Dr. Michael Krekel
Von Klagen und Verfahren
Wer sich heute die zahlreichen zivilrechtlichen Verfahren gegen den 45. US-Präsidenten Donald Trump vor Augen führt, wird wohl an erster Stelle an die Erstürmung des Kapitols am 6. Januar 2021 oder mit Kopfschütteln an die Wahlbetrugsvorwürfe denken. Nachdem ein Ausschuss im US-Repräsentantenhaus über anderthalb Jahre lang Trumps Rolle beim Sturm auf die „Herzkammer der Demokratie“ untersuchte, über 1.000 Zeugen anhörte und zahlreiche Dokumente auswertete, legte der Ausschuss am 22. Dezember 2022 seinen 845 Seiten umfassenden Abschlussbericht Justizminister Merrick Garland zur Prüfung vor. Derzeit ist noch offen, wie Garland, der als Generalstaatsanwalt zugleich zuständig ist für die Einleitung von Strafverfahren auf Bundesebene, reagieren wird. Wird er der Empfehlung des Untersuchungsausschusses folgen, strafrechtliche Schritte gegen Trump und andere Beteiligte einzuleiten, oder wird er das „heiße Eisen“, das ihm der Kongress mit dem Bericht beschert hat, fallen lassen – und damit Trump die Chance geben, sich im Jahr 2024 erneut um das Präsidentenamt zu bewerben? Derzeit steht nur eines fest: Sollte der US-Präsident angeklagt und verurteilt werden, wäre dies einmalig in der Geschichte der US-Justiz.
Eine Anklage wegen Anstiftung eines Aufstands (instigation of insurrection) wäre allerdings nur mit der Spitze eines Eisberges vergleichbar. Denn gegen den Ex-Präsidenten laufen noch zahlreiche weitere Verfahren, die Trump zu gewärtigen hat und allergrößtenteils aus der Zeit seiner Präsidentschaft stammen. Da ist beispielsweise der Streit um die ausgelagerten, teils geheimen Regierungsdokumente, die bei einer Razzia in Trumps Anwesen Mar-a-Lago in Florida durch das FBI aufgegriffen und sichergestellt wurden. Darüber hinaus ist Trumps Versuch bemerkenswert, das Ergebnis der Präsidentenwahl 2020 zu manipulieren, indem er den Wahlleiter des Bundesstaats Georgia, Staatssekretär Brad Raffensperger, drängte, eine bestimmte Anzahl von Stimmen ‘zu finden’, um das dortige Wahlergebnis zum Kippen zu bringen.
Weiterhin geht die Staatsanwaltschaft des Bundesstaates New York schon seit 2018 Vorwürfen nach, welche die Finanzen der Trump Organisation betreffen. Es geht einerseits um Vorteilsnahme und Steuerbetrug mit dem Ziel, Top-Führungskräfte des Unternehmens ‚aus den Büchern‘ zu entschädigen und ihnen dabei zu helfen, Steuern zu vermeiden. Andererseits wird noch immer der von Trumps früheren persönlichen Anwalt Michael Cohen erhobene Vorwurf untersucht, bei der Bewertung von Vermögenswerten des Trump-Konzerns gegenüber den Finanzbehörden falsche Angaben gemacht zu haben. Schließlich, aber nicht endlich, hängen derzeit noch etliche Klagen von Einzelpersonen in der Schwebe, darunter jene von Trumps Nichte Mary Trump und eine weitere der Schriftstellerin E. Jean Carroll, die behauptet, von Donald Trump in den 1990er Jahren in einem Kaufhaus vergewaltigt worden zu sein. Insgesamt listet die Online-Enzyklopädie Wikipedia über 100 zivilrechtliche Verfahren auf, in die Trump involviert sein soll.
Eine gewaltige juristische Herausforderung, die da auf Trump zukommt und ihn zu erdrücken droht, auch wenn sich dieser nach Kräften dagegenstemmen wird. Vor dem Hintergrund anstehender Strafverfahren ist auch daran zu erinnern, dass der Immobilienunternehmer schon vor seinem Einzug ins Weiße Haus mehrere hundert juristische Probleme auszufechten hatte, die ihm zur Last gelegt wurden und in der Regel glimpflich für ihn ausgingen. Ein Beispiel dafür ist der Rechtsstreit, der gegen Trump als Betreiber einer ‚Universität‘ eingeleitet wurde und nach Schließung derselben mit einem Vergleich endete.
