Die Zwischenwahlen 2018: Resultate und Implikationen

David Sirakov und Sarah Wagner

1. Fassung: 7. November 2018, 14:53 Uhr
Updated: 9. November 2018, 12:38 Uhr

Die Kongresswahlen in den USA haben einen Mehrheitswechsel im Repräsentantenhaus zur Folge. Damit wird es Donald Trump und seiner Administration deutlich erschwert, Gesetze auf den Weg zu bringen, die seiner Agenda folgen. Die Einbindung der Demokraten ist hierfür nun notwendig und deutlicher Widerstand ist zu erwarten. 

Am 6. November 2018 waren die Amerikanerinnen und Amerikaner aufgerufen, die 435 Abgeordneten des Repräsentantenhauses, 35 Senatoren und 36 Gouverneure zu wählen. Hinzu kam eine Vielzahl von Wahlen auf einzelstaatlicher und regionaler Ebene. So weit, so unspektakulär für sogenannte Midterms, wäre da nicht Donald Trump als Sieger aus den Präsidentschaftswahlen 2016 hervorgegangen. Seine in der Sache die ohnehin gespaltene amerikanische Gesellschaft weiter polarisierende Politik, in der Art unkonventionelle Form der Kommunikation und in ihrer Gesamtheit beispiellose Präsidentschaft stand in besonderem Maße zur Wahl, auch wenn Trump namentlich nicht auf den Wahlzetteln erschien. 

Die Präsidentschaftswahlen vor zwei Jahren zeigten allerdings auch tiefgreifende Auswirkungen auf die beiden großen Parteien in den USA. Während die Demokraten bis heute an der schweren und für die Mehrzahl der Beobachter unerwarteten Niederlage zu knabbern haben, stellt der für das Republikanische Establishment ebenso überraschende Wahlsieg Trumps die ideologischen und programmatischen Grundfesten der Republikaner infrage. Beide Parteien befinden sich in Krisen und bedeutenden Umbrüchen. Die Wahlen hatten zumindest das Potenzial, über den Zustand des US-Parteiensystems Auskunft zu geben.

1. Das Repräsentantenhaus 

Im nun auslaufenden 115. Kongress verfügten die Republikaner mit 235 Sitze über eine komfortable Mehrheit von 42 Sitzen im Repräsentantenhaus. Die Demokraten mussten demnach zu ihren bisherigen 193 Sitzen mindestens 23 hinzugewinnen, um die absolute Mehrheit zu erreichen. Die Analysten der Website FiveThirtyEight sahen einen Tag vor der Wahl eine 88-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass den Demokraten dies auch gelingt. Und sie sollten Recht behalten. 

Auch wenn noch nicht alle Wahlkreise vollständig ausgezählt sind, steht schon jetzt fest, dass die Demokraten laut ABC News mindestens 30 Sitze hinzugewonnen haben und damit die notwendige Mehrheit von 218 Abgeordneten stellen werden.

Betrachtet man die historischen Daten von Zugewinnen und Verlusten an Sitzen im Repräsentantenhaus, so wird der bisherige Trend fortgeschrieben. Trump verfügte in den letzten Tagen vor den Midterms eine Zustimmungsrate von 40 Prozent. Die Parteien der Präsidenten mit Werten unter 50 Prozent verloren im Schnitt 37 Sitze.

