Bericht von Peter Boswell (Praktikant)
Die zunehmende Polarisierung im US Kongress und im Vorwahlkampf der Präsidentschaftswahl hat längst auch auf die Außenpolitik der USA übergegriffen. Dies veranlasste die Atlantische Akademie in Kooperation mit der Gesellschaft für Sicherheitspolitik (GSP) und der Deutschen Atlantischen Gesellschaft den 19. Atlantischen Sommer den sicherheitspolitischen Implikationen des US-Wahlkampfes zu widmen. Über 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer befassten sich im Hotel Krupp in Bad Neuenahr-Ahrweiler mit diesem dringenden Thema. Im besonderen Fokus standen hierbei die Zukunft der Beziehungen mit dem Iran und mit Russland. Zu Gast waren Dr. Josef Braml von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, Giorgio Franceschini von der Hessischen Stiftung für Friedens und Konfliktforschung sowie Prof. em. Dr. Hannes Adomeit vom College of Europe in Warschau. Zunächst wurde die Veranstaltung von Oberst a.D. Gerd-Heinz Haverbusch von der GSP eröffnet. Anschließend folgte eine kurze Einführung durch Dr. David Sirakov, Direktor der Atlantischen Akademie, welcher zur Auswirkung politischer Polarisierung auf den US-Wahlkampf und deren außenpolitische Auswirkungen sprach. Hierbei deutete er an, dass Hillary Clinton als erfahrene Außenpolitikerin auch mit Krisensituationen gut umgehen könne und stellte die Frage in den Raum, ob eine mögliche Präsidentschaft Trumps einen Paradigmenwechsel in der US-Außenpolitik herbeiführen könnte.
Dr. Josef Braml trat daraufhin an das Podium und sprach in seinem Vortrag „Kurswechsel nach den Wahlen 2016? Außen-und Sicherheitspolitik der USA“ über die Krise der liberalen Demokratie in den USA und über die wachsende Herausforderung durch China als aufsteigende Supermacht. In seinem Vortrag beleuchtete Braml sowohl die innen- als auch außenpolitische Lage der Vereinigten Staaten. Innenpolitisch sieht er den Erfolg von Populisten wie etwa Donald Trump als Auswuchs einer Krise liberaler Demokratien. Diese würde unter anderem durch die grassierende Ungleichheit und die daraus resultierende soziale und politische Krise hervorgerufen. Konsequente Umverteilung von unten nach oben seit der Weltwirtschaftskrise und die damit verbundene Aussetzung des Haftungsprinzips freier Märkte habe das Gefühl der Ungleichbehandlung in den USA weiter angefacht. Die zunehmende Polarisierung im amerikanischen Kongress weise zudem auf eine tiefe Krise der amerikanischen Demokratie hin. Auf Grund der Struktur des amerikanischen politischen Systems, in dem die Exekutive und die Legislative einander nicht nur kontrollierten, sondern eben auch blockierten, seien die Vereinigten Staaten auch in der kommenden Regierung nicht in der Lage sich von ihrer Ineffektivität in der politischen Entscheidungsfindung zu lösen.
Außenpolitisch habe dieser Zustand gravierende Auswirkungen. Die innenpolitischen Krisen in den USA beschädigten ihr Ansehen und stellten ihre Rolle als hegemonialer Anbieter öffentlicher Güter wie etwa Sicherheit, eine liberale Wirtschaftsordnung und den US-Dollar als Leitwährung in Frage. Ideologisch widersprächen der relative Abstieg der USA und der Aufstieg neuer autoritärer Mächte wie China den von Francis Fukuyama präsentierten Triumph liberaler Demokratien. Mit Initiativen wie dem Wiederbeleben der Seidenstraße oder der Gründung der Asian Infrastructure Investment Bank als Gegenstück zu Internationalem Währungsfond und Weltbank wolle China seine Position als Welthandelsmacht präsentieren und festigen. Als Reaktion versuchten die USA diesen Entwicklungen vor allem mit einer Strategie des Containments entgegenzuwirken: Die Trans-Pacific Partnership schließe China absichtlich aus, um innen- und außenpolitisch ein chinesisches Feindbild zu vermitteln. Militärisch werde China als internationale Bedrohung dargestellt und wahrgenommen. Braml schlägt hingegen einen zunehmenden Dialog und eine Integration Chinas vor, etwa durch die Einbindung in einen NATO-China Rat.
