Von „Model Minority Myth“ und Hate Crimes: Being Asian-American in Today's Age

von Anica Peters

Vor knapp einem Jahr erreichte anti-asiatisch motivierter Rassismus mit der Attacke auf acht Menschen in Atlanta, wovon sechs asiatischer Herkunft waren, einen neuen Höhepunkt in den USA. Neben diesem Vorfall war ein weiteres für mich prägendes Erlebnis die Attacke auf eine 65 Jahre alte Filipina, die in New York am helllichten Tag zu Boden getreten wurde. Auch ein Jahr später schockieren mich diese Vorfälle genau wie am ersten Tag. Als Person mit teils philippinischer Herkunft ging mir diese Attacke nah – obwohl dieser Vorfall in den USA stattfand, bleibt immer der Gedanke des „what if…?“, ein Gedanke, mit dem die Asian Community verstärkt seit der Pandemie leben muss.

Im folgenden Blogpost möchte ich mich mit dem Ursprung des anti-asiatischen Rassismus, gefährlichen Stereotypen und anti-asiatisch motivierten Hassverbrechen beschäftigen sowie einen kleinen Ausblick in eine Thematik geben, die Teil des Alltags für viele der knapp 22 Millionen Asian-Americans ist – und wieso dies auch Deutschland betrifft.

Frühe Beispiele des anti-asiatischen Rassismus in den USA

Xenophobische Narrative lassen sich bereits in die 1850er zurück datieren, als es in Folge des California Gold Rush zu einem Einwandern von 25000 Chines*innen kam, die als „economic, health, and moral threat“1 für die weiße Bevölkerung dort gesehen wurden. 1854 kam es zum Fall People v. Hall, in welchem entschieden wurde, dass Menschen mit asiatischer Herkunft vor Gericht nicht gegen eine weiße Person aussagen dürfen – ein weiterer Schritt, der Diskriminierung gegen Asiat*innen normalisierte. Zuletzt mündete all dies im Chinese Exclusion Act of 1882 sowie dem Immigration Act of 1917, die zunächst jegliche Art von chinesischer und ab 1917 Immigration aus ganz Asien unterbanden. 1924 wurde dies gelockert, indem die Anzahl von Immigrant*innen proportional zur Bevölkerungsanzahl bleiben sollte, Migration so allerdings immer noch begrenzt war. Die Philippinen waren hierbei ein besonderes Beispiel, da sie als Kolonie der USA von Immigration Acts nicht betroffen waren – jedoch wurden rassistische und derogative Narrative zu dieser Zeit genutzt, um ihr Dasein als Kolonie zu rechtfertigen.

Über Stereotypen und deren Gefahr

Eines der bekanntesten Stereotypen asiatisch gelesener Personen ist die sogenannte model minority myth. Sie basiert auf dem Gedanken, dass Asiat*innen eine Art Zauberkinder sind, die in Dingen wie Naturwissenschaften oder Musik gut sein müssen – alleinig aufgrund ihrer Herkunft. An sich scheint dieses Stereotyp zunächst positiv, jedoch ignoriert es die Diversität des asiatischen Kontinentes und stellt Asiat*innen als ein ganzes Kollektiv ohne Individualität dar. Dieser Mythos stellt ebenfalls gewisse Erwartungen an Asian-Americans, an denen sie in der Gesellschaft gemessen werden und sieht sie als etwas außerhalb von Menschen anderer Herkunft – es wird das Narrativ verbreitet, dass andere ethnische Gruppen genauso erfolgreich wie die model minority sein könnten, würden sie sich mehr anstrengen, was das Streben nach racial equality erschwert.

Ein weiteres verbreitetes Stereotyp ist die Objektifizierung asiatischer Frauen. So werden Asiatinnen oft als Verführerinnen oder sexuelle Objekte dargestellt und betrachtet, geprägt durch den Zweiten Weltkrieg und die Kriege in Korea und Vietnam, aber auch durch die populäre Medien, die dieses Bild verbreiten. Auch dieses Stereotyp stellt gewisse Erwartungen an asiatische Frauen, indem sie beispielsweise mit Fantasien oder vermeintlichen Erfahrungen mit anderen Asiatinnen konfrontiert werden.

