Während des Wahlkampfs und bei seiner Amtsantrittsrede zeichnete Präsident Donald Trump ein dunkles Bild der wirtschaftlichen und sozialen Lage der Vereinigten Staaten. Amerika sei gekennzeichnet durch verwüstete Industrieanlagen, Massenarbeitslosigkeit und Blutbädern in den Innenstädten. Zunächst scheint dieses düstere Bild fern jeglicher Realität. Seit Ende der Finanzmarktkrise wächst die amerikanische Wirtschaft jährlich um zwei bis drei Prozent, die Arbeitslosigkeit hat sich halbiert auf unter fünf Prozent und die Aktienkurse und Unternehmensgewinne steigen in die Höhe. Im Gegensatz dazu stehen jedoch die seit Ende der 1970er Jahre mehr oder weniger stagnierenden Realeinkommen amerikanischer Haushalte und die stetig steigende soziale Ungleichheit, die sich auch in einer zunehmenden regionalen Disparität ausdrückt. Der Rust Belt – das vormalige industrielle Herz der Vereinigten Staaten an den Großen Seen, das durch die Stahl- und Automobilindustrie geprägt war – und die ehemalige Kohleregion der Appalachen stehen hierfür sinnbildlich. Seit vier Dekaden sind beide Regionen durch eine zunehmende Abwanderung von Produktion und Arbeitsplätzen geprägt. Erschwerend kommt hinzu, dass beide Regionen besonders von der grassierenden Opiatkrise betroffen sind.
Die Schuldigen an dieser Misere sind für Trump schnell ausgemacht. Zunächst dient das Ausland als Sündenbock. So hätten Länder wie China und Mexiko, aber auch Deutschland über unfaire Handelspraktiken und Währungsmanipulationen den Vereinigten Staaten Produktion und Arbeitsplätze geklaut. Illegale Einwanderer wiederum hätten Kriminalität und Drogen ins Land gebracht. Darüber hinaus ist es aber die Schuld Washingtons, insbesondere der Obama-Administration, die sich von dem Ausland über den Tisch ziehen lässt und an Korruption krankt. Es gilt, die Interessen Amerikas wieder voranzustellen – America First – und den Sumpf trockenzulegen – Drain the Swamp – mit dem Ziel, Amerika wieder zu alten Größe zu verhelfen: Make America Great Again. Bei seiner Amtsantrittsrede versprach Präsident Trump die forgotten men and women wieder in das Zentrum der Politik zu stellen. Implizit gemeint ist damit vor allem die weiße Mittelschicht, die seit vier Dekaden nicht von den Versprechen der Globalisierung profitiert hat. Insbesondere mithilfe der Handels- und Steuerpolitik will die Trump-Administration ihre Ziele erreichen.
Trump bezeichnet sich selbst zwar als größter Befürworter des Freihandels, jedoch spiegelt sich in seinem handelspolitischen Denken eine merkantilistische Sichtweise, wonach Außenhandel sich als Nullsummenspiel gestaltet. Während Handelsdefizite Verlierer kennzeichnen, erwirtschaften Gewinner Handelsüberschüsse. Das gigantische Handelsdefizit der Vereinigten Staaten, das im Warenhandel auf 750 Milliarden US-Dollar (2016) angewachsen ist, sieht Präsident Trump als Beleg dafür, dass der Außenhandel den Vereinigten Staaten Verluste einbringt. Vor diesem Hintergrund ist die aggressive handelspolitische Agenda der Trump-Administration zu verstehen. Als einer der ersten Amtshandlungen im Januar 2017 kündigte Präsident Trump die Mitgliedschaft der Vereinigten Staaten in der Trans-Pacific Partnership (TPP), einem Freihandelsabkommen mit elf pazifischen Ländern. Da in den multilateralen Gesprächen die Verhandlungsmacht der Vereinigten Staaten nicht zur Geltung komme, sieht Präsident Trump in der TPP einen schlechten Deal, der durch bilaterale Handelsabkommen ersetzt werden soll. Des Weiteren initiierte die Trump-Administration im April 2017 eine Untersuchung, inwiefern Stahlimporte die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten gefährdeten. Außerdem begann sie im August 2017 Neuverhandlungen mit der kanadischen und mexikanischen Regierung über das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA) mit dem Ziel, die Handelsdefizite abzubauen. Mehrmals drohte Präsident Trump bereits, dass die Vereinigten Staaten NAFTA verließen, da das Abkommen den Vereinigten Staaten schadete. Auch drohte Präsident Trump den Austritt aus der Welthandelsorganisation an.
