Der Zustand der Republikanischen Partei

von Matthis White

Wir befinden uns im Jahr 2021. Die gesamte Republikanische Partei wird von Donald Trump dominiert – die gesamte Partei? Nein! Einige wenige republikanische Politiker und Politikerinnen stellen sich gegen Donald Trump, kritisieren ihn sogar öffentlich. Etwa für seine Rolle in der Stürmung des Kapitols am 6. Januar 2021. Doch kritische Republikanische Stimmen, wie Mitt Romney (UT) oder Liz Cheney (WY), machen sich mit ihrer Position unbeliebt, werden am Parteitag ausgebuht oder sogar abgewählt. Die meisten Republikaner*innen sind Trump treu ergeben. Mitt Romney strebt zudem auch keine Wiederwahl mehr an, ebenso wenig wie andere vergangene Trump-Kritiker*innen, beispielsweise der Senator Jeff Flake (AZ). Für jene, die keine Wiederwahl anstreben, stellt die öffentliche Kritik an ihrem Anführer kein schwerwiegendes Problem dar. Wer sich allerdings eine politische Zukunft erhofft, muss unter Trump auf treue Ergebenheit und stillen Gehorsam setzen.

Trumps Einfluss auf die Partei

Trumps Unterstützung kann für viele Kandidat*innen den Unterschied machen, beispielsweise bei Vorwahlen, wo die „Trump-Kandidaten“ von dessen Rückenwind profitieren können. Denn Donald Trump ist nach wie vor sehr beliebt unter den Anhänger*innen der Republikanischen Partei. Bei der Conservative Political Action Conference, einem Parteitag, gaben Anfang Juli 70% der Teilnehmenden an, ihn 2024 erneut als Präsidentschaftskandidaten sehen zu wollen. Diese Unterstützung kann er auf andere Politiker*innen übertragen, wenn er sich hinter sie stellt. Die Republikanischen Wähler*innen scheinen also eher ihm anstelle der Partei selbst zu folgen.

Dabei ist die politische Polarisierung in den USA extremer als je zuvor und die Wähler*innen tendieren stärker zu einer Partei als etwa in einem Vielparteiensystem wie Deutschland. Republikaner und Demokraten haben nicht nur eine schlechte Meinung voneinander, sondern auch von der jeweils anderen Partei. Daher würde es logisch scheinen, dass die Fronten geklärt und die Wählerschaft in ihre Lager geteilt ist. Trotzdem braucht es scheinbar jemanden wie Trump, um die Republikanischen Wähler*innen zu begeistern. Das tut dieser sehr gekonnt. Seine 74 Millionen Wähler*innen werden nur durch die 81 Millionen Stimmen für Joe Biden übertroffen. Das ist nach wie vor für viele Beobachter*innen überraschend, denn schließlich war Trump historisch unbeliebt und ging vor dem Hintergrund einer wirtschaftlichen Krise und hunderttausender Corona-Toten in den Wahlkampf. 

Wahlkampagne 2020 als Einblick in Strahlkraft Donald Trumps: Ein Rückblick

Ein Blick auf Trumps Wahlkampagne liefert eine Erklärung dafür, wie er so viel Zuwendung unter Millionen von Amerikaner*innen auslösen konnte und immer noch kann. Bei seinen campaign rallies vor tosendem Publikum, welches oft mit „Make America Great Again“-Merchandise eingedeckt ist, hält er spontan wirkende Reden. Dabei springt er von einem Thema zum nächsten, nicht immer mit einem roten Faden. Doch den braucht er nicht. Denn die Themen, die er anspricht, treffen bei seinen Zuhörer*innen genau ins Schwarze.

Seine Reden während des Wahlkampfs 2020 weisen ein Muster auf. Er spricht fast ausschließlich über die folgenden Themen: Wirtschaft, Einwanderung, Militär, Waffenrecht, Terrorismus, Abtreibung, sowie über Recht und Ordnung. Diese Themen sind zum Großteil Positionsthemen, also Themen, die entgegengesetzte Positionen und Ziele beinhalten. Beispielsweise beim kontroversen Waffenrecht oder dem Thema Abtreibung, über deren Legalität in den USA hitzig debattiert wird. Es sind auch Valenzthemen darunter, also solche Themen, über die Einheit bezüglich der gewünschten Ziele existiert. So wünscht sich beispielsweise eine große Mehrheit Wirtschaftswachstum, oder weniger Kriminalität und Terrorismus.

