„Home Away From Home“ – WiR! und die Bedeutung der US-Militärpräsenz für rheinland-pfälzische Kommunen

von John Constance

Spätestens seit der neuerlichen Diskussion um einen möglichen Truppenabzug der USA aus Deutschland war Rheinland-Pfalz als US-Militärstandort im Fokus der bundesweiten Berichterstattung. Im Zentrum der Berichte befindet sich stets die Fragestellung nach den letztlichen Auswirkungen eines Abzugs für Deutschland und hier im Besonderen in den betroffenen Bundesländern. Aber warum rückt scheinbar automatisch Rheinland-Pfalz in den Fokus? Rheinland-Pfalz wird aufgrund der jahrzehntelangen starken US-Militärpräsenz gerne als das transatlantischste Bundesland Deutschlands oder auch als „Flugzeugträger des Westens“ bezeichnet. Viele standortnahe Kommunen weisen einen hohen US-Bevölkerungsanteil von 20 Prozent und mehr auf und die historisch gewachsenen sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den amerikanischen Streitkräften und dem rheinland-pfälzischen Umfeld sind hier besonders stark. Tausende ehemalige US-Militärangehörige sind nach ihrem Ruhestand in Rheinland-Pfalz sesshaft geworden, zahllose deutsch-amerikanische Ehen wurden geschlossen, Kinder mit amerikanischen Wurzeln besuchen örtliche Schulen, Amerikaner*innen sind Vereinskolleg*innen, Freundschaften bestehen über den Atlantik hinweg seit Jahrzehnten weiter. Es gibt viele weitere Beispiele für die offenkundigen gesellschaftlichen Verflechtungen. Ferner ist das US-Militär nach wie vor ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in den betroffenen Standortregionen (siehe Atlantischer Blog vom 22.8.). Direkte Auswirkungen hat es als Arbeitgeber für deutsche Beschäftigte und Auftragssteller für Bauprojekte und indirekt über die Militärangehörigen, die als Kund*innen ihr Einkommen in den lokalen Geschäften ausgeben und als Mieter*innen das Problem zunehmender Leerstände abmildern.

Dabei stellt ein aktives und offenes deutsch-amerikanisches Miteinander für die deutsche wie für die amerikanische Seite eine klassische Win-Win-Situation dar. Durch den Abbau von Hemmschwellen und einer Vereinfachung der Teilhabe am öffentlichen Leben können sich US-Familien komfortabel vor Ort versorgen und finden leichter Anschluss an die Aktivitäten im Ort. Für die Dorfgemeinschaft ergeben sich positive Effekte zur Aufrechterhaltung der vorhandenen Strukturen und Einrichtungen. Nahversorgungs- und Dienstleistungsangebote können durch stärkere Einbindung der US-Kundschaft gesichert werden, Vereine können neue US-Mitglieder gewinnen und bestehende Institutionen wie etwa Kindergärten werden langfristig gestärkt. Durch die Nutzung dieser Potenziale wird das Gemeindeleben nachhaltig gefördert und die Lebensqualität aller Gemeindemitglieder erhöht.

„What’s going on in my village?“ - Ausgangslage und Initiierung von WiR! im Jahr 2014

Vor diesem Hintergrund wurde im Jahr 2014 das Projekt „Willkommen in Rheinland-Pfalz! Unsere Nachbarn aus Amerika“ (WiR!) vom Ministerium des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz initiiert, das die Förderung eines offenen und aktiven deutsch-amerikanischen Miteinanders in Rheinland-Pfalz zum Ziel hat. Insgesamt 11 Gemeinden an den Standorten Baumholder, Kaiserslautern/Ramstein Air Base und Spangdahlem Air Base, die mindestens einen Anteil von 20 Prozent US-Bürger*innen vorwiesen, beteiligten sich 2014 am Projektstart. Zunächst wurde eine Bestandsaufnahme des deutsch-amerikanischen Zusammenlebens in den teilnehmenden Orten durchgeführt in Form einer Umfrage unter ansässigen US-Haushalten. Insgesamt teilten ca. 1.060 US-Mitbürger*innen in 338 Haushalten ihre Erfahrungen und Meinungen.

