Politische Polarisierung und der legislative Entscheidungsprozess in den USA

von David Sirakov

Polarisierung in den USA

Im politischen Washington (DC) hat der Begriff seit geraumer Zeit gehöriges Potenzial zum „Unwort“ und ist zugleich zentral für das Verständnis des Entscheidungsprozesses in den Vereinigten Staaten von Amerika der vergangenen zehn bis fünfzehn Jahren. Die Rede ist natürlich von der politischen Polarisierung.

Dieses sich deutlich abzeichnende ideologische Auseinanderdriften der beiden politischen Parteien im US-Kongress erschwert die politische Kompromissfindung im politischen System, manche Experten sprechen gar von einer Blockade des gesamten Entscheidungsprozesses. Denn was in parlamentarischen Regierungssystemen wie bspw. Deutschland zu einer ideologischen und mitunter programmatischen Schärfung der Parteien gereicht und aufgrund sicherer parlamentarischer Mehrheiten den Entscheidungsprozess kaum beeinträchtigt, kann im präsidentiellen Regierungssystem der USA, in welchem die Regierung immer aufs Neue auf die Suche nach politischen Mehrheiten in der Legislative gehen muss, zu Politikstillstand führen. Die Gründe für die politische Polarisierung sind dabei mannigfaltig und finden sich innerhalb wie außerhalb der institutionellen Struktur (ausführlich hierzu Sirakov 2016a, b).

Trump Support Score

Nach dem für viele überraschenden Ausgang der Präsidentschaftswahl 2016, die zu den polarisiertesten Wahlkämpfe der amerikanischen Geschichte zählt, ist ein Ende dieser seit 1977 kontinuierlich fortschreitenden Entwicklung nicht auszugehen. Und auch die bisherigen Entwicklungen im 115. Kongress (2017-2019) geben kaum Anlass zur Hoffnung (siehe hierzu Sirakov i.V.). Konkrete Folgen wird die weiter ansteigende Polarisierung auch auf die zu erwartende legislative Unterstützung für Vorhaben von Präsident Trump haben. Der Blog FiveThirtyEight hat sich dieser Frage angenommen und einen Trump Score entwickelt, der die Zustimmungsraten der Abgeordneten und Senatoren zu Gesetzesvorhaben antizipiert, die vom Präsidenten ausdrücklich unterstützt werden. Dazu bezieht die errechnete vorhergesagte Unterstützung (predicted score) für den Präsidenten das Abschneiden des Präsidenten im jeweiligen Wahlkreis beziehungsweise Bundesstaat sowie das bereits getroffene individuelle Abstimmungsverhalten mit ein. Letzteres macht den Trump Score dynamisch und damit zu einem noch frühen Zeitpunkt der Legislaturperiode im Kern nur wenig aussagekräftig.

Auch wenn die Vorhersage des Abstimmungsverhaltens einem Lotteriespiel gleichkommt, gibt es durchaus Erfahrungswerte, die man einer Einschätzung zugrunde legen kann. Im folgenden vorgeschlagenen Trump Support Score finden jeweilig die ideologische Position (CS DW Nominate), der Wert der Geschlossenheit mit der Parteimehrheit (Party Unity Score), der durchschnittliche Wert der Unterstützung für Gesetzesvorhaben des Präsidenten (Presidential Support Score) sowie der prozentuale Abstand der Wahlergebnisse des Novembers 2016 zwischen dem Präsidenten und seiner Herausforderin Hillary Clinton auf Distrikt- und Bundesstaatsebene Berücksichtigung.

