Hello USA! Meine Zeit an der University of Illinois at Urbana-Champaign

von Leo Kempe

Hallo liebe Transatlantiker*innen und Freund*innen der Atlantischen Akademie!

Mein Name ist Leo Kempe, ich bin 25 Jahre alt und studiere seit August 2022 innerhalb des StudyAbroad-Programms an der University of Illinois at Urbana-Champaign, kurz UIUC. Dies ist eine Möglichkeit, die meine Heimatuniversität in Heidelberg geboten hat, um an einer Hochschule in den Vereinigten Staaten von Amerika studieren zu können. Da ich in meinem Studium in Deutschland auch viele Geographiekurse belegt habe, konnte ich mich über das Geographische Institut bewerben, das eine Kooperation mit jenem der U of I, wie die Uni gerne umgangssprachlich bezeichnet wird, pflegt. Das Department of Geography and GIS ist von der Struktur her etwas anders als in Deutschland, aber dazu nachher mehr. Vielen von euch stellt sich jetzt, gerade wenn ihr vielleicht selbst vorhabt, in den USA zu studieren, eine wichtige Frage: Wie komme ich hier her?

Die Vorbereitungen

Tja, leider sind die USA eben nicht Europa, und man benötigt zuerst einmal ein Visum, damit man einreisen darf und sich dann auch legal im Land aufhält. Für solche Visa gibt es unterschiedliche Kategorien: Egal ob Tourist, Student, Schüler, Diplomat, Soldat, oder landwirtschaftlicher Arbeiter – alle fallen in eine bestimmte Kategorie, die mit bereitzustellenden Dokumenten einhergeht. Ich benötigte beispielsweise ein Visum der Kategorie J-1 für sogenannte Exchange Visitors, also Menschen aus anderen Ländern, die im Rahmen eines bildungsorientierten Programms das Land nur „besuchen“ und eine begrenzte Zeit dort leben werden. Für dieses auch unter dem Begriff Non-Immigrant Visa (Nicht-Einwanderer-Visum) bekannten Dokuments musste ich das amerikanische Generalkonsulat in Frankfurt am Main kontaktieren, um einen Antrag zu stellen. Um diesen Antrag formal richtig zu stellen, musste ich die Seite des U.S. Department of State aufrufen. Das sogenannte DS-160-Formular ist eine Ansammlung verschiedener Fragen, angefangen von der Person und Ausbildung über persönliche Dinge wie Lebenssituation oder Social Media bis hin zu sehr unwahrscheinlichen Dingen wie Mitgliedschaft in einer kriminellen oder gar terroristischen Gruppe. Zugegeben, das Ausfüllen war schon ziemlich komisch, weil diese Dinge doch sehr privat oder einfach schräg waren und man doch etwas Unsicherheit verspürte. Nichtsdestotrotz hatte ich keine andere Wahl, da ich ja nur so an mein Visum kommen würde.

Nach dem Prozedere, das immer wieder wegen zu langer Zeitdauer unterbrochen wurde, musste ich zwei Arten von Gebühren entrichten: Eine Prozessgebühr für die Informationserhebung (Application Processing Fee) und eine Gebühr des Student and Exchange Visitor Information Systems, auch unter dem Akronym SEVIS bekannt. Das ist ein Monitoring-Tool, welches die amerikanischen Sicherheitsbehörden dazu befähigt, über die Anzahl und die persönlichen Informationen von jenen ausländischen Staatsbürgern Bescheid zu wissen, die am amerikanischen Bildungssystem teilhaben werden (siehe hier). Auch der Barcode des DS-160 Formulars, der die Antragsstellung physisch und digital beweist, musste ich speichern und drucken.

Ein weiteres wichtiges Dokument, das ich benötigte, war das Certificate of Eligibility for Exchange Visitor Status, auch DS-2019 genannt. Es ist ein Regierungsdokument, das mich offiziell als internationalen Studierenden an der U of I zulässt. Es wird von der Gasthochschule ausgestellt, und dann bei der Einreise von einem Beamten oder einer Beamtin der United States Customs and Border Protection/USCBP, der amerikanischen Zoll- und Grenzschutzbehörde, gegengelesen und geprüft. Es war also eine Art Herzstück des gesamten Antrags, denn nur wenn dieses Dokument in Kombination mit dem J-1-Visum bei der Einreise am Flughafen vorgelegt wird, ist man auch berechtigt, den dortigen Grenzposten zu passieren.

