Vom Ku-Klux-Klan zur "Alt-Right"-Bewegung: Rechtsextremismus in den USA

by Lisa Zubiller 

In den letzten Jahren wurden Stimmen aus der rechtsextremen Szene der USA immer lauter. Dabei treffen alte und neue Gruppierungen aufeinander, deren Mitglieder*innen sich in Alter und sozialer Stellung zwar unterscheiden, im Kern jedoch einer ultrarechten und rassistischen Ideologie anhängen, die gruppenübergreifend als Identifikationsmerkmal fungiert. Das Aufkommen neuer Gruppen mit stark wachsenden Mitgliedszahlen ist ein kontemporäres Phänomen, das in den letzten Jahren für neue Aufstände, Unruhen und auch Ermordungen im Land führte. Die genauere Beleuchtung dieser rechten Strömungen in den USA deutet auf eine tiefe Zerrissenheit der US-Gesellschaft hin, welche von Unsicherheit, Angst und Hass geprägt ist.

Neues Selbstbewusstsein in der anonymen Onlinewelt

Die zunehmende Digitalisierung hat es rechtsextremen Gruppen vereinfacht, ihre Ideologien massenhaft zu verbreiten. Dabei geht es nicht nur um den Austausch von Gedankengut, sondern auch um die gezielte Planung von Kundgebungen und Treffen. Neben der offenen Nutzung rechter Webseiten wie „Stormfront“, sind es vor allem im Darknet verborgene Chatrooms, die mit Video-, und Audiomaterial zur Radikalisierung beitragen. Hierbei geht die Kommunikation bereits über einen nationalen Rahmen hinaus. Durch den globalen Charakter des Internets wird mit der Verbreitung von Hass und Hetze online ein internationaler Austausch ermöglicht und gefördert. So griff beispielsweise die deutschsprachige „Identitäre Bewegung“ die Geschehnisse rund um die Erstürmung des Kapitols am 6. Januar 2021 noch am gleichen Tag auf ihrer Plattform auf und trug mit ihren Überlegungen zum Geschehen zu Verschwörungsnarrativen der amerikanischen Rechten bei. Auch die Kommunikationsplattformen der rechten Bewegungen in Deutschland und den USA überschneiden sich auffallend. Der Messengerdienst Telegram gilt in vielen Ländern als Sammelplatz ideologischer Propaganda und Verschwörungsmythen, nachdem viele Social-Media-Kanäle vermehrt „deplatforming“ betreiben. Dabei wurden in den letzten Jahren zunehmend Konten auf Twitter, Facebook oder auch YouTube blockiert und gelöscht, die rechtes Gedankengut verbreiten, was wiederum zur weiteren inneren Kräftigung der Gruppen beisteuert: Durch die Verbannung im Netz entsteht ein zunehmendes Solidaritätsgefühl rechter Aktivist*innen mit der Überzeugung einer illegitimen Herabsetzung ihrer Meinungsfreiheit. Die digitale Zusammenkunft rechter Akteur*innen wird von der Anonymität des Internets zunehmend gestärkt und sorgt für ein wachsendes Selbstbewusstsein und eine propagandistische Identifizierung mit dem eigenen Denken, was eine enorme Polarisierung der gesellschaftlichen und politischen Landschaft der USA zur Folge hat.

Zunahme von Angriffen und Anschlägen

Das Internet wird im rechtsextremen Milieu nicht nur zur Plattform der Verbreitung von Ideen und Gedanken, sondern auch zum aktiven Schauplatz der Planung von öffentlichen Treffen und Anschlägen. Seit dem Jahr 2015 wurden mindestens 91 Menschen durch mindestens 267 rechtsterroristische Angriffe getötet. Dabei wird beim „domestic terrorism“ vor allem ein Ziel verfolgt: eine psychologische Wirkung im innergesellschaftlichen Kontext, die im Kern zu einem politischen Wandel und Umdenken führen soll. Demnach handelt es sich hierbei um ein Geflecht aus Warnung für bestimmte Gruppen wie People of Color, LGBTQ+-Personen und andere US-amerikanische marginalisierte Gruppen und einem Aufruf zum politischen Wandel. Das Jahr 2020 stellt einen Rekord rechtsextremer Kriminalität auf, was sich auch auf die mediale Berichterstattung zurückführen lässt. Seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 konzentrierten sich sowohl Amerikas Medienwelt als auch das FBI und die Polizei vordergründig auf den radikalen Islamismus. Jedoch wurden seitdem mehr Anschläge und Ermordungen von „White Supremacists“ und ähnlichen Gruppierungen verübt. Seit wenigen Jahren werden diese Fälle nun genauer untersucht, aufgearbeitet und medial verbreitet.