Das Profil: Entstehung, Entwicklung und Ende einer Geschäftsidee
Die Trump University war bis zu ihrer Liquidierung ein zum Trump-Imperium gehörendes, profitorientiertes Unternehmen, das von 2005 bis 2010 mit dem Versprechen warb, Studierende zu Immobilienprofis und erfolgreichen Geschäftsleuten auszubilden. Sie wurde 2004 von Donald Trump und zwei seiner Partner, Michael Sexton und Jonathan Spitalny, gegründet und nahm im Mai 2005 ihren Geschäftsbetrieb auf. Danach konnten sich Interessenten in Management-Kursen für den Immobilienerfolg ausbilden lassen. Allerdings unterlagen jene, die sich anwerben ließen, einer Täuschung. Denn im Kern handelte es sich bei der angeblichen Universität um ein kommerzielles Unternehmen, das in erster Linie Trump-Infomercials, also in Studienformate verpackte Werbeveranstaltungen, anbot – und deshalb in Schwierigkeiten geriet.
Als nach fünf Betriebsjahren Betrugsvorwürfe aufkamen, die zu Schadenersatzforderungen führten, änderte die angebliche Universität ihren Namen in The Trump Entrepreneur Initiative, und danach stellte sie ihren Geschäftsbetrieb ein. Von den rund 7.000 ehemaligen Studenten machten mehr als 3.700 Ansprüche geltend und stellten Anträge auf Zahlung durch Vergleich, die auf dem Tisch des Generalstaatsanwalts des Bundesstaats New York landeten.
Ab 2011 ermittelte die New Yorker Staatsanwaltschaft wegen illegaler Geschäftspraktiken und Täuschung der Kunden, und im August 2013 verklagte sie den Trump-Konzern wegen Betrugs tausender Studenten auf 40 Millionen Dollar Schadensersatz. Erst am 18. November 2016, zehn Tage nach Trumps Wahl zum US-Präsidenten, konnte der Rechtsstreit per Vergleich beigelegt werden. Trump erklärte sich zur Zahlung von 25 Millionen Dollar an die Kläger bereit (wovon eine Million in die Kasse des Bundesstaats New York flossen), und die als Universität gestartete Einrichtung wurde endgültig geschlossen.
Der Betrieb: Wie ’funktionierte’ das Geschäftsmodell?
Die Trump University war das, was Trump so gerne einen scam oder einen hoax nennt: Ein Betrugsfall. Um auf das neue, angeblich höchste Standards erfüllende Bildungsangebot aufmerksam zu machen, lockte der seit Jahren bekannte New Yorker Geschäftsmann Kunden, die eine akademische Ausbildung anstrebten. In etwa 700 Orten der USA warb er zunächst über sein Familienunternehmen mit 90-minütigen, kostenlosen Schnupperkursen, in denen den Teilnehmern eine Ausbildung zu erfolgreichen Immobilienprofis versprochen wurde. Die eigentliche Schulung erfolgte durch den Besuch von Crashkursen, in denen Seminare zu Themen wie Unternehmensgründung, Vermögensverwaltung, Vermögensvermehrung (wealth creation) und Immobilienhandel belegt und durch E-Learning-Angebote ergänzt werden konnten. Die Teilnahmegebühren lagen - je nach Kurs und Stufe - zwischen 1.495 und 34.995 Dollar. Eine einjährige Ausbildung kostete 1.495 US-Dollar, eine Mitgliedschaft über 10.000 US-Dollar, und eine Teilnahme an Gold Elite-Klassen 35.000 Dollar. Donald Trump war als Initiator und Namensgeber von Anfang an mit 93 Prozent an den Einnahmen beteiligt.
Offiziellen Angaben zufolge nahmen im Verlauf des fünfjährigen Geschäftsbetriebs 80.308 Personen an rund 3000 Werbeveranstaltungen teil, während 7.611 Interessenten das kostenpflichtige Seminarangebot buchten. Eigene Liegenschaften oder Räumlichkeiten, in denen die Veranstaltungen durchgeführt wurden, gab es nicht. Die Schnupperkurse wie auch die Studienseminare fanden an verschiedenen Orten der USA statt, und zur Implementierung des Angebots wurden jeweils Säle oder Räumlichkeiten angemietet. Selbstverständlich warb der Veranstalter mit großflächigen Anzeigen oder Werbeplakaten an den Gebäuden, auch wenn diese ihm nicht gehörten.
Die Trump-Organisation machte mit E-Mails, Zeitungsannoncen oder eigenen Broschüren auf das Studienangebot aufmerksam. Darin behauptete der Konzernchef, von ihm selbst handverlesene ‚unglaubliche Köpfe‘ würden die Teilnehmer in das Geheimnis seines Erfolgs einweihen und sie dazu befähigen, durch Immobilienspekulation schnell reich zu werden. Das war ebenso geprahlt wie die Information zu den Dozenten, die auf Provisionsbasis arbeiteten und sich stets bemühten, die Teilnehmer zur Buchung kostenpflichtiger Kurse zu animieren. Aus den im Verlauf der Ermittlungen angefertigten Gerichtsakten war jedenfalls zu entnehmen, dass die Crashkurse meist von Lehrkräften durchgeführt wurden, die keine oder nur sehr wenige Qualifikationen im Bereich des Immobilieninvestments hatten. Die Trump-eigene Organisation hatte die Seminarleiter wider besseres Wissen als hochausgebildete Akademiker und Immobilienexperten gepriesen.
