Hispanic Heritage Month: Die Rolle der hispanischen Community in den USA

von Ricardo Edrich Soto

Warum dieser Monat wichtig ist

Der 15. September ist eng mit der Geschichte des amerikanischen Kontinents verbunden und markiert in vielen lateinamerikanischen Ländern den Beginn ihrer Unabhängigkeit, parallel dazu feiern die USA jedes Jahr vom 15. September bis zum 15. Oktober den Hispanic Heritage Month: eine Zeit, in der die Geschichte, Kultur und Beiträge der hispanischen und lateinamerikanischen Gemeinschaften gewürdigt werden.

Seinen Ursprung hat dieser Festmonat im Jahr 1968, als der damalige Präsident Lyndon Johnson erstmals die „Hispanic Heritage Week“ ausrief. Zwanzig Jahre später weitete Ronald Reagan die Feierlichkeiten auf einen ganzen Monat aus, ein Symbol wachsender gesellschaftlicher Anerkennung. Seitdem steht der Hispanic Heritage Month nicht nur für kulturelle Vielfalt, sondern auch für Sichtbarkeit und Teilhabe. Er erinnert zudem daran, wie sehr die hispanische Bevölkerung das soziale, wirtschaftliche und politische Leben der Vereinigten Staaten prägt.

Feste & Feiern heute

Von Little Havana in Florida über San Antonio in Texas bis hin zu den Metropolen an der Westküste, in all diesen Städten mit großen hispanischen Communities finden im Herbst  zahlreiche kulturelle Feste, Events und Paraden statt. Sie zeigen, wie lebendig das lateinamerikanische Erbe in den USA ist. Beispielsweise versammeln sich in San Antonio  Menschen jährlich am historischen Wahrzeichen „El Álamo“, während in Chicago Museen wie das National Museum of Mexican Art und das National Museum of Puerto Rican Arts & Culture die Vielfalt lateinamerikanischer Geschichte und Gegenwart sichtbar machen.

Vielfalt & Bedeutung der Community

Doch worin liegt eigentlich der Wert dieses Festmonats jenseits der Würdigung der hispanischen Bevölkerung? Ein Blick auf die Bevölkerung zeigt: Latinos und Hispanics stellen mit 19 Prozent der Gesamtbevölkerung die größte Minderheit in den USA dar. In manchen Städten, wie etwa San Antonio (Texas), bilden sie sogar die Mehrheit. So machen Menschen mexikanischer Herkunft dort über 91 Prozent der hispanischen Bevölkerung aus und stellen damit mehr als die Hälfte der Bevölkerung der gesamten Metropolregion.

Die hispanische Community ist jedoch keineswegs homogen. Sie setzt sich aus Menschen unterschiedlicher Herkunft zusammen: Personen mit mexikanischer Herkunft bilden die größte Gruppe, gefolgt von Leuten aus Puerto Rico, Kuba, El Salvador, der Dominikanischen Republik und vielen weiteren lateinamerikanischen Ländern. Jede dieser Communities bringt ihre eigenen Traditionen, Geschichten und kulturellen Ausdrucksformen mit. Dies reicht von Musik und Tanz über Sprache bis hin zu kulinarischen Besonderheiten. Diese Vielfalt macht den Hispanic Heritage Month zu einem Spiegel der zahlreichen Stimmen und Identitäten, die gemeinsam die kulturelle Landschaft der USA prägen.

Politik, Wirtschaft & Aktivismus

Die hispanische Community ist in nahezu allen gesellschaftlichen Bereichen vertreten: von Wirtschaft und Politik bis hin zu Kunst und Wissenschaft. Politisch bilden Latinos die zweitgrößte Wählergruppe in den USA, weshalb der Begriff Latino Vote im Wahlkampf zunehmend an Bedeutung gewinnt.

Ihre Rolle für zukünftige Wahlen ist zentral. Schon 2016 zeigte sich, dass die großen Parteien die Entwicklung und Bedeutung dieser Wählerschaft zum Teil über- oder unterschätzt hatten. Auch die Vorstellung, Latinos wählten traditionell überwiegend die Demokratische Partei, gilt inzwischen als überholt. Bei den Präsidentschaftswahlen 2024 erreichte Donald Trump ein Rekordhoch von 42 Prozent der Latino-Stimmen. Das verdeutlicht, dass sich die Latino-Wählerschaft nicht eindeutig einer Partei oder Ideologie zuordnen lässt und künftig eine entscheidende Rolle in Wahlkämpfen spielen wird. Dieser Trend zwingt beide Parteien, ihre Strategien zu überdenken. Themen wie Migration, Bildung, soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Teilhabe stehen dabei im Mittelpunkt.

Abseits von Wahlen zeigt sich ihre politische Partizipation auch im 119. Kongress. Dort sind inzwischen 56 Abgeordnete hispanischer Herkunft vertreten. 

Auch wirtschaftlich ist die Community von enormer Bedeutung. Ihre Kaufkraft und Arbeitsleistung tragen wesentlich zur Stärke der USA bei. Das von Hispanics generierte BIP wird auf rund 4,1 Billionen US-Dollar geschätzt, diese Zahl unterstreicht eindrucksvoll die zentrale Rolle der Community für die US-Wirtschaft.

Kultur im Alltag

Abseits von Politik und Wirtschaft prägen hispanische Einflüsse den Alltag in den USA zunehmend. In der Musikindustrie verzeichnen lateinamerikanische Genres wie música mexicana, reggaetón oder Künstler wie Peso Pluma und Bad Bunny enorme Zuwächse. Auch sprachlich ist die Präsenz stark. So ist Spanisch nach Englisch die zweitmeistgesprochene Sprache in den USA. 

Darüber hinaus prägen auch soziale Bewegungen das Bild der Community. Die Chicano-Bewegung setzte sich ab den 1960er-Jahren gegen Diskriminierung ein, stärkte die ethnische Identität und nutzte Kunst sowie Kultur als Instrumente des Widerstands. Auch die DREAMERS – junge Menschen ohne offiziellen Aufenthaltsstatus, die als Kinder in die USA gebracht wurden – spielen eine zentrale Rolle in gesellschaftlichen Debatten. Sie wachsen amerikanisch sozialisiert auf, sprechen Englisch und besuchen Schulen, verfügen jedoch über keinen formellen Staatsbürgerstatus. Ihr Kampf um Rechte und Anerkennung prägt bis heute Diskussionen über Migration und Identität.

Tiefe Wurzeln statt kurzfristiges Phänomen

Es zeigt sich somit, dass diese Feierlichkeiten nicht bloß das Ergebnis jüngerer Migrationsbewegungen sind, sondern tiefe historische Wurzeln haben, die Jahrhunderte zurückreichen. Die kulturelle Vermischung ist kein neues Phänomen, sondern Teil eines langen Prozesses des Zusammenwachsens und kulturellen Aufblühens. Dabei umfasst die hispanische Community nicht nur die direkten Nachbarn Mexikos, sondern zahlreiche weitere Länder Lateinamerikas und der Karibik. Der Hispanic Heritage Month erinnert uns daran, dass die Geschichte, Stimmen und Beiträge der hispanischen Community ein unverzichtbarer Teil der US-amerikanischen Identität sind und dass ihre Anerkennung weit über einen einzelnen Monat hinaus von Bedeutung ist.

Ricardo Edrich Soto studiert Politikwissenschaft im Master an der RPTU Kaiserslautern mit dem Schwerpunkt Internationale Beziehungen. Er ist zur Zeit als Praktikant an der Akademie tätig. Der Blogbeitrag ist ein persönlicher Meinungsbeitrag.