Wie ein sicherheitspolitischer Erfolg die Schwächen Donald Trumps offenbart

von David Sirakov

Es ist sein größter sicherheitspolitischer Erfolg als der US-Präsident vor die Presse tritt und mitteilt, dass US-Spezialeinheiten den Anführer der weltweit wohl gefährlichsten Terrorgruppe getötet haben. Nach der Verkündung kommt es zu spontanen Freudenbekundungen und "USA, USA"-Rufen auf den Straßen und der ansonsten im politischen Washington umstrittene Präsident erfährt Anerkennung von fast allen Seiten des politischen Spektrums.

All das hat sich so nach dem Tod Osama Bin-Ladens am 1. November 2011 zugetragen, allerdings nicht, nachdem am vergangenen Samstag, dem 26. Oktober 2019, Abu Bakr al-Baghdadi, der Anführer der Terrororganisationen Islamischer Staat, nahe des syrischen Idlib von Einheiten der Delta Force aufgespürt wurde und sich daraufhin selbst in die Luft sprengte.

Vielmehr geschah nahezu das Gegenteil. Bei seinem ersten öffentlichen Auftritt nach der Verkündung des Todes al-Baghdadis anlässlich der Finalspiele der Major League Baseball World Series zwischen den Washington Nationals und den Houston Astros im überaus der Demokratischen Partei zugeneigten Washington, D.C., musste der Präsident ein unüberhörbares Buhkonzert samt „Sperrt ihn ein“-Rufe ("Lock him up") über sich ergehen lassen.

Aber auch außerhalb der Hauptstadt hielten sich die Jubelstürme weitestgehend in Grenzen. Die Gründe hierfür sind vielfältig und es ist symptomatisch, dass Präsident Trump es nicht vermag, seinen bis dato größten sicherheitspolitischen Erfolg entsprechend innenpolitisch zu nutzen.

Selbstbegrenzung und Selbstüberhöhung

Zuvorderst ist Trumps eigener Wahlkampfslogan „Make America Great Again“ und die daraus für die US-Außen- und Sicherheitspolitik folgende maßgebliche Prämisse zu nennen: America First. Sie hat weitreichende Veränderungen in der Bedeutung der Außen- und Sicherheitspolitik für die Vereinigten Staaten unter Trump zur Folge und mündete bspw. in den Abzug der noch verbliebenen Truppen aus dem für den weltweiten Kampf gegen den internationalen Terrorismus überaus bedeuteten Norden Syriens. Eine Entscheidung des Weißen Hauses, welche die Operation am 26. Oktober 2019 offenbar aufs Spiel setzte.

Damit verbunden ist eine sinkende Tendenz in der amerikanischen Öffentlichkeit, den Kampf gegen den internationalen Terrorismus als oberste Priorität der amerikanischen Außenpolitik zu sehen. Während zwischen den Anschlägen des 11. Septembers 2001 und2017 deutlich über 80 Prozent der Amerikaner*innen darin das zentrale Ziel sahen, sank 2018 in Umfragen der Wert um über 10 Punkte auf 72 Prozent ab. Die durch Trump immer wieder vorgebrachte Behauptung, der so genannte Islamische Staat sei vollständig besiegt und die Notwendigkeit einer US-Präsenz nicht mehr gegeben, trägt trotz – sogar aus den eigenen Reihen kommender – Kritik zur sich verändernden Wahrnehmung sicherlich bei.

Hinzu kommt die von Beobachtern vorgebrachte Feststellung, dass al-Baghdadi nicht über den Stellen- und Wiedererkennungswert in der US-Öffentlichkeit verfügte, wie dies für Bin-Laden zutraf. Der Präsident versuchte in seiner Pressekonferenz offensichtlich diesen Umstand auszuräumen, als er insistierte, al-Baghdadis sei „the biggest there is“. Diese Äußerung geht – wie so häufig – zurück auf den Trump innewohnenden Drang, sich in einem besseren Licht als alle seine Vorgänger darzustellen, sowie die offenkundige Befürchtung, keine angemessene Anerkennung für diesen Erfolg zu erhalten. Eine Anerkennung, die er Barack Obama nicht zuteilwerden ließ, als er am 23. Oktober 2012 tweetete: „Stop congratulating Obama for killing Bin Laden. The Navy Seals killed Bin Laden. #debate”.

