Debatten, Drittparteien und die Demokraten – ein Update zu den Vorwahlen

von Sarah Wagner, M.A.

Debatten und Loyalität

Die Vorwahlen für die Präsidentschaftswahl 2024 haben noch nicht offiziell begonnen, aber die Kandidat*innen laufen sich warm und das erste Fernsehduell findet in diesem Sommer statt. Am 23. August treffen die Kandidat*innen der Republikanischen Partei in Milwaukee aufeinander und aktuellen Berichten zufolge erfüllen sechs von 13 Personen fast alle Anforderungen, um bei der von Fox News durchgeführten Debatte dabei zu sein.

Donald Trump, Ron DeSantis, Nikki Haley, Vivek Ramaswamy, Chris Christie und Tim Scott dürfen, wenn sie noch ein weiteres Kriterium erfüllen, auf der Bühne stehen. Denn es reicht nicht aus, sich einfach selbst als Kandidat*in ins Spiel zu bringen, sondern es müssen auch bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein: Eine Kampagne muss mindestens 40.000 individuelle Spenden erhalten haben, darunter müssen mindestens 200 individuelle Spender*innen pro Staat oder Territorium vertreten sein und die Kampagne muss mit 1% oder mehr in einer bestimmten Anzahl und Art von Umfragen vertreten sein. All das ist nicht so einfach, und so sind auch nicht alle Kampagnen vertreten: Der ehemalige Gouverneur von Arkansas, Asa Hutchinson, hat noch nicht genügend Spender*innen auf der Liste und auch weniger bekannte Persönlichkeiten wie der konservative Radiomoderator Larry Elder, der Gouverneur von North Dakota, Doug Burgum, oder der Bürgermeister von Miami, Francis Suarez, werden wohl nicht mit dabei sein. Mike Pence hat noch nicht mitgeteilt, ob er alle Anforderungen erfüllen kann. Die geringen Spendeneinnahmen der Pence-Kampagne könnten hier ein Problem für den Kandidaten werden.  

Eine interessante Forderung der Partei ist übrigens, dass die Teilnehmer*innen der Debatte auch ein Loyalitätsversprechen leisten sollen, dass sie den oder die Gewinner*in der Vorwahlen am Ende auch wirklich im Wahlkampf unterstützen werden. Zudem sollen sie auch nicht an anderen Debatten teilnehmen, die nicht von dem Parteiorgan der Republikaner vorher abgenickt werden. Ein zaghafter Versuch, unberechenbare Personen wie Donald Trump schon jetzt einzuhegen und auf Linie zu bringen und vor allem eine mögliche Kandidatur als dritter unabhängiger Kandidat zu verhindern. Im Umkehrschluss könnte es aber auch geschlossene Reihen hinter Trump bedeuten, sollte er die Vorwahlen für sich entscheiden. Ein Punkt, den Kandidaten wie Chris Christie und Will Hurd stark kritisieren.

Was denkt Donald Trump darüber? Momentan ist noch nicht sicher, ob er überhaupt an der Debatte teilnehmen wird. Er hat in den Umfragen den Rest des Kandidatenfelds weit hinter sich gelassen und hat als ehemaliger Präsident und TV-Star einen enorm hohen Wiedererkennungswert – und ist somit weitaus weniger auf diese Debatten angewiesen. So äußerte er sich auf Fox News: „ Ronald Reagan didn’t do it and a lot of other people didn’t do it. When you have a big lead, you don’t do it.“ Eine definitive Entscheidung habe er allerdings noch nicht getroffen. Laut Umfragen steht Trump im Durchschnitt bei 51.3%, De Santis liegt bei 21.2% und dann folgt Mike Pence mit 6.8%. Alle anderen Kandidat*innen liegen unter 6%. Das ist also das Feld der Republikanischen Partei. Trotz Anklagen und Skandalen, die Pole Position besetzt noch immer Donald Trump.

Ron DeSantis im Abseits?