Weiterhin ist das körperliche und seelische Wohlbefinden der Einreisenden von zentraler Bedeutung, weshalb die US-Regierung das Ausfüllen eines sogenannten Immunization Form mit Informationen über Krankheiten und Impfungen vorschreibt. Hier ist seit Ausbruch der COVID-19-Pandemie natürlich vor allem die Frage nach einer Impfung mit BioNTech-Pfizer, Moderna, oder Johnson&Johnson vorherrschend, aber auch andere Krankheiten wie Mumps, Masern, Röteln (Mumps, Measles, Rubella/MMR) sind inkludiert. Beim Hausarzt können gegebenenfalls Impftermine für fehlende Impfungen vereinbart und das gesamte Dokument ausgefüllt, geprüft, und unterschrieben gelassen werden. Das war jedenfalls bei mir so. Falls ein Interviewtermin zum Erhalt des Visums notwendig werden sollte, müsstet ihr eventuell bei demjenigen Arzt oder derjenigen Ärztin, die auf der Seite des zuständigen Konsulats oder der Botschaft gelistet sind, einen Termin ausmachen. Nähere Informationen gibt die Webseite der zuständigen diplomatischen Vertretung.

Wie bereits angesprochen könnte es sein, dass ein Interviewtermin fällig wird. Diesen müsst ihr auf der Internetseite US Travel Docs vereinbaren. Falls ihr einen Interview Waiver bekommt, müsst ihr nicht persönlich am Konsulat oder der Botschaft erscheinen. Bei mir war das wegen einer Regelung aus der Anfangsphase der Pandemie der Fall, und auch deshalb, weil ich meine ausgedruckten Unterlagen samt Pass in einem Versandkarton (Maße max. 30 x 22 x 5 cm) mittels UPS-Versands ans Frankfurter Konsulat geschickt habe. Ich habe nach einer zugegeben längeren Wartezeit meinen Pass mit meinem geklebten J-1-Visum zurückerhalten – der erste offizielle Schritt war getan.

Mitte August bin ich dann gemeinsam mit meinen Eltern vom EuroAirport Basel-Mulhouse-Freiburg aus über London-Heathrow nach Chicago an den O’Hare International Airport geflogen, und wir haben ein paar Tage in der Stadt verbracht. Da ich am 15. August zwingend auf dem Campus der U of I sein musste, fuhren meine Eltern und ich mit einem Mietwagen am 14. die zweieinhalb Stunden nach Urbana.

Vor Ort

Mein Apartment liegt in Urbana, der einen der beiden Zwillingsstädte in Ost-Zentral-Illinois. Gemäß der gängigen Beschreibung der Nähe zum Campus wohne ich off-campus, das bedeutet, ich bin nicht direkt in unmittelbarer Nähe der wichtigsten Universitätseinrichtungen und nicht in einem dormitory/dorm, einer klassischen studentischen Unterkunft, untergebracht. Dennoch habe ich es nicht weit zu denjenigen Instituten, an denen ich Kurse besuche, und auch in direkter Nachbarschaft befinden sich einige universitäre Einrichtungen. Aber ich möchte betonen, dass es ganz auf eure Präferenz ankommt, ob ihr on- oder off-campus wohnen möchtet!