Die Untersuchungen des „domestic terror“ der letzten Jahre haben einige Muster und wiederkehrende Formen von „hate crimes“ in den USA offengelegt. So waren auffällig viele Militärangehörige an rechtsextremen Attacken beteiligt. Gerade die Erstürmung des Kapitols zu Beginn des Jahres 2021 zeigte eine hohe Teilnahme von fast ausnahmslos männlichen Veteranen, ehemaligen Polizisten und aktiven Militärangehörigen. Ziele der Angriffe wurden wiederum vor allem polizeiliche Einrichtungen und staatliche Institutionen. Diese machten im Jahr 2020 38% aller Attacken rechtsextremen Terrorismus aus. Neben den terroristischen Anschlägen zählen nicht-physische Angriffe wie „hate speeches“ oder diffamierendes Bildmaterial gegen bestimmte ethnische oder soziale Gruppen zu den meistverbreiteten Verbrechen der Ultrarechten Amerikas. Obwohl die Zahl der rechtsextremen Kriminalität im Jahr 2020 schlagartig zunahm, gab es weniger Todesfälle. Grund hierfür ist der Einzeltatcharakter der Anschläge, bei denen zumeist eine Person gezielt mit einer Schusswaffe getötet wurde.

In den Jahren zuvor gab es allerdings einige rechtsradikale Terrorattacken, bei denen mehrere Menschen verletzt und getötet wurden. Der Anschlag von Charlottesville im August 2017 beispielsweise zeigt hierbei das massive Ungleichgewicht innerhalb der US-amerikanischen Bevölkerung mit extremen Folgen. Der damals 20-jährige James Field raste bei einer Demonstration mehrerer rechter Organisationen in eine Gruppe von Gegendemonstrant*innen. Mehrere Menschen wurden verletzt, eine Frau getötet. Die zunehmende Radikalisierung der amerikanischen Rechten markiert eine tiefe Spaltung der Gesellschaft, die sich nicht auf Einzeltäter oder eine homogene Gruppe zurückführen lässt. Der radikale rechte Rand der US-Gesellschaft ist geprägt von einer Vielzahl von Organisationen und Wortführern, deren Gedankengut und Strukturen sich in vielerlei Hinsicht ähneln und gegenseitig bedingen.

Die Zersplitterung und Gruppierung der amerikanischen Rechten

Die Geschichte des amerikanischen Rechtsextremismus in organisierter Form reicht zurück in die Mitte des 19. Jahrhunderts. Im Jahr 1856 gründeten einige Bürgerkriegsveteranen aus den Südstaaten den Geheimbund Ku-Klux-Klan. Sein Ziel war die klare Einschüchterung und Verbreitung von Angst bei der schwarzen US-Bevölkerung nach der Abschaffung der Sklaverei. Die Propagandamaschinerie des Klans erstreckte sich von innerorganisatorischen Ritualen bis hin zur offenen Gewalt und Ermordung, oft in Form von Lynchen, dunkelhäutiger Amerikaner*innen. Mehrere sogenannte „Ku-Klux-Klan-Acts“ im Kongress sahen vor, den Kult und seine Verbreitung einzudämmen, jedoch ohne viel Erfolg. Erst im Jahr 1874 löste sich die Gruppe auf. Einige Jahre später jedoch wurde der Klan durch den Einfluss von D.W. Griffiths rassistischem Blockbuster „Birth of a Nation“ wiederbelebt. So begann 1915 die zweite Phase des Ku-Klux-Klans, der dann bis 1944 zusammenblieb. In den 1960ern wurde die Gruppe durch das Aufkommen der Bürgerrechtsbewegung wieder aktiv und kann seit Barack Obamas Präsidentschaft (2009-2017) einen vermehrten Zulauf verzeichnen. Das Gruppengefüge ist jedoch, wie bei den meisten rechten Gruppierungen, kein homogenes mehr. Auch beim Klan gibt es verschiedenste Fragmentierungen und lokale Zusammenkünfte. Im Wahlkampf 2020 sprach sich dann Donald Trump für ein Verbot des Geheimbundes aus, um mehr afroamerikanische Wähler*innen für sich zu gewinnen.