Die von der Trump-Administration anvisierte Handelspolitik wird aus mehreren Gründen jedoch nicht die gewünschte Wirkung haben. Erstens ist das Handelsdefizit der Vereinigten Staaten vor allem auf die höhere Konsumrate und niedrigere Sparrate im internationalen Vergleich und weniger auf die unfairen Handelspraktiken von Handelspartnern zurückzuführen; unabhängig davon, dass ein Handelsdefizit nicht notwendigerweise schlecht für die Wirtschaft ist, da diesem stets ein Überschuss bei den Kapitalimporten gegenübersteht. Zweitens belegen Studien zwar, dass der Außenhandel, insbesondere mit China, zu Arbeitsplatzverlusten geführt hat, jedoch belegen andere Studien, dass zum Beispiel in der US-Stahlbranche ein Großteil der Arbeitsplatzverluste auf Produktivitätsgewinne zurückzuführen ist. Drittens berücksichtigt die Handelspolitik der Trump-Administration überwiegend die Interessen importkonkurrierender Unternehmen wie der Stahlindustrie und vernachlässigt die Interessen exportorientierter Unternehmen, die durch günstigere Importe an internationaler Wettbewerbsfähigkeit gewinnen, und der Konsumenten, die von günstigeren Importen und höherer Produktvielfalt profitieren. Ein Ausstieg der Vereinigten Staaten aus NAFTA hätte schwere wirtschaftliche Folgen für die US-Wirtschaft und deren internationale Wettbewerbsfähigkeit. Besonders betroffen wären die US-Agrarindustrie und damit die ländlichen Regionen, in denen die Hauptwählerschaft Trumps wohnt.
Neben der Handelspolitik verspricht sich die Trump-Administration vor allem von einer Steuerreform einen wirtschaftlichen Aufschwung. Im Dezember 2017 verabschiedete der republikanisch-dominierte Kongress eine Steuerreform, die eine breitangelegte Steuersenkung von über eineinhalb Billionen US-Dollar für Unternehmen und einen Großteil der Steuerzahler innerhalb der nächsten Dekade beinhaltete. Kernargument der Trump-Administration und republikanischen Führung im Kongress ist der Trickle-down-Effekt (wenn auch nicht explizit so genannt), wonach Steuersenkungen für Unternehmen und Reiche Investitionen anregen, was wiederum Arbeitsplätze schafft und die Reallöhne der Mittelschicht steigern soll. Darüber hinaus soll der induzierte wirtschaftlich Aufschwung Staatseinahmen generieren, die am Ende die durch die Steuersenkungen verlorenen Einnahmen übersteigen. Ein zentraler Bestandteil des Steuergesetzes ist die Senkung der Unternehmenssteuer von 35 Prozent auf 21 Prozent, wodurch die Investitionstätigkeit der Unternehmen anregt werden soll. Zudem werden die Vereinigten Staaten nicht mehr Steuern auf ausländische Profite multinationaler Unternehmen erheben. Hierdurch sollen Anreize geschaffen werden, dass multinationale Unternehmen wie Apple ihre Gewinne in den Vereinigten Staaten investieren und nicht wie bisher im Ausland parken. Ein weiterer Hauptbestandteil der Steuerreform umfasst eine Senkung der Einkommenssteuer. Der Spitzensteuersatz sinkt von 39,6 Prozent auf 37 Prozent, während der niedrigste Steuersatz unverändert bei 10 Prozent bleibt. Für die meisten Stufen dazwischen sinkt der Steuersatz. Allerdings laufen diese Steuersenkungen bis 2025 aus und danach erhöht sich sogar die Steuerlast für viele Steuerzahler, während die Unternehmensteuer dauerhaft sinkt. Nach Berechnungen der Joint Commission for Taxation profitieren vor allem Unternehmen und Reiche von den Steuersenkungen.