2. Der Senat

Im noch aktuellen Senat verfügen die Republikaner über eine denkbar knappe Mehrheit von zwei Stimmen. Im Falle eines Stimmengleichstands entscheidet gemäß amerikanischer Verfassung der Vizepräsident der USA, der zugleich der Präsident des Senates ist (so geschehen bei der Bestätigung der Bildungsministerin Betsy DeVos). Um den Vizepräsidenten als Tiebreaker zu verhindern, mussten die Demokraten mindestens zwei Stimmen erringen. Dieses Unterfangen war aufgrund der diesjährigen Struktur der Bundesstaaten, in denen Senatssitze gewählt wurden, besonders schwierig. In den 35 Senatswahlen mussten 24 Demokraten und zwei mit ihnen stimmende Unabhängige (Bernie Sanders (VT) und Angus Young (ME)) ihre Sitze zunächst verteidigen. Demgegenüber hatten die Republikaner lediglich neun Sitze zu verteidigen, um den status quo zu erhalten. Nicht überraschend waren die für die Republikaner optimistischen Einschätzungen der Umfrageinstitute und Analysten. Eine Wahrscheinlichkeit von 81 Prozent errechnete FiveThirtyEight für den Fall, dass die Republikaner die Senatsmehrheit verteidigen und unter Umständen ausbauen würden. Und die Berechnungen wurden sogar noch übertroffen. Den Republikanern ist es aller Voraussicht nach gelungen, bis zu vier Senatssitze hinzuzugewinnen, indem sie Indiana, North Dakota, Missouri und unter Umständen Florida und Montana (die Auszählungen dauern hier noch an) drehten und lediglich Nevada an die Demokraten verloren. 

In Mississippi muss in einer zweiten Wahlrunde über die Nachfolge des Republikaners Thad Cochran entschieden werden, der Sitz kann aber den Republikanern zugesprochen werden, da sich die Republikanischen Stimmen in der ersten Runde auf zwei Kandidaten der Republikanischen Partei aufteilten (Hyde-Smith und McDaniel). Der Demokratische Kandidat Mike Espy wird daher in der zweiten Runde chancenlos bleiben. 

Eines der spannendsten Rennen verlief in Texas, wo der Demokrat Beto O’Rourke den Amtsinhaber Ted Cruz herausforderte. Letzterer verteidigte seinen Sitz trotz Einbußen von 12 Prozent zur Senatswahl 2012.

Die aus Sicht der Demokraten unglückliche „election map“ in diesem Jahr ist bei den Senatswahlen besonders an den erreichten Wählerstimmen abzulesen. In den 45 Senatsrennen konnten die Demokraten über 47 Millionen Stimmen auf sich vereinigen, während die Republikaner lediglich knapp über 34 Millionen Stimmen erhielten. 

Nichtsdestotrotz werden die Republikaner ab 2019 voraussichtlich mit einem Vorsprung im Senat agieren können. Eine genaue Angabe der Sitze für Demokraten und Republikanern ist momentan aufgrund von knappen Ergebnissen in Arizona und Florida nicht möglich.

Die historische Perspektive auf Gewinne und Verluste im Senat ist im Gegensatz zum Repräsentantenhaus nicht ganz eindeutig. Die Partei des Präsidenten verlor zwar durchschnittlich einen Sitz, Sitzzugewinne trotz niedriger Zustimmungsraten gab es aber immer wieder in der Geschichte. So gewannen Republikaner 1982 einen Sitz hinzu, trotz einer vergleichsweise niedrigen Zustimmungsrate von 42 Prozent zum damaligen Präsidenten Ronald Reagan. 

3. Gouverneure

Von 50 Gouverneuren in den US-Einzelstaaten waren bislang 33 Republikaner, 16 Demokraten und einer Unabhängiger. Mit der Wahl von 36 Gouverneuren hatten die Demokraten die Möglichkeit, den Republikanischen Vorsprung zu verringern, gleichzuziehen oder sogar die Mehrheit zu stellen. Analysten sahen bis zu 11 Bundesstaaten, in denen der Parteiwechsel hin zu den Demokraten möglich erschien.

Nach den bisherigen Auszählungen konnten die Demokraten sieben Bundesstaaten hinzugewinnen und damit den Vorsprung der Republikaner auf zwei Gouverneure reduzieren. Vor allem mit Blick auf den Zensus 2020 und die damit einhergehende Neuziehung der Wahlkreise in den Bundesstaaten haben diese Wahlen wichtige Auswirkungen.