Auch wenn der Ku-Klux-Klan in US-amerikanischen Medien sowie weltweit durch seine charakteristischen Merkmale und Rituale weithin präsent bleibt, sind es andere rechtsradikale Gruppen, die im zeitgenössischen Kontext die Hass-Narrative in der US-Gesellschaft prägen. Darüber hinaus vermischt sich sowohl das Gedankengut als auch die Zielsetzung der verschiedenen Organisationen und hinterlässt somit eine interagierende Heterogenisierung von Amerikas Rechten. Während der Ku-Klux-Klan heute noch knapp 3.000 Mitglieder landesweit verzeichnen kann, lässt sich die Größe der Alt-Right-Bewegung kaum in Zahlen messen.

Alt-Right, die „Alternative Rechte“, ist viel eher ein Sammelsurium ultrarechten Gedankenguts mit losen Mitgliedern, die sich vor allem digital vernetzen und in weitere Untergruppen aufteilen. Die Grundüberzeugung der Bewegung ist die „white supremacy“, also die weiße Vorherrschaft, die seit 2010 immer offener und radikaler online und auf Demonstrationen oder Reden propagiert wird. Vordergründig wird zumeist eine Bewahrung tradierter, konservativer Werte als Ziel gesetzt, um einen ultrarechten Diskurs scheinbar zu vermeiden und somit junge Mitglieder anzuwerben. In der Realität handelt es sich bei der Alt-Right-Bewegung jedoch um eine klar rassistische und zumeist auch antisemitische Gruppierung. Ihre Anhänger*innen rekrutiert die Gruppierung vordergründig mit Ideen unter dem Deckmantel einer „anti-establishment“-Philosophie, die vor allem junge Amerikaner*innen ansprechen soll.

Ein weiteres aktuelles Kennzeichen rechter Gruppen wie der Alt-Right-Bewegung ist der Führungsanspruch verschiedener Zugehöriger anstelle eines Organisationsleiters. Im Falle der „Alternativen Rechten“ sieht sich mit Richard Spencer der Chef eines nationalistischen Thinktanks als Begriffsgründer. Daneben stellen sich auch Mitbegründer der rechtspopulistischen Online-Plattform „Breitbart News“ Steve Bannon und dessen ehemaliger Mitarbeiter Milo Yiannopoulos als klare Wortführer der Strömung dar. Während Spencer die Ideen eines „white zionism“ im Sinne der weißen Vorherrschaft kundtut, vertreten Yiannopoulos und Bannan vor allem eine antimuslimische, homophobe und frauenfeindliche Agenda.

Die Zersplitterung der populären Alt-Right-Bewegung zeigt die aktuelle Dynamik rechtsradikaler Gruppen in den USA wie keine andere. Auch kleinere Gruppen wie die „Proud Boys“ lassen sich dem rassistischen Überbegriff der alternativen Rechten zuordnen, auch wenn sie sich als eigene Gruppe organisieren. Gegründet von Gavin McInnes sehen sich die „proud boys“ als „stolze westliche Chauvinisten“. In der nur Männern zugänglichen Organisation möchte man sich wiederholt vom Rassismusvorwurf distanzieren, wobei sie beispielsweise in Kanada als terroristische Gruppe bereits verboten wurde. Ihre inhaltliche Zuordnung zum Rechtsradikalismus zeigten die „proud boys“ unter anderem auch bei Demonstrationen in Charlottesville und New York, wo mehrere Mitglieder linke Gruppenzugehörige angriffen und verletzten.