Die Steuersenkungen versprechen zwar einen verstärktes Wirtschaftswachstums und steigende Aktienkurse. Auch lassen sich positive Effekte für den Arbeitsmarkt in Form zunehmender Beschäftigung erwarten. Allerdings dürften die gewünschten Ziele, die Einkommen der Mittelklasse zu stärken und die soziale Ungleichheit abzubauen, nicht realisiert werden. Erstens sind zwar positive Effekte für die Beschäftigung, jedoch nur begrenzt steigende Reallöhne zu erwarten. Der erwartete Trickle-down-Effekt wird sich als Trugschluss erweisen. Die Steuersenkungen werden wie bereits unter der Reagan-Administration zu einem Anstieg der sozialen Ungleichheit beitragen. Drittens wird entgegen der Prognose der Trump-Administration das über die Steuerreform induzierte wirtschaftliche Wachstum nicht mehr Staatseinnahmen generieren als diese durch die Steuersenkungen verloren gehen. Berechnungen prognostizieren eine Neuverschuldung von einer Billionen US-Dollar innerhalb einer Dekade als Folge der Steuersenkungen, womit die Steuerreform eine Umverteilung zwischen den Generationen bedingt. Drittens wird im Zeitalter der Digitalisierung Arbeit zunehmend durch Kapital ersetzt werden, weshalb erhöhte Investitionen vielmehr Kapitalbesitzer als Arbeitnehmer zu Gute kommt; geschweige denn, dass Unternehmensgewinne nicht notwendigerweise in Investitionen münden, sondern als Dividende an Aktionäre ausgeschüttet werden.
Die von der Trump-Administration angestrebte Handels- und Steuerpolitik wird höchstwahrscheinlich ihr erklärtes Ziel, die Mittelschicht – die forgotten men and women – zu stärken, verfehlen und diesem sogar entgegenwirken. Der internationale Wettbewerbsdruck im Kontext der Globalisierung lässt sich zwar beklagen, aber es lässt sich ihm nur schwer entziehen. Der Rückzug aus der TPP und ein möglicher Austritt aus dem NAFTA schaden langfristig der Wettbewerbsfähigkeit der US-Wirtschaft. Die daraus resultierenden entgangenen Produktivitätsgewinne entziehen einem möglichen Anstieg der Reallöhne den Boden, wobei steigende Produktivität nicht notwendigerweise an die Arbeitnehmer weitergeben wird. So ist innerhalb der letzten vier Dekaden zwar die Produktivität der US-Wirtschaft stetig gestiegen, während jedoch die Realeinkommen der amerikanischen Haushalte stagnierten. Als Ursachen dürften hier unter anderem die Schwächung der Gewerkschaften und die zunehmende Transnationalisierung von Unternehmen zu nennen sein. Eine gezielte Steuerpolitik, die die Mittelschicht entlastet und die Reichen belastet, kann dieser Tendenz entgegenwirken. Darüber generierte Staatseinnahmen sollten wiederum vor allem für eine Bildungspolitik genutzt werden, welche die Mittelschicht, insbesondere die Globalisierungsverlierer, auf die Hausforderungen im Zeitalter der Digitalisierung vorbereitet. Der Globalisierung und Digitalisierung sollten die Vereinigten Staaten mit weiterer Handelsliberalisierung, unterstützt durch eine Steuerpolitik, welche die soziale Ungleichheit abbaut und zur Finanzierung einer gezielten Bildungspolitik genutzt wird, begegnen.
Dr. Holger Janusch Wissenschaftlicher Mitarbeiter für Internationale Politische Ökonomie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Seine Forschungsschwerpunkte liegen u.a. in der Internationalen Politischen Ökonomie, der Handelspolitik der USA, insb. Freihandelsabkommen, sowie den Transatlantischen Handelsbeziehungen.