Bei meiner Ankunft musste ich mir sehr viele Einrichtungsgegenstände selbst besorgen. Da ich kein Auto habe, sind meine Eltern mitgeflogen, um mich zu unterstützen. Im Norden von Champaign, der anderen Zwillingsstadt, befindet sich mit dem Marketplace ein Shoppingkomplex, in dem man die Sachen bekommt, die man benötigt – Kleidung, Haushaltsutensilien (Staubsauger, Besteck, Töpfe, Pfannen, Dekoration,…), Essen, Trinken und vieles mehr. Hier haben wir tatsächlich mehrere Stunden an mehreren Tagen verbracht, um alles Nötige zu besorgen. Dazwischen hatte ich oft auch noch kleinteilige dokumentarische Aufgaben zu erledigen, wie beispielsweise das Einrichten meines universitären Online-Zugangs. Dieser erfolgt mit einer sogenannten NetID und einem zugehörigen Passwort, das ich selbst festlegen konnte. Auch erste Einführungs- und Kennenlernveranstaltungen füllten diese ersten Tage, sodass ich schnell in die Studierendenschaft aufgenommen wurde. Wir wurden mit den Einrichtungen und Fakultäten der Universität eingeführt und über Finanzen und Technologie informiert, die mit dem Studium einhergehen.

Apropos Finanzen und Technologie: Je nachdem, wie lange ihr in den USA bleibt, ist ein amerikanisches Bankkonto von Vorteil. Meins habe ich bei der in der Region bekannten PNC-Bank in Urbana eröffnet. Da man leicht etwas missverstehen kann, wenn man so etwas noch nicht in einem anderen Land gemacht hat, war mein Vater als Unterstützung mit dabei. Das ist auch mein Tipp: Wenn euch eure Eltern in die USA begleiten, sollten sie nach Möglichkeit bei so etwas dabei sein, um „abzusichern“. Das ist auch nicht schlimm, es dient eurem Schutz und eurem sicheren Umgang, wenn ihr in den universitären und Lebensalltag eintaucht.

Ganz genauso verhält es sich mit der Technologie. Ich habe mir beim Anbieter AT&T eine Prepaid-Karte besorgt. Je nachdem, welchen Plan man auswählt, hat diese ein bestimmtes Datenvolumen und bietet verschiedene Services wie Freiminuten oder -textnachrichten. Dieses Datenvolumen wird bei meinem Bezahlungsplan immer wieder erneuert, sodass es keine Schwierigkeiten gibt. Der Flyer des Anbieters, der in deren Shops erhältlich ist, gibt zusätzliche wichtige Informationen zur idealen Herangehensweise, beispielsweise auch, wie man die „alte“ Karte entnehmen muss. Wenn ihr das abgeschlossen habt, könnt ihr euch eine amerikanische Telefonnummer zulegen. Diese ist für vieles von großem Vorteil und hat für gewöhnlich das Format „+1 (xxx) yyy-zzzz“.

Leben und Studieren in Urbana-Champaign

Ich muss gestehen, es war eine ziemliche Umstellung, hier in den USA richtig anzukommen. Was mir vor allem aufgefallen ist: Die akademische Kultur hier über dem „Großen Teich“, tausende Kilometer weit weg von Europa, ist ganz anders. Es wird beispielsweise eine andere Terminologie verwendet. Das klassische „Semester“ wird durch die Bezeichnungen Fall Term, Spring Term, und Summer Term ersetzt, und die für die Note relevanten Arbeiten werden zum Großteil während des Semesters abgeschlossen. Da gibt es verschiedene Formate: Fragebögen, Zusammenfassungen, PowerPoint-Präsentationen, Diskussionen, Kleinprüfungen und die klassischen Hausarbeiten. Je nachdem, wie fordernd die Professor*innen sind, bedeutet das einiges an Arbeit zusätzlich zu den im Stundenplan festgelegten Unizeiten.

Werden wissenschaftliche Bücher, sogenannte textbooks, für die Kurse verwendet, erwarten die Lehrenden auch ein explizites Einbeziehen dieser Literatur in die interne Diskussion sowie in die später verrichteten schriftlichen Arbeiten. Dabei wird Wert auf Genauigkeit, Lesefluss und andere Dinge gelegt – allerdings durchaus sogar etwas akribischer als ich es gewohnt bin. Es gibt im Geographischen Institut auch Gruppentische, die extra für eine lebhafte Diskussion konzipiert wurden. Das erleichtert den Zugang zu den anderen Studierenden sowie den Kontakt zwischen Lehrenden und Studierenden. Die fortwährende Arbeit während des Semesters ist aufwändig, klar, bringt aber auch Vorteile: Man beschäftigt sich konstant mit den Themen und Details geraten nicht so leicht in Vergessenheit und man hat in der Fall Break, Christmas Break, und Spring Break Zeit für sich selbst, zum Reisen, und zum Durchatmen – das finde ich super!