Kernerkenntnis der Befragung war, dass sich US-Familien nur langsam und über mehrere Jahre der bestehenden Möglichkeiten im Ort bewusst werden. Vor dem Hintergrund der kurzen Stationierungsdauer von 2-5 Jahren wiegt ein langwieriger Informationsprozess besonders schwer und hemmt deren Einbindung in die Gemeinschaft. Zeitgleich äußerte die Mehrheit den Wunsch nach einer stärkeren Teilhabe am örtlichen Geschehen. Dies betrifft die Nutzung örtlicher Vereinsangebote ebenso wie die Teilnahme an Aktivitäten und Festen. Quintessenz war also, dass die bisherige Informationsbereitstellung von deutscher Seite an vielen Stellen zu kurz griff, um die Potenziale der Win-Win-Situation auszuschöpfen. Es zeigte sich, dass herkömmliche Methoden, die zur Ansprache von deutschen Haushalten eingesetzt wurden, für US-Familien ungeeignet sind (Wurfsendungen im Briefkasten, Auslage von Flyern in Verwaltungsstellen, Information im Amtsblatt, etc.). Das Repertoire zur Ansprache der im Vergleich zu den deutschen Haushalten jüngeren US-Familien musste demnach erweitert und an deren Gewohnheiten angepasst werden, um ihnen die Integration zu erleichtern.

„I found that on the „Welcome to RLP“ page“ - Entwicklung von WiR! und Neuerungen des Miteinanders ab 2016

Seit der konzeptionellen Fortführung des Projekts durch die Atlantische Akademie im April 2016 hat sich viel getan. Zu den anfänglichen 11 Projektgemeinden haben sich 23 weitere Kommunen dazugesellt und sich für eine Teilnahme an WiR! entschieden. Die regelmäßig durchgeführten Netzwerktreffen fördern den Wissensaustausch zwischen den Gemeindeakteuren und führen dazu, dass erfolgreiche Ideen und Herangehensweisen von anderen Gemeinden übernommen werden können. Zusätzlich stehen ihnen unterstützende Serviceleistungen (Beratung, Veranstaltungswerbung, Übersetzungen, etc.) zur Verfügung und sie haben die Möglichkeit, Fördermittel für Maßnahmen zur Stärkung des Miteinanders zu erhalten. Erfreulich ist auch die enge und freundschaftliche Partnerschaft mit dem US-Militär in Rheinland-Pfalz. Dass WiR! im Sommer 2018 mit der symbolischen Key to the Garrison“-Auszeichnung der U.S. Army Garrison Rheinland-Pfalz bedacht wurde, steht exemplarisch hierfür. Die sehr gute Zusammenarbeit ist wichtig, um Programmmaßnahmen noch besser an die US-Bedürfnisse anzupassen und sie gezielter an Militärangehörige heranzutragen.

Die Abwesenheit von wirkungsvollen Online-Kanälen war ein Hauptansatz zur Verbesserung der Ansprache von US-Familien. In der 2017 veröffentlichten, englischsprachigen WiR!-Website können sich US-Mitbürger*innen über sämtliche Ortsangebote (z.B. Freizeitmöglichkeiten, Geschäfte, Vereine, Abfallentsorgung, u.v.m.) in den beteiligten Gemeinden informieren. Militärangehörige, die vor ihrer Stationierung in Deutschland stehen, finden im Newcomers Bereich der offiziellen Standortseite der Ramstein Air Base, Spangdahlem Air Base und der U.S. Army Garrison Rheinland-Pfalz (Standorte Kaiserslautern und Baumholder) einen entsprechenden Link zur Programmseite von WiR!. Über die social media-Kanäle des Programms in Facebook, Instagram und Twitter werden die Vorzüge der teilnehmenden Gemeinden hervorgehoben, auf lokale/regionale Veranstaltungen hingewiesen, Informationen zu den Grundzügen der deutschen Kultur vermittelt, oder Einblicke hinter die Kulissen der Programmarbeit gewährt. Auf diesen Plattformen können die Nutzer*innen miteinander interagieren und sich vernetzen. Damit tragen die neu eingeführten WiR!-Onlineangebote den modernen Kommunikations- und Informationsgewohnheiten der US-Bevölkerung Rechnung.