4. Was das Ergebnis für den 116. Kongress und den Präsidenten bedeutet

Mit Blick auf das Repräsentantenhaus sind deutliche Veränderungen zu erwarten. Nach diesen für die Demokraten erfolgreichen Zwischenwahlen ist es wahrscheinlich, dass Nancy Pelosi die zukünftige Speaker of the House wird. 

Die für die Kontrolle der Regierung bedeuteten Ausschüsse (House Oversight and Government Reform Committee sowie House Intelligence Committee) werden zukünftig durch Demokraten geleitet, was eine Kehrtwende im bislang kaum bis gar nicht kritischen Umgang des Repräsentantenhauses mit der Trump-Administration zur Folge haben dürfte. Die Demokraten können durch ihre Ausschussvorsitzenden künftig auch Vorladungen für Mitglieder der Trump-Administration aussprechen und dürften damit den eh schon holprigen Regierungsablauf im Weißen Haus zusätzlich massiv stören oder verkomplizieren.  

Aus Sicht des Präsidenten wird die Gesetzgebung zukünftig noch schwierig als bislang. Gesetzliche Regelungen werden ohne die Zustimmung der Demokraten nicht möglich sein. Der Präsident wird womöglich noch stärker auf das Instrument des Präsidentenerlasses (Executive Order) zurückgreifen, als er dies ohnehin schon getan hat. Insbesondere in der Haushaltsgesetzgebung muss Trump allerdings auf die Demokraten zugehen, was ihm angesichts seines äußerst polarisierenden Stils nicht leichtfallen wird. 

Der ausgebaute Vorsprung an Stimmen im Senat, hingegen, wird die Bestätigung von Richtern (sei es für das Oberste Gericht oder die Bundesgerichte) sowie hohen Regierungsbeamten deutlich erleichtert. Die Republikaner können nunmehr bis zu 5 Abweichler verkraften, ohne eine Ernennung aufs Spiel zu setzen. Die moderateren Republikanischen Senatoren büßen somit an Einfluss und Durchsetzungsvermögen ein.

Was die Mehrheitsverhältnisse in den beiden Häusern anbelangt, „normalisiert“ sich der 119. Kongress wieder. Nach einer zweijährigen Phase eines „unified government“, in dem der Kongress sowie das Weiße Haus von derselben Partei dominiert wurden, wird Donald Trump in den kommenden zwei Jahren in einer „divided government“ regieren. Seit Ende des Zweiten Weltkrieges galt diese Konstellation in Zweidrittel der Zeit.

5. Was die Ergebnisse für die Parteien bedeuten

Nach der Wahl ist vor der Wahl. Beide Parteien und ihre ambitionierten Kandidaten haben schon längst die Präsidentschaftswahl und die Kongresswahl 2020 vor Augen und werden die Ergebnisse der diesjährigen Wahlen daher auch in diesem Sinne für sich selbst interpretieren. Während der Präsident sich schon mit den Worten „Tremendous success tonight. Thank you to all!“ auf Twitter meldetet und die Wahl als „Big Victory“ bezeichnete, brachten sich auch die Demokraten in Position. Nancy Pelosi meldete sich euphorisch in der Wahlnacht zu Wort und sprach von einem „historic victory […] within our grasp“. Haben beide Politiker also die gleiche Wahl verfolgt? 