Der Vorwurf: Fehlende Akkreditierung und Täuschung von Kunden
Aus den Gerichtsakten ging ferner hervor, dass die Trump University von Anfang an als rein kommerzielles Unternehmen konzipiert war. Offenbar suchte der Immobilientycoon Trump im Jahr 2004, als es um seine Geschäfte schlecht bestellt war – seinen Casinos in Atlantic City drohte einmal mehr die Insolvenz – nach neuen Wegen, um Kapital aus seiner landesweit bekannten Marke zu schlagen (die freilich zwanzig Jahre nach Vollendung des Trump Towers in New York zu verblassen drohte). Dabei schienen ihm Tricks und Gaunereien, an denen es in seiner mehr als 30jährigen Berufspraxis als Unternehmer nicht ermangelte, gerade recht. Schon lange war bekannt, dass es sich bei der Trump-Universität nicht um eine behördlich akkreditierte Hochschule mit anerkannten Abschlüssen handelte. Darauf hatte das New York State Education Department bereits vier Tage nach Aufnahme des Geschäftsbetriebs hingewiesen. In einem Schreiben informierte die staatliche Bildungsbehörde die Initiatoren darüber, dass die neue Einrichtung der Trump-Organisation gegen das Bildungsgesetz des Staates New York verstoße, da sie die irreführende Bezeichnung University in ihrem Namen führe. Weil sie weder als Bildungsinstitut noch als College oder Privatschule akkreditiert war, musste sie 2010 auf Geheiß der Behörden ihren Namen ändern. Nachdem sich die Einrichtung schon 2008 den Namen Trump Wealth Institute gegeben hatte, kam es 2010 zur Umbenennung in The Trump Entrepreneur Initiative – und schließlich zu einem Gerichtsverfahren.
Der Rechtsstreit: Ermittlungen und Anklage
Trumps nunmehr als Unternehmerinitiative designierte Institution wurde ab Mai 2011 Gegenstand einer juristischen Prüfung. Über die Abteilung für illegale Geschäftspraktiken leitete die New Yorker Staatsanwaltschaft Ermittlungen ein, die in eine Zivilklage gegen die Trump-Organisation einmündeten. Am 24. August 2013 verklagte Generalstaatsanwalt Eric Schneiderman Trump auf 40 Millionen Dollar Schadenersatz. Der Attorney General forderte die Summe als Rückerstattung an die geprellten Studenten, von denen inzwischen ein Großteil eine Sammelklage eingereicht hatten. Er warf Trump vor, dass die einstige Trump University mit überteuerten Seminaren hausieren gegangen war, die für Leute, die in der Immobilienbranche zu Geld kommen wollten, einfach nur nutzlos waren.
Trump wurde beschuldigt, mehr als 6.000 Studenten mit falschen Versprechungen gelockt und diese in gut fünf Jahren um 40 Millionen Dollar gebracht zu haben, indem er falsche Versprechungen gemacht habe. Die sogenannte Universität habe nicht die hochwertige Ausbildung geboten, die sie bei Kursgebühren von bis zu 35.000 Dollar versprochen habe. Zudem habe man Managementkurse angeboten, bei denen keine Diplome erworben werden konnten. Im Verlauf ihrer Betriebstätigkeit hat die Trump-Organisation etwa 40 Millionen Dollar eingenommen, wovon fünf Millionen Dollar in Trumps eigene Tasche geflossen seien. Der Generalstaatsanwalt forderte das Geld zurück.
Bei einem Auftritt in der MSNBC-Sendung Morning Joe beschrieb Schneiderman die Trump University erneut als reinen Betrug: „Es ist, als würde man den Leuten etwas verkaufen, von dem man sagt, dass es ein Mercedes ist, und es stellt sich heraus, dass es ein Volkswagen ist", sagte er. „Und selbst wenn einige Leute sagen: 'Nun, eigentlich mag ich den Volkswagen', ist es immer noch Betrug, weil es kein Mercedes ist. Das war keine Universität." Dabei betonte er, sein Anklageteam habe Videos von Trump, die deutlich zeigten, dass der Geschäftsmann „falsche Versprechungen" gemacht habe. Die Dokumente belegten zudem, dass Menschen, die als Immobilienexperten und Trumps rechte Hand angekündigt waren, nicht als solche bezeichnet werden könnten. Donald Trumps einzige Rolle sei das Marketing gewesen. Er sei war als Pitchman („Marktschreier“) eindeutig dafür verantwortlich, seine Betrugsuniversität den Leuten vorzustellen. In einem am 2. Juni 2016 ausgestrahlten Interview mit ABC News wiederholte Schneiderman seine Aussagen.