Vor wenigen Monaten noch als schärfster Konkurrent von Donald Trump gehandelt, scheint es momentan an jeder Ecke der Kampagne des Gouverneurs von Florida zu brennen. Ron DeSantis und seine Kampagne haben wir schon in Episode 21 unseres Podcasts „Amerikas Verfassung“ vorgestellt, an dieser Stelle daher lediglich ein kurzes Update zu seinen Aspirationen. Die in DeSantis gesetzten Hoffnungen und auch das mediale Echo konnten sich bisher nicht in gute Umfragewerte verwandeln lassen – vielmehr strauchelt die Kampagne verstärkt. Im Juli kam es zu den ersten Entlassungen in seinem Kampagnen-Team, die Kampagne gibt eingeworbene Spenden sehr schnell wieder aus, scheint hohe Ausgaben für Personal und Reisen zu haben und hat auch taktische Anpassungen durchführen müssen. Während DeSantis traditionelle Nachrichtenkanäle und etablierte Medien, beispielsweise CNN, bisher bewusst ignoriert und kritisiert hat, scheint man nun doch den Kontakt zu genau diesen Kanälen zu suchen, um für Aufwind in den Umfragen zu suchen. Und dann ist da noch seine Persönlichkeit, die von der Financial Times als „black hole in terms of charisma“ beschreiben wird, während Trump diabolisches Charisma zugeschrieben wird. Ja, zwar diabolisch – aber immerhin Charisma.

Die DeSantis Kampagne zeigt erneut, wie stark der Unterschied zwischen Theorie und Praxis ist. Theoretisch ist der Gouverneur aus Florida jung, bekannt, erfolgreich, ohne Skandale oder große juristische Probleme und kann damit die Funktion als Hoffnungsträger erfüllen. Doch in der Praxis ist der Kult um Donald Trump stärker; DeSantis traut sich nicht, ihn frontal anzugreifen und kämpft mit einer wenig überzeugenden Message und gegen seine eigene Persönlichkeit.

Das DeSantis Team ist außerdem fokussiert auf eine Kampagne, die so chronisch online ist dass selbst Expert*innen Werbespots öfters anschauen müssen, um alle Anspielungen zu verstehen. Die internen Verweise, Codes und Chiffren zu Themen innerhalb der MAGA-Bubble dürften nicht von allen Wähler*innen in der Hauptwahl verstanden werden. Das Magazin Jacobin beschreibt die Kampagne als „emblematic of a political project whose sense of discipline and purpose has been overpowered by its own machinery — whose activists increasingly speak an abstruse and impenetrable online jargon, strike maximalist poses by default, and obsess over causes that scarcely register outside the reactionary echo chamber.”

All dies bedeutet nicht automatisch, dass DeSantis und seine Kampagne den Abstand zu Donald Trump nicht aufholen können. Neue Ausrichtungen und personelle Wechsel in Kampagnen gehören zum politischen Tagesgeschäft. Die Zeit bis zu den ersten Vorwahlen ist noch lang, die Gerichtsverfahren um Donald Trump sind viele. Aber DeSantis braucht in den nächsten Wochen auch Glück – und muss hoffen, dass Trump in irgendeiner Art und Weise geschwächt wird.

Wenn zwei sich streiten…?

Eine weitere Diskussion entfacht sich aktuell an der Möglichkeit, dass vielleicht eine dritte Kandidatur abseits von Demokraten und Republikanern ins Spiel kommt. Die überparteiische Gruppe No Labels spielt mit dem Gedanken, ein „Einheits-Tickets“ ins Leben zu rufen und hat im Juli eine Veranstaltung durchgeführt, auf der auch der Demokratische Senator Joe Manchin zu Gast war. Der Senator aus West Virginia ist nicht die verlässlichste Demokratische Stimme im Senat und wird von einigen Beobachter*innen als möglicher Kandidat einer dritten Partei oder Bewegung gesehen. Vorbild ist hier Ross Perot – der Drittkandidat, der 1992 angetreten ist und  19% der Stimmen gegen Bill Clinton und George Bush Senior erhielt. Das ist schon beachtlich im Zweiparteiensystem, aber es hat in keinem Staat für eine electoral vote gereicht – und darauf kommt es ja an. Eine eindeutige Niederlage trotz des großartigen Slogans der Kampagne: Ross for Boss.