Bei den Demokraten werden die progressiven Herausforderer, die ihre Sitze in Staaten wie Michigan, Minnesota, Kansas oder Massachusetts gewinnen konnten, den Druck der aktivistischen Parteibasis an die Parteispitze weitergeben und argumentieren, die gewonnen Rennen sprächen für einen eher links-gerichteten Kurs bei den Wahlen 2020. Ebenso könnte jedoch argumentiert werden, dass die Demokratischen Shooting Stars in Staaten wie Florida, Texas und Georgia (Andrew Gillum, Beto O’Rourke, Stacey Abrams) zwar prozentual zulegen konnten, die Rennen letztendlich aber doch an die Republikaner gingen. Diese interne Diskussion wird die Partei noch einige Zeit beschäftigen und sich vielleicht auch im Haus widerspiegeln. Könnte der Congressional Progressive Caucus sich durch die Neuankömmlinge eventuell zu einem Dorn im Auge von Nancy Pelosi entwickeln und die Partei weiter nach links ziehen? Und würde sich dadurch die Konfrontation zwischen der Demokratischen Mehrheit im Haus und dem Präsidenten noch verschärfen? Die Zeichen für parteiübergreifende Zusammenarbeit stehen definitiv nicht unter einem guten Stern. Auch die Rolle von Staaten wie Michigan, Pennsylvania oder Wisconsin wird 2020 noch einmal neu aufgerollt. Gingen die Staaten 2016 noch knapp an Trump, haben die Wähler und Wählerinnen sich nun für in allen drei Staaten für Demokratische SenatorInnen und Gouverneure entschieden. 

Zu erwähnen ist auch noch, dass die Demokratische Partei immer vielfältiger wird und es eine ganze Reihe von „firsts“ gab. Die ersten indigenen Amerikanerinnen werden nun für Distrikte in New Mexico und Kansas im Kongress vertreten sein. In Massachusetts wird Ayanna Pressley als erste schwarze Frau für den Staat in den Kongress ziehen, in Michigan und Minnesota konnten die ersten Muslima Wahlbezirke gewinnen und Texas wird zum ersten Mal in der Geschichte zwei Latinas nach Washington D.C. schicken. Auch der vielbeschworene „Gender Gap“ an der Wahlurne hat sich laut CNN eingestellt. Wählerinnen entschieden sich mit 59% zu 40% für die Demokraten, auch die jüngeren Wähler favorisierten überwiegend die Demokraten. Wenn in den nächsten Tagen und Wochen die ausführlichen exit polls vorliegen, wird die Analyse noch einmal interessant werden. In welchem Ausmaß konnte die Partei Minderheiten für die Wahl mobilisieren, und konnte sie 2016 umgeschwenkte Wähler wieder zurückgewinnen? 

Auf Republikanischer Seite ist Trumpisierung der Partei weiter vorangeschritten und kann als nahezu abgeschlossen gelten. Die Zahl derer, die auf Republikanischer Seite dem Präsidenten kritisch gegenüberstehen, hat sich noch weiter reduziert. Und es bleibt abzuwarten, wie sich Senatoren wie bspw. der neu gewählte Mitt Romney (UT) zum Präsidenten positionieren werden.

Die Frage nach dem Umgang mit Trumps Agenda und der Nähe zum Präsidenten müssen sich insbesondere Republikanische Senatoren mit Blick auf die Kongresswahlen 2020 stellen. Dann werden nämlich deutlich mehr Republikanische (20) als Demokratische (11) Sitze zur Wiederwahl stehen. Um eine Mehrheit im Senat auch über das Jahr 2021 behalten zu können, sind die Republikaner gezwungen, alle 20 Sitze zu verteidigen. Kann Trump dann als Boost fungieren oder werden Republikanische Kandidaten ihn möglichst meiden? Only time will tell. 


Änderungen zur ursprünglichen Fassung:

9.11.2018, 12:38 Uhr
Die durch Demokraten hinzugewonnenen Sitze sind von 28 auf 30 angewachsen.

Der Vorsprung der Stimmenanzahl für die Demokraten im Gegensatz zu den Republikanern im Senat ist auf knapp 13 Millionen angestiegen.

In der ersten Fassung sind wir noch von einem deutlichen Vorsprung der Republikaner im Senat von 54 zu 46 Sitzen ausgegangen. Angesichts sehr knapper Auszählungsergebnisse in Arizona und Florida sowie des Siegs der Demokratin Jacky Rosen in Nevada ist der genaue Vorsprung der Republikaner im Senat noch nicht zu quantifizieren.