Nach dem gemeinsamen Mittagessen trug Giorgio Franceschini in seinem Vortrag „Wie verlässlich sind Verträge? – Der Atomkonflikt mit dem Iran“ zum seit dem 16. Januar 2016 geltenden Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) vor, der von den P5+1, der Europäischen Union und dem Iran verabschiedet wurde. Nach einem kurzen geschichtlichen Abriss zum Atomprogramm des Irans ging Franceschini auf Reaktionen der internationalen Gemeinschaft sowie innenpolitischer Gruppierungen in den USA ein. Kurzgefasst umfasse der Iran-Deal die Vernichtung von angereichertem Uran sowie die Abschaffung der Mehrzahl an Gas-Zentrifugen im Iran. Im Gegenzug werde dem Iran die zivile Nutzung von Nuklearenergie unter Aufsicht der Internationalen Atomenergie Organisation gestattet. Breite Zustimmung finde der Iran-Deal vor allem in der EU, Russland, China sowie unter ausgewiesenen Experten zur nuklearen Nichtverbreitung. Saudi Arabien und Israel hingegen sähen sich durch zu laxe Auflagen gegen den Iran in ihrer Existenz bedroht. Sowohl im Iran als auch in den USA rufe das Abkommen ein geteiltes Echo hervor.
In den USA zählten die Obama Administration, ein Großteil der Demokraten sowie liberale Think Tanks, Stiftungen und Universitäten zu den Befürwortern. Diese argumentierten, dass der Iran Deal den Bau einer Atombombe im Iran um mindestens 15 Jahre verzögere, dass er den Frieden in der Region sichere und Kooperationsmöglichkeiten zwischen dem Iran und der internationalen Gemeinschaft ermögliche. Auf gegnerischer Seite ständen hauptsächlich Republikaner, der US-Kongress sowie konservative Think Tanks und Stiftungen. Laut deren Meinung verzögere sich der Griff zur Atombombe durch den Iran und somit auch die Kriegsgefahr im Mittleren Osten lediglich. Das Kooperationspotenzial sei darüber hinaus sehr gering einzuschätzen. Der Ausgang der kommenden Präsidentschaftswahlen werde entscheidend für den Erfolg des JCPOA sein. Sollte Clinton gewinnen, sei eine weitere Implementierung des Deals wahrscheinlich, vorausgesetzt dass keine größeren Regelverstöße des Irans stattfänden. Unter einer Regierung Trumps hingegen sei eine Rücknahme des JCPOA möglich, Sanktionen würden wieder eingeführt und der Versuch einen „besseren Deal“ auszuhandeln würde gestartet werden.
Politisch ist der Deal auch im Iran umstritten. So habe der Plan bisher noch zu keiner wirtschaftlichen Erholung oder politischen Liberalisierung geführt und ein Abwenden des Irans vom Abkommen sei nicht ausgeschlossen. Trotzdem sei der Iran Deal als latenter Erfolg zu verbuchen, auch wenn er das Konfliktpotenzial mit Israel und Saudi Arabien nicht vollends beseitigt habe. Er zeige allerdings, dass erfolgreiche nukleare Nichtverbreitung durch Kooperation von Großmächten, Pragmatismus und politischen und wirtschaftlichen Anreizen an die Problemstaaten durchaus möglich sei.