Allerdings fällt bei diesen Themen auf, dass sie nur von Republikaner*innen priorisiert werden. Für diese sind Wirtschaft, Einwanderung und Gewaltverbrechen die wichtigsten Themen. Ganz anders sieht das bei Demokraten aus. Diese messen dem Gesundheitssystem, der Coronakrise‚ „racial and ethnic inequality“, also der Gleichstellung von Minderheiten im Rahmen der Rassismus-Debatte, sowie dem Klimawandel am meisten Bedeutung zu. Alles Themen, die nur wenigen in der Republikanischen Partei wichtig sind. Daher überschneiden sich die Prioritäten beider Wählergruppen kaum, sondern gehen im Gegenteil sogar häufiger weit auseinander. Das fällt auch bei Trumps Wahlkampagne auf. Denn diese geht kaum auf die Interessen demokratischer Wähler*innen ein. Ihre Themen werden so gut wie gar nicht erwähnt.

Ausnahmen finden sich lediglich, wenn Trump seine Erfolge unterstreichen möchte. So bringt er das Thema Rassismus auf, als er sich mit Abraham Lincoln verglich, der unter anderem die Sklaverei in den USA beendete. Denn was bei Donald Trumps Reden immer durchscheint ist eines: Erfolg. Diesen sieht er als einzigartig, besser als je zuvor und jedes Mal als seinen Verdienst. Wenn er über sich spricht, sind seine Sätze gespickt mit positiv besetzten Hyperbeln. Wörter wie „greatest“, „winning“, „success“ tauchen immer wieder auf und werden verwendet, um beim Publikum positive Assoziationen zwischen ihm und den von ihm angesprochenen Themen zu schaffen. Durch dieses sogenannte „framing“ wird seine politische Bilanz bezüglich Militär, Terrorismus, Wirtschaft, etc. glorifiziert dargestellt. Genau die Themen also, die Republikaner*innen wichtig sind.

Andere Themen bleiben dagegen unerwähnt. Die Corona-Pandemie wird trotz ihrer globalen Auswirkungen kaum genannt. Mit gutem Grund, denn die meisten Amerikaner*innen waren mit der Corona-Politik Donald Trumps unzufrieden, darunter auch zahlreiche Republikaner*innen. So wird diese kurzerhand umgedeutet – zur Wirtschaftskrise. Die gesundheitlichen Folgen, einschließlich der hunderttausenden Toten, bleiben unerwähnt. Stattdessen stehen die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie im Fokus, gemeinsam mit der rekordbrechenden Wirtschaftsleistung unter Präsident Trump. Auch die monatelangen Proteste gegen Polizeigewalt und strukturellen Rassismus werden in gefährliche Anarchie umgedeutet. Dass diese Rhetorik Früchte trägt, zeigt sich an den verschiedenen Prioritäten in den beiden Lagern: Gesundheit und Rassismus vs. Wirtschaft sowie Recht und Ordnung.

Allerdings redet Donald Trump nicht nur über sich und seinen Erfolg – es dreht sich schließlich nicht alles um ihn. Ähnlich viel Aufmerksamkeit widmet er den Demokraten und ihren Misserfolgen. Dabei geht er ebenfalls auf Republikanische Themen ein, verbindet diese jedoch mit der Demokratischen Partei. Diese wird als gefährlich, inkompetent oder böswillig dargestellt. Etwa durch ihre angeblichen Pläne, kriminelle Einwanderer mordend durch die Städte der USA ziehen zu lassen oder bei der Charakterisierung Joe Bidens als Unterstützer endloser Kriege und unnötigen Todes.

Erfolgsrezept: Zwiespalt

So schafft Donald Trump ein Narrativ, in dem die „wichtigen“ Themen von ihm definiert werden. Seine Wählerschaft interessieren sich für nichts anderes. Klimaschutz, Rassismus, die Coronapandemie, alles scheinbar unwichtig. Außerdem ist Trump in diesem Narrativ die ideale Person, um sich der Republikanischen Themen anzunehmen. Seine einzige Konkurrenz ist sowieso nur die Demokratische Partei, die seiner Darstellung zufolge von Inkompetenz und Gefahr gekennzeichnet ist. Republikaner*innen glauben ihm das. Sie haben immenses Vertrauen in ihn, trotz der Wirtschaftsrezession, die sich während des Wahlkampfs zuträgt.

