vielversprechender ist, um ein politisches Amt zu erobern, als zu versuchen über eine Parteineugründung Macht auf der lokalen und föderalen Ebene auszuüben. Eine Spaltung der Partei oder ein langwieriger „Bürgerkrieg“ scheinen dementsprechend trotz der medialen Dramatisierung interner Differenzen höchst unwahrscheinlich.

Über den Autor

Dr. Philipp Adorf ist seit  2014 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Seine Forschungsschwerpunkte sind unter anderem der Aufstieg der Republikanischen Partei in den Südstaaten seit 1960, die „Christian Right“ und ihre Allianz mit den Republikanern und der demografische Wandel der USA.

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