Drittkandidaten fahren also historisch gesehen schlecht im amerikanischen Parteiensystem, aber No Labels hofft auf eine Wählergruppe von Unabhängigen und enttäuschten Wähler*innen, die einen Unterschied machen könnten. Viel wahrscheinlicher jedoch und woran sich die Diskussion entzündet, ist die Tatsache, dass solche Drittkandidaten auch als „Spoiler“ wirken können. So gewinnen sie zwar keine Wahlstimmen, aber in knappen und engen Rennen – von denen es ja einige gibt, denken wir an 2016 – können die Stimmen, die diese Drittkandidaten abgreifen natürlich einen Unterschied machen. No Labels selbst argumentiert, man wolle nur einen Kandidaten ins Rennen schicken, wenn die zur Auswahl stehenden Kandidat*innen der Demokraten und Republikaner von einer Mehrheit der Amerikaner*innen nicht unterstützt werden. Nun, rechnen wir mit Biden und Trump – dann dürfte das zutreffen. Der ehemalige Mitbegründer von No Labels, William A. Galston, hat die Organisation mittlerweile verlassen und in einem Meinungsbeitrag für das Wall Street Journal argumentiert, dass eine Drittkandidatur von Vorteil für Donald Trump sei und dessen Wahlsieg ermöglichen würde.

Joe Manchin muss 2024 eigentlich seinen Senatssitz in West Virginia verteidigen – ein Staat und ein Sitz, auf den die Republikaner ein Auge geworfen haben. Manchin selbst hat aber noch nicht signalisiert, ob er noch einmal für den Senat antritt oder ob er vielleicht doch gemeinsam mit einem Republikaner unter dem Banner von No Labels antritt. Eine Haltung, die ihn innerhalb der eigenen Partei keine Sympathiepunkte einbringen wird.  

Biden vs. Kennedy?

Zum Schluss ein kurzer Blick auf die Demokraten. Joe Biden kandidiert bekanntlich und hat bisher keine ernstzunehmende innerparteiliche Konkurrenz – um die Nominierung bewerben sich hier auch der 69jährige Robert F. Kennedy Jr., Anwalt und Aktivist, und Marianne Williamson, spirituelle Autorin. Robert Kennedy ist der Neffe von John F. Kennedy und Sohn von Robert F. Kennedy, der allerdings mehr mit verschwörungstheoretischen und antisemitischen Äußerungen auf sich aufmerksam macht als mit konkreten politischen Inhalten. Er erhält zudem auch Beifall von Leuten wie Twitter-Chef Elon Musk oder der ehemaligen Fox News Persönlichkeit Tucker Carlson. Und er hat natürlich einen Wiedererkennungswert dank seinem Namen.

Kennedy könnte noch etwas Würze in den Vorwahlprozess der Demokraten bringen der – unter anderem auf Wunsch von Joe Biden – in South Carolina beginnen soll und nicht in den traditionellen Staaten, den weißen Staaten, wie Iowa und New Hampshire. Vor allem New Hampshire ist darüber arg verärgert und will an dem frühen Termin festhalten. Kennedy will das zu seinem Vorteil nutzen und hier ordentlich für sich werben und beäugt einen möglichen Sieg. Nimmt Biden nämlich nicht an der Wahl in New Hampshire teil aufgrund des neuen Vorwahl-Kalenders und ein anderer Kandidat siegt, könnte ihm das zumindest ein paar negative Schlagzeilen bereiten und wäre nicht der eleganteste Auftakt für den Präsidenten in die Vorwahlen. Doch bis zu diesen Vorwahlen Anfang 2024 kann noch einiges passieren, nicht nur in New Hampshire.