Der Widerspruch: Trumps Reaktion
Derweil stritt der Angeklagte sämtliche Anschuldigungen ab. Er verwies auf eine angebliche Zufriedenheitsrate der Absolventen von 98 Prozent und argumentierte, die Klage des Staatsanwalts, der Mitglied der Demokratischen Partei war, sei politisch motiviert. Noch im Endspurt des Wahlkampfes wehrte er sich gegen die Vorwürfe, nachdem er im Juni 2015sogar angekündigt hatte, seine Trump Enterprise Initiative wieder starten zu lassen. Dabei griff er den zuständigen Richter Gonzalo Curiel, der die Sammelklage der Kursteilnehmer zugelassen hatte, persönlich an. In einem Interview mit demWall Street Journal verwies er auf dessen mexikanisches Erbe. Er bezeichnete ihn als „Donald-Trump-Hasser“ und „Schande“, der wegen seiner mexikanischen Wurzeln befangen sei. Richter Curiel war US-Staatsbürger und lebte in Indiana.
Trumps Äußerungen, die im Wahlkampf eine untergeordnete Rolle spielten, stießen bei Juristen und Politikern auf heftige Kritik. Sie wurden allgemein als rassistisch eingestuft, zumal er sie in den Kontext seiner Hetze gegen undokumentierte Migranten aus Mexiko gestellt wurden. Unterdessen bekamen auch andere an der Aufklärung der Angelegenheit Beteiligte Trumps Verärgerung zu spüren. Den New Yorker Generalstaatsanwalt Schneiderman, dessen Rechtsersuchen zu einer Überprüfung durch die Joint Commission on Public Ethics, einer für Ethikangelegenheiten zuständigen Aufsichtsbehörde des Bundesstaats New York, geführt hatte, bezeichnete er einmal als „Schande“, ein andermal als „politischen Nichtsnutz, der nach Aufmerksamkeit strebe“. Derweil lästerte Marco Rubio, 2016 einer seiner Mitbewerber um das Amt des Präsidenten, Trump sei ein Angeber, der ohne den Nachlass seines reichen Vaters „Uhren in Manhattan verkaufen“ würde.
Die Einigung: Trump zahlt, um einer Anklage zu entgehen
Am Ende zeigte sich Trump dann doch bereit, den Rechtsstreit mit einer außergerichtlichen Einigung beizulegen. Am 18. November 2016, wenige Tage nach den Präsidentschaftswahlen, konnte der Generalstaatsanwalt verkünden, der Wahlsieger und designierte Präsident habe zugestimmt, 25 Millionen Dollar an die Kläger zahlen, um die Einstellung aller im Zusammenhang mit den Aktivitäten der Trump University anhängigen Gerichtsverfahren zu veranlassen. Trump selbst erklärte, er habe als Präsident keine Zeit, sich um anhängige Rechtsstreitigkeiten zu kümmern - ansonsten aber hätte er den Prozess sicherlich gewonnen. Zuvor hatte er noch getwittert, er werde sich prinzipiell auf keinen Vergleich einlassen, zumal er nichts Illegales getan habe.
Nach Trumps Einlenken gab sich Schneiderman offensichtlich hocherfreut über den Erfolg. Die Einigung sei eine Wende in dem Verfahren, das der Beschuldigte durch grundlose Angriffe und fruchtlose Beschwerden zu blockieren versucht habe, sagte er. Bislang habe sich der Betreiber der betrügerischen Universität selbst gegen kleinste Entschädigungssummen gewehrt, doch nun könnten mit der Vergleichssumme von 25 Millionen Dollar mehr als 6.000 Studenten entschädigt werden. Davon sollte eine Million Dollar in die Kassen des Bundesstaats New York fließen - wegen klaren Verstoßes gegen staatliche Bildungsgesetze.
Dr. Michael Krekel ist ein externer Autor und Mitglied der Atlantischen Akademie. Er war lange Zeit im transatlantischen Bildungsbereich tätig. Unter anderem arbeitete er für die Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika in Bonn, wo er vor allem Aufgaben im Bereich des deutsch-amerikanischen Schüler- und Jugendaustauschs wahrnahm. Im Anschluss arbeitete Dr. Krekel als Geschäftsführer der Erinnerungs- und Forschungsstätte Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus in Rhöndorf.