Abschließend sprach Prof. em. Dr. Hannes Adomeit zu „Putin und der Westen? Herausforderungen für das transatlantische Verhältnis“. Hierbei machte er klar, dass Russland ein eigenes Weltbild kreiere, dieses bewusst von dem westlichen abtrenne und darin den Westen zum offenen Feindbild erkläre. Russland werfe dem Westen vor, seine NATO-Stationierungen im Rahmen der Osterweiterung immer näher an die russische Grenze gebracht zu haben, was wiederum eine Bedrohung für Russland darstelle. Insbesondere die Beitrittsverhandlungen zwischen der NATO und der Ukraine seien Russland dabei ein Dorn im Auge gewesen. Vorwürfe gegen den Westen nähmen dabei teilweise absurde Züge an. So mache Russland den Westen etwa für Terroranschläge in seinen südlichen Provinzen verantwortlich oder werfe ihm vor, gezielt Farbrevolutionen und Regierungsumstürze herbeizuführen. Die Grundlage für diese Feindseligkeit sieht Prof. Adomeit in der gescheiterten Modernisierungspolitik des damaligen Präsidenten, Dmitrij Medwedew. Dieser habe versucht zwischen 2008 und 2010 gegen die wirtschaftliche Misere als auch gegen die Ineffizienz des Staatsapparates anzukämpfen. Teil dieser Bemühungen sei die Unterbindung des Rechtsnihilismus in abgelegenen Bereichen Russlands sowie ein struktureller Übergang der russischen Wirtschaft von Rohstoffabhängigkeit zu Know-how gewesen. Trotz teils schmerzlicher Einschnitte in die Finanzierung staatlicher Betriebe, konzentrierten sich die Erfolge der Modernisierung vor allem auf die russischen Streitkräfte. Die Weltwirtschaftskrise und der Verfall des Ölpreises machten effektive wirtschaftliche Reformen hingegen dringend notwendig. Die Einschnitte, die diese Reformen mit sich brächten, und der ausbleibende Erfolg ebendieser führten zu einer zunehmenden Unzufriedenheit der Bevölkerung Medwedews gegenüber, sodass die Regierungspartei „Einiges Russland“ Putin 2011 nur mit offenkundiger Wahlfälschung zum Sieg verhelfen konnte.
Die Legitimitätskrise ließe sich allerdings nur schwer verbergen, als Massendemonstrationen gegen die Regierung zehntausende Russinnen und Russen auf die Straße trieben. Da zur gleichen Zeit die Farbrevolutionen in Nordafrika und dem Nahen Osten für Aufsehen sorgten, verschärften sich Befürchtungen innerhalb der russischen Machtelite, dass diese auch auf Russland überspringen könnten. Die Modernisierungsbestrebungen und die damit verbundene Unzufriedenheit der Bevölkerung würden dabei besonders kritisch begutachtet. Somit seien drastische Maßnahmen ergriffen worden, die eine klare Abgrenzung vom Westen darstellten. Teil dieser Maßnahmen sei das Auslandsagentengesetz, das den vermeintlichen Einfluss ausländischer Organisationen auf die russische Innenpolitik verhindern solle sowie den Ausschluss ausländischer und internationaler Organisationen und Institutionen beinhalte. Hierzu gehöre zum Beispiel das vom US-Kongress geförderte National Endowment for Democracy, welchem von autoritären Regimen immer wieder eine Einmischung in innenpolitische Angelegenheiten vorgeworfen wird. Somit würden Repressionen in Kombination mit einer national-patriotischen Mobilisierung als reaktionäre Maßnahmen eingeleitet, die Russlands Führungsriege als Gegenpol westlicher Vorherrschaft positioniere. In der anschließenden Diskussion wurde klar, dass die Zukunft der Beziehungen Russlands mit dem Westen auch von dem Ausgang der Präsidentschaftswahlen in den USA im kommenden November abhänge.
Sollte Clinton die Wahlen gewinnen, stehe eine Verschlechterung der Beziehungen mit Russland bevor – Clintons Außenpolitik werde in Russland als ideologie-getrieben wahrgenommen und eine Einigung zu Themen wie dem Ostukraine-Konflikt sei nicht anzunehmen. Trump hingegen habe eine gewisse Nähe zu Russland angedeutet, insbesondere hinsichtlich einer Politik der Nichteinmischung. Gegen Trump spreche aus russischer Perspektive seine Unberechenbarkeit in außenpolitischen Fragen.