Die amerikanische Gesellschaft scheint u.a. bezüglich ihrer politischen Prioritäten in zwei Lager geteilt zu sein, ohne gemeinsame Ziele oder Interessen. Dies erkennt Donald Trump und nutzt es geschickt aus. Denn wie sein Wahlkampf zeigte, fokussierte er sich völlig auf die Belange einer der beiden Gruppen. Die zweite Hälfte Amerikas wird ignoriert, er bemüht sich nicht darum, sie zu gewinnen oder auch nur anzusprechen. Das würde auch bei seinen Unterstützer*innen den Eindruck erwecken, er meine es nicht ernst. Denn schließlich haben die zwei Lager oftmals entgegengesetzte Ziele. Sich selbst positioniert er als Bannerträger Republikanischer Interessen. So fischt Donald Trump nur im Republikanischen Teich – und zwar so gekonnt, dass die Fische von selbst ins Netz schwimmen.

Dabei schürt er durch seine Hetze gegen die Demokraten die gegenseitige Abneigung und vertieft die Gräben zwischen den zwei Lagern. Seiner Anhänger*innen und ihrer Wahlstimmen kann er sich somit sicher sein. Denn diese übernehmen sein Narrativ, in dem ein Sieg der Demokratischen Partei Tod, Chaos und das Ende der USA bedeutet und nur Donald Trump ihre Interessen durchsetzen will und kann.

Politische Polarisierung gab es zwar schon vor Trumps Präsidentschaft. Allerdings hat dieser nicht versucht, sie zu umgehen und alle Amerikaner*innen für sich zu gewinnen, sondern hat sie mit offenen Armen angenommen und ausgenutzt, um Republikaner*innen an sich zu binden.

US-Wahlsystem als Weichensteller der Polarisierung

Dass diese Strategie so erfolgreich sein kann, ist auch dem Wahlsystem der USA geschuldet. Im Electoral College muss man keine Mehrheit der Wählerschaft von sich überzeugen. Es reicht, wenn man in genügend Staaten eine knappe Mehrheit gewinnt. Wenn man sich ganz geschickt anstellt, würde deshalb theoretisch ein Viertel aller Stimmen genügen, um Präsident zu werden. Eine zuverlässige Wählerschaft an den richtigen Orten ist deshalb weit wichtiger als alles andere und genau das, was Donald Trump anvisierte. 2020 ging das beinahe erneut auf, aber eben nur fast, da auch in Republikanisch geführten Staaten mehr Demokratische Wähler*innen abstimmten. Als Reaktion darauf, versucht die Republikanische Partei jene von der Wahl abzuhalten, die die Demokraten wählen.

Schwieriger würde es sein, in einem proportionalen Wahlsystem mit dieser Strategie durchzukommen. Dort müsste man sich auf Themen und Ziele konzentrieren, die der Großteil der Wählerschaft teilt, also eher Valenzthemen. Dadurch würde man sich von seiner Konkurrenz auch durch Kompetenz statt nur durch Interessenvertretung abheben müssen. Im Wahlsystem der USA fällt das umgekehrt aus, was Politikern wie Donald Trump den Weg zum Sieg ebnen kann.

Tenor

Was sich danach komplizierter gestaltet, ist das Regieren. Aber wie Trump in seinen Reden immer wieder betont, dreht es sich sowieso nur um „winning, winning, winning“. Für die nächsten vier Jahre zählt das Regieren aber ohnehin nicht zu seinen Problemen, denn der Wahlsieger heißt Joseph R. Biden. Vielleicht sieht das 2024 wieder anders aus, falls Donald Trump erneut die Präsidentschaft anstrebt. Bis dahin wird er seinen Einfluss auf die Republikanische Partei wohl weiter ausbauen. Denn die Republikanische Wählerschaft ist immer noch von ihm überzeugt. Keine anderen Politiker*innen haben es bisher geschafft, sie so gekonnt auf ihre Seite zu ziehen. Solange dies der Fall ist, werden Republikanische Politiker*innen weiterhin ihre Treue zu Trump bekunden müssen, um Erfolg haben zu können.

So weht der politische Wind weiter in Richtung spaltender Polarisierung. Dieser hat Donald Trump seinen politischen Erfolg und seinen Einfluss über die Republikanische Partei zu verdanken und wird diese weiterhin prägen. So werden die USA nicht nur in zwei Lager geteilt, sondern auch immer mehr in Gewinner und Verlierer. Solange einer siegt, kann der andere nur leer ausgehen. Den Preis dafür zahlt langfristig Amerika und die ganze Welt. Die ganze Welt? Nein! Nicht Donald Trump.