Amerikanische Studierende sehen in ihrer Heimatuniversität zudem eine akademische und soziale Gemeinschaft, die auch sehr gerne groß und öffentlich betont wird. Wie anderswo in Amerika gibt es auch an der hiesigen Universität traditionelle Farben (Orange und Blau) sowie ein Logo, einen Slogan, und tatsächlich auch eine eigene Universitätshymne, Hail to the Orange. Spielt die Marching Band – die Marching Illini (MI) – diese Melodie, stehen die Studierenden allesamt auf, nehmen ihre Mützen ab und legen ihre Arme um ihre Schultern, um regelrecht zu schunkeln und aus voller Kehle mitzusingen. Das war erst sehr ungewohnt.

Was die Kurse angeht habe ich im vergangenen ersten Semester besonders „Green Development“ und „Environmental Communications“ sehr gerne besucht, einfach weil man so viel auffrischen aber gleichzeitig auch so viel Neues lernen konnte. Zudem hat mich die hilfsbereite, freundliche und lustige Art der Profs begeistert. Wenn ihr etwas über Nationalparks, amerikanische Ureinwohner und Recht lernen wollt, dann seid ihr hier auch genau richtig! Auch dieser Kurs („Native American Law and Politics“) hat mir im ersten Semester gefallen. Im jetzigen zweiten Semester belege ich einen Schwedisch-Kurs, einen Kurs im Investigativ-Journalismus sowie einen Kurs zu nachhaltiger Planung und nachhaltigem Design. Es ist ein sehr breit gefächertes Angebot, dass wir als ausländische Studierende an der U of I geboten bekommen, denn wir können uns auch in Kurse außerhalb unserer Heimatfakultät setzen, um neue oder vertiefende Kenntnisse zu erwerben. Auch das ist ein Vorteil von Amerika.

Aber hey, es gibt auch ein Leben außerhalb der Wände der Universität! Meist spielt sich das in den Registered Student Organizations (kurz RSOs) ab. Diese Studierendenorganisationen haben mit ihren Events für jeden und jede etwas und stellen sich Ende August zu Anfang des Fall Terms beim sogenannten Quad Day vor. Der Quad Day ist wie eine riesige Messe auf der großen Wiese auf dem Campus: Es gibt Musik von den Marching Illini sowie Essen und Trinken und viele Stände, an denen man sich für die Organisationen registrieren kann (per QR-Code oder handschriftlich). Da gibt es von Musik über Fotografie, Kultur, Outdoor und Biologie bis hin zu Journalismus alles. Es gibt auch „verrückte“ Organisationen wie einen Harry Potter-Club. Ich habe mich für mehrere RSOs mit den Schwerpunkten Geographie, Biologie, Fotografie und Kultur entschieden.               

Sonst könnt ihr natürlich auch in Urbana oder in Champaign viel unternehmen: Geht im Arboretum, einem Park, oder in den Busey Woods joggen, setzt euch mit Freunden auf den Quad zum Picknicken und Quatschen, geht im Winter in die Ice Arena zum Eislaufen, genießt ein Bier im Murphy’s Pub. Oder, und das ist natürlich „amerikanischer als amerikanisch“: Geht ins Memorial Stadium und feuert die Footballmannschaft der Fighting Illini an, das Gleiche geht im Basketballstadion, dem State Farm Center. Aber vergesst nicht, die Fight Songs – die Fangesänge der Mannschaft, wie Illinois Loyalty – zu lernen! Es ist viel geboten, und langweilig wird’s garantiert nicht! Also, auf geht’s nach Urbana-Champaign!

Leo Kempe ist Student an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Master of Arts Politikwissenschaft. Der Bericht ist ein persönlicher Erfahrungsbericht über seinen Auslandsaufenthalt.