Während der CS DW Nominate, Party Unity Score sowie der Presidential Support Score Erfahrungswerte aus den vorherigen Kongressen darstellen und unverändert übernommen werden, fließt der Abstand der Wahlergebnisse als zeitnaher, dem aktuellen Kongress zugehöriger Wert ein. Dieses Wert hat die Aufgabe, als gewichtete Wahrscheinlichkeit der Unterstützung des Präsidenten zu fungieren. Hierzu werden alle Distrikte und Bundesstaaten mit 1 (100 Prozent) gewertet, die von Donald Trump mit mehr als 10 Prozentpunkten Vorsprung vor Hillary Clinton gewonnen wurden. Distrikte und Bundesstaaten, die einen Abstand von mehr als -10 Prozentpunkte aufweisen und damit einen deutlichen Sieg Clintons aufzeigen, werden mit 0 gewertet. Die verbliebene Raum zwischen -10 und 10 wird aufgrund des kompetitiven Charakters der Distrikte und Bundesstaat mit 0,5 (50 Prozent) gewertet.

Die daraus resultierenden Daten geben Anlass, ein weiteres Auseinanderdriften des ohnehin großen Unterschieds zwischen den Unterstützungsraten der Demokraten und Republikanern gegenüber den Positionen des Präsidenten anzunehmen (siehe zu den bisherigen Daten auch Haas 2016).

Wie in den Abbildungen 1 bis 4 zu sehen, stiegen die Unterstützungsraten der jeweiligen Regierungspartei in einem ähnlichen Maße an, wie sie in der jeweiligen Oppositionspartei sanken. Mithin vergrößerte sich der Abstand zwischen Regierung- und Oppositionspartei im Gesamttrend stetig.

TSS I

Die oben beschriebenen Berechnungen lassen auch im 115. Kongress (2017-19) ein weiteres Auseinanderdriften der Unterstützungsraten für den US-Präsidenten erwarten. Während in den Jahren 2013 bis 2015 eine durchschnittliche Unterstützung für den damaligen Präsidenten Barack Obama von 83,5 Prozent bei den Demokraten und 11,5 Prozent bei den Republikanern mit einem Abstand von 72 Prozent im Repräsentanenhaus und 95,9 Prozent (Demokraten) und 49,2 Prozent (Republikaner) mit einem Abstand von 47 Prozent in Senat herrschte, wird von einer Zunahme in beiden Kammern des US-Kongress ausgegangen. So wird aufgrund der Berechnungen eine durchschnittliche Zustimmungsrate für Präsident Donald Trump im Repräsentantenhaus von 84,0 Prozent bei den Republikanern und 13,8 Prozent bei den Demokraten (Abstand von 70,2 Prozent) und im Senat von 73,5 Prozent bei den Republikanern und 16,9 Prozent bei den Demokraten (Abstand von 56,6 Prozent) angenommen.

Interessant dabei sind insbesondere die Werte im Senat. Zum einen zeigen die Berechnungen einen deutlichen Rückgang der Unterstützung des Präsidenten in den oppositionellen, aber vor allem auch in den eigenen Reihen. Zum anderen steigt der Abstand in den Werten zwischen Regierungs- und Oppositionspartei nochmals an.

In den nachfolgenden Grafiken zeigt sich die angenommene Verteilung der Unterstützung für Präsident Trump im laufenden 115. Kongress. 

TSS II

Eine Übersicht über die angenommenen Unterstützungsraten finden sich unter folgenden Links:

Repräsentantenhaus im 115. Kongress

Senat im 115. Kongress

Literatur

Sirakov, David. 2016a. Das Repräsentantenhaus in der Präsidentschaft Obamas: Triebfeder der politischen Polarisierung? In Die USA am Ende der Präsidentschaft Barack Obama. Eine erste Bilanz, Hrsg. Winand Gellner und Patrick Horst, 247-265. Wiesbaden: Springer.

Sirakov, David. 2016b. Politik in der Krise? Polarisierungsdynamiken im politischen Prozess. In Handbuch Politik USA, Hrsg. Christian Lammert, Markus B. Siewert und Boris Vormann, 617-636, Springer NachschlageWissen: Springer Fachmedien Wiesbaden.

Sirakov, David. 2018. Kein Ende in Sicht. Die Polarisierung im US-Kongress. In Die USA nach den Wahlen, Hrsg. Winand Gellner und Michael Oswald. Wiesbaden: Springer.