„Our Neighbors from the USA“ – Das Landesprogramm WiR! und der Weg in die Zukunft

„Aber warum braucht man denn ein Landesprogramm? Schließlich hat man es in den letzten sieben Jahrzehnten auch hingekriegt.“ Viele Faktoren trugen dazu bei, dass Aussagen wie „die Amerikaner bleiben lieber hinter ihrem Zaun“, „früher hatte man viel mehr US-Freunde“ oder „die Amerikaner wollen sich nicht mehr einbringen“ präsent sind. Vorbehalte waren und sind stets Teil der Diskussion um die US-Militärpräsenz gewesen und fangen bereits mit der deutschen Wahrnehmung der US-Familien an.

Ein Grund für diese Wahrnehmung ist sicherlich die erheblich reduzierte Zahl an Militärangehörigen und damit einhergehend die abnehmenden Kontakte der Ortsansässigen zu einem Amerikaner/einer Amerikanerin. Die USA verringerte bereits nach Ende des Kalten Krieges ihre Truppenstärke in Deutschland massiv und Mitte/Ende der 2000er Jahre nochmals deutlich. Auch wenn die Truppenreduzierungen in Rheinland-Pfalz nicht ganz so dramatisch waren wie im Bundesschnitt, so waren die vielen Standortschließungen in den betroffenen Regionen besonders deutlich zu spüren. Auf der US-Seite entfaltet die zunehmende Sensibilisierung der US-Truppen für Terrorgefahren ebenfalls ihre Wirkung auf deren Freizeitgestaltung. Hier wird ein Großevent tendenziell schneller gemieden als früher. Strengere Sicherheitsmaßnahmen des US-Militärs, z.B. das Uniform-Verbot außerhalb der Stützpunkte, haben ihre gute Begründung, verringern die Berührungspunkte mit Ortsansässigen allerdings zusätzlich. Das Verschwinden der Uniformen aus dem Stadt-, bzw. Gemeindebild verstärkte bei der lokalen Bevölkerung zusätzlich den Eindruck, dass Amerikaner*innen nicht mehr am Gemeindeleben teilnehmen (möchten). Der derzeit vorherrschende Ton des transatlantischen Dialogs auf Regierungsebene tut sein Übriges.

Berücksichtigt man all diese Faktoren, ergibt sich hieraus die Sinnhaftigkeit, die deutsch-amerikanische Freundschaft neu zu denken, den heutigen Zeiten anzupassen und die geringere Quantität an US-Mitbürger*innen qualitativ effektiver und vor allem schneller in das Gemeindeleben einzubinden. Das Instrument auf Landesebene ist WiR! mit dessen Hilfe alle Akteure und deren Anstrengungen in diesem Bereich gebündelt werden können. Am rasanten Zuwachs von 11 Startgemeinden in 2014 zu nun 34 Programmgemeinden, die weit über die Hälfte der US-Bevölkerung in Rheinland-Pfalz beheimaten, lässt sich ein aussagekräftiger Trend ablesen. Die Teilnehmerzahl dürfte in den nächsten Jahren nochmals steigen. Der Zulauf zeigt den Bedarf der engagierten Menschen vor Ort nach einer Unterstützung in diesem Bereich als auch für die Kommunalentwicklung als Ganzes.

Für die Bürger*innen, Gemeinden, Institutionen und die Landesregierung bedeutet dies, die erfolgreichen integrativen Maßnahmen für ansässige US-Familien gemeinsam fortzuführen und weiterzuentwickeln, um den offenen deutsch-amerikanischen Austausch vor Ort weiterhin zu stärken und dadurch auch die deutschen Kommunen langfristig strukturell zu unterstützen. In Anbetracht der Bedeutung unserer so geschätzten deutsch-amerikanischen Freundschaft in Rheinland-Pfalz ist es allemal jede Anstrengung wert!

Wir werden Euch hier in unserem Atlantischen Blog über die weiteren Programmfortschritte auf dem Laufenden halten. Stay tuned…