Amerikas Neonazis sind ebenfalls in verschiedenen Gruppen organisiert, wie beispielsweise in der „Atomwaffen Division“ oder im „National Socialist Movement“, die landesweit vertreten sind. Übergreifend idealisieren sie das Dritte Reich und verbreiten einen ausgeprägten Antisemitismus, sowie Rassismus und Homophobie. Auch diese Gruppen verdanken ihre immense Verbreitung dem Online-Austausch, auch mit einigen europäischen Neonazi-Organisationen.

Und bei all diesen Gruppierungen darf ein Faktor natürlich nicht vergessen werden: die Rolle der Religiösen Rechten in den USA. Denn der vorgetragene Nationalismus ist oft ein religiös geprägter, wie die Journalistin Annika Brockschmidt in ihrem Werk "Amerikas Gotteskrieger" deutlich herausarbeitet. Die Frankfurter Rundschau fasst es so zusammen: "Der Christliche Nationalismus, den man am 6. Januar beobachten konnte, tauchte nicht erst mit Donald Trump auf der politischen Bühne auf. Bei näherem Hinsehen war es auch wenig überraschend, dass Rassismus das verbindende Element zwischen der Religiösen Rechten und White Supremacists darstellte: Schon bei den Anfängen der organisierten modernen Religiösen Rechten in den 1960er Jahren war Rassismus die treibende Kraft."

Die Radikalisierung unter Trump

Die Erstürmung des Kapitols zu Beginn des Jahres 2021 war nur der Gipfel der rechtsextremen Polarisierung im Amerika der letzten Jahre. Unter der Präsidentschaft Donald Trumps radikalisierte sich nicht nur die Republikanische Partei in ihren rechten Lagern, sondern auch das rechtsterroristische Milieu innerhalb der Gesellschaft. Der Nationalismus unter Trump trug immens zur inneren Spaltung der US-Bevölkerung bei, schürte sowohl Hass und Ablehnung als auch Angst und Ungleichheit auf der anderen Seite. Rechtsradikale Gruppen, die sich vor allem im Internet auf Darknet-Foren oder Social Media-Kanälen austauschen und organisieren sind die Realität in den USA des 21. Jahrhunderts und fördern rassistische, antimuslimische, antisemitische oder homophobe Gewaltverbrechen, die in den letzten Jahren drastisch zunahmen.

Es muss einen nicht sonderlich wundern, dass Hassverbrechen und gesellschaftliche Spaltung in einer Zeit florieren, in der die USA sich zugleich von einer Präsidentschaft erholt und sich auf die Wiederkehr ebenjener vorbereitet, die den Nährboden für Radikalität lieferte. Ein neues Selbstbewusstsein rechter Gruppen geht nicht nur vom Umwerben des Ex-Präsidenten aus, sondern auch von dessen klarer Unterstützung ihrer Narrative. Nicht nur, dass „Breitbart-News“-Mitbegründer Steve Bannon zu Trumps engsten Beratern gehörte, auch der Ex-Präsident selbst lieferte Unmengen an Aussagen und Reden, die im Sinne des rechten Randes fungierten. „Stand back and stand by“, mit dieser Aussage hob Trump jede Distanzierung zu den rechtsradikalen „proud boys“ auf und machte sich spätestens im letzten Wahlkampf zum offenen Unterstützer und Befürworter eines radikal rechten Amerikas.

Donald Trump hinterließ ein sich radikalisierendes Land, in dem nicht nur Menschen, sondern auch Amerikas Grundwerte angegriffen werden. Die Demokratie ist in Gefahr, und ist es höchstwahrscheinlich noch mehr, wenn Trump aus dem Hintergrund wieder auf die Weltbühne zurückkehrt. Seine Popularität wächst, ebenso wie die Anhängerschaft in den unzähligen zersplitterten und doch zusammenhängenden Gruppen des rechten Amerikas im 21. Jahrhundert. Und damit wird ein Teil der US-Geschichte fortgeschrieben, der leider schon seit der Gründung ein integraler Bestandteil des Landes ist.