Der Hang zur Selbstdarstellung und zur übertriebenen Ausschmückung offenbart eine weitere Schwäche der Öffentlichkeitspolitik des Präsidenten. Anstatt es bei der nüchternen Verkündung dieses Erfolges zu belassen, verlor sich Trump in martialischen Beschreibungen der Operation samt der Einlassung, al-Baghdadi sei wie ein Hund, wie ein Feigling gestorben. Äußerungen, die manche angesichts der Gräueltaten des IS als gerechtfertigt ansehen. Für viele widerspricht dieses Vorgehen gleichwohl dem amerikanischen Anspruch, besser als solche Verbrecher zu sein. Zudem wird diskutiert, ob einerseits die durch Trump veröffentlichten Details überhaupt den Tatsachen entsprechen und andererseits einen zu tiefen Einblick in die Arbeit der Sicherheitsdienste bieten

Innenpolitischer Scherbenhaufen

Mit Blick auf die US-Politik und mithin Washington, D.C., kommen drei weitere schwächende Faktoren hinzu.

Da ist zunächst der Dank Trumps für die Unterstützung in dieser Operation an Russland, die Türkei sowie Syrien und damit an Staaten, die in außen- und sicherheitspolitischen Kreisen zumindest als Gegenspieler angesehen werden. Dass Trump diesen Staaten noch vor den eigenen Geheimdiensten und Militärs dankte, wird als Fortführung seiner Angriffe gegen den Sicherheitsapparat in den USA angesehen.

Zweitens, bis auf zwei Ausnahmen (Richard Burr (NC) und Lindsey Graham (SC)) wurden die für die nationale Sicherheit zuständigen Abgeordneten und Senatoren über die bevorstehende Operation nicht durch das Weiße Haus unterrichtet. Ein Affront, der noch schwerer vor dem Hintergrund wiegt, dass aufgrund der Einholung von Überflugrechten die russische Regierung noch vor dem Kongress Kenntnis von der Operation erhielt.

Und schließlich überlagern die von den Demokraten im Repräsentantenhaus initiierten Untersuchungen zu einem Amtsenthebungsverfahren Trumps Erfolg. Der sich immer weiter konkretisierende Verdacht, Trump habe die Freigabe der vom Kongress bewilligten Militärhilfe für die Ukraine in Höhe von knapp 400 Mio. US-Dollar dazu verwendet, die ukrainische Regierung zu Ermittlungen gegen seinen möglichen Widersacher in den Präsidentschaftswahlen 2020, Joe Biden, und dessen Sohn zu drängen, spiegelt sich zunehmend in der öffentlichen Meinung wider. So unterstützen etwa 51 Prozent der Befragten die Einleitung des Amtsenthebungsverfahrens und eine Mehrheit von 47,5 Prozent die Anklage durch das Repräsentantenhaus ggf. samt Amtsenthebung durch den Senat.

In einer hochgradig polarisierten Lage, in der es keine sicheren Mehrheiten im Kongress für den Präsidenten gibt und damit auch kaum Aussicht auf innenpolitische Erfolge, ist es insbesondere die Außen- und Sicherheitspolitik, die ihm die Möglichkeiten für weitreichende Entscheidungen und Profilierung gibt. Allerdings vermag es Donald Trump aufgrund einer Mischung von selbst auferlegten Zwängen und politischem Unvermögen nicht, den größten sicherheitspolitischen Erfolg seiner bisherigen Amtszeit zu seinem Vorteil oder gar für einen über Parteigrenzen hinweg einenden Moment zu nutzen. Will Trump im November 2020 trotz einer eher durchwachsenen legislativen Bilanz die Wiederwahl erreichen, muss er die sich nur selten ergebenen Erfolgsmomente deutlich besser strategisch nutzen.