Hassverbrechen gegen Asian-Americans in der Gegenwart

Diskriminierung gegen asiatisch gelesene Menschen ist keine Tatsache, die erst seit der – oder gar durch die – Covid-19 Pandemie entstanden ist, sie hat in den letzten Jahren allerdings einen erschreckenden Höhepunkt erreicht. Das Federal Bureau of Investigation stellte von 2019 bis 2020 eine Zunahme von 77% in anti-asiatischen Hassverbrechen in den USA fest – laut der Organisation Stop AAPI Hate wurden von mehr als 9000 Vorfällen von März 2020 bis Juni 2021 berichtet. Motiviert sind diese durch Stereotypen und Narrative, die – insbesondere durch die Pandemie – weit verbreitet wurden. Begriffe wie Wuhan oder Chinese Virus wurden nicht zuletzt von bekannten Politiker*innen öffentlich verwendet und gaben Asiat*innen die Schuld an der Pandemie.

Die Attacke in Atlanta basierte wahrscheinlich ebenfalls auf Misogynie hinsichtlich asiatischer Frauen. In Atlanta wurden spezifisch Spas unter asiatischer Leitung angegriffen. Das Motiv des Täters gründete sich genau auf einem der zuvor genannten Stereotypen – aufgrund der Objektifizierung asiatischer Frauen sah er diese Spas als etwas anderes an als sie tatsächlich waren und wollte jegliche Art von Verlockung beseitigen.

What’s next? Ein Blick auf die USA und Deutschland

Zwei Monate nach dem Vorfall in Atlanta hat Präsident Joe Biden Ende Mai 2021 ein Gesetz zur Bekämpfung von anti-asiatisch geprägten Hassverbrechen unterzeichnet, welches die Aufklärung dieser erleichtern soll. Es reicht allerdings eine kurze Internet-Recherche und es scheint, als hätte sich auch mit diesem Gesetz nicht viel geändert. Bereits im Januar 2022 kam es zum Mord an Michelle Go, nur ein Vorfall in der Menge an anti-asiatisch motivierten Hassverbrechen, die fast täglich in den USA geschehen.

In meiner Recherche bin ich auf folgendes Zitat in der New York Times gestoßen: „I’ve learned over time that Asian American voices shouldn’t be heard only when we are feeling like our lives are being threatened. We should be vocal long before and long after the news cameras turn away from us to focus on the next big headline.”1 Für mich gilt dies allerdings nicht nur für Asiat*innen in den USA. Anti-asiatischer Rassismus ist nicht etwas, das fern von unser deutschen Realität ist. Hamburg-Billbrook im Jahr 1980 oder Rockstock-Lichtenhagen 1992 sind vergessene Beispiele anti-asiatischer Hassverbrechen in Deutschland. Die Organisation „Ich bin kein Virus“ sammelte Erfahrungen asiatisch gelesener Personen – ein Blick darauf zeigt, dass anti-asiatischer Rassismus auch für Menschen in Deutschland ein tägliches Phänomen darstellt. Ähnlich wie in den USA wird von Anfeindungen aufgrund der Corona-Pandemie erzählt, von „Witzen“ über verbreitete Stereotypen und strukturelle Benachteiligung. Viele wünschen sich mehr Unterstützung anderer sowie mehr Eingreifen, sollte es zu einem rassistischen Vorfall kommen. Genau deshalb ist es so wichtig, nicht zu schweigen und Mut zu finden, dieses schwierige, mit Emotionen gefüllte Thema und eigene Erfahrungen anzusprechen – unabhängig von der Berichterstattung in den Medien.

Quellen:

1Zheng, Lily (2021): “To Dismantle Anti-Asian Racism, We Must Understand Its Roots”. https://hbr.org/2021/05/to-dismantle-anti-asian-racism-we-must-understand-its-roots. Letzter Aufruf: 18.04.2022, 14:23

2Michael Thai in „How It Feels to Be Asian in Today’s America”. Letzter Aufruf: